Bad Tölz:Lichtdurchflutete Lernlandschaft

Im Neubau der Von-Rothmund-Schule Schule will die Lebenshilfe bald 104 Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in modernem Ambiente unterrichten. Die Fertigstellung verzögert sich jedoch - wegen der Entwässerung und des Regenwetters

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Als Geschäftsführer der Lebenshilfe in Bad Tölz-Wolfratshausen gGmbH hätte Franz Gulder eigentlich auch so genug zu tun. Immerhin leitet er ein Sozialunternehmen mit 299 Beschäftigten, die sich um geistig und mehrfach schwerstbehinderte Menschen kümmern. Seit knapp zwei Jahren hat er aber noch eine andere Aufgabe: Er leitet den Neubau der Von-Rothmund-Schule auf dem Gelände an der Bairawieser Straße in Bad Tölz, der im Mai 2015 begann. Vor unliebsamen Überraschungen blieb er nicht gefeit. Ausgebuchte Baufirmen, das feuchte Wetter und ein Entwässerungskonzept, das fürs gesamte Areal plötzlich nötig wurde, verzögern die erst für Herbst, dann für Weihnachten geplante Fertigstellung. Damit rechnet Gulder nun im Februar 2017. "Solche Geschichten kommen beim Bauen ständig daher", sagte er am Mittwoch auf einem Rundgang durch den Rohbau.

Wie die Schule mit ihrem langen, zweistöckigen Baukörper einmal aussehen soll, lässt sich schon erahnen. Sieben Klassenzimmer mit je 55 Quadratmetern plus Nebenraum, vier bis fünf Werkräume für Handarbeiten, Schreinern und Hauswirtschaft, die insgesamt rund 300 Quadratmeter groß sind, eine Aula mit Glasdach, eine balkonartige Galerie im ersten Stock, ein Lehrerzimmer, eine Küche. Das Besondere: Alle Räume haben auf beiden Seiten des Gebäudes eine Glasfront, die vom Boden bis zur Decke reicht. "Wir werden viele Fenster haben, das ist ein Riesenvorteil, dann ist es auch hell", sagte Gulder. Dazu gebe es den entsprechenden Sonnenschutz. Das ganz Besondere: Alle Räume sind an eine vollautomatische Lüftungsanlage angeschlossen. Seines Wissens, sagt der Geschäftsführer, habe so etwas keine andere Schule im Landkreis. "Wir haben uns lange überlegt, ob wir uns das leisten können." Eine Tiefgarage, die das Parkplatzproblem auf dem Gelände der Lebenshilfe gelöst hätte, war finanziell hingegen nicht drin. "Da reden wir von 2,5 Millionen", sagt Gulder. "Völlig unbezahlbar."

Bad Tölz: Geduld am Neubau: Franz Gulder, Bernd Angermann und Martin Lechner (v. li.) vor einem der neuen Klassenzimmer.

Geduld am Neubau: Franz Gulder, Bernd Angermann und Martin Lechner (v. li.) vor einem der neuen Klassenzimmer.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Neubau kostet etwa 6,4 Millionen Euro, hinzu kommen noch rund 600 000 Euro für die Ausstattung. 90 Prozent davon trägt die Regierung von Oberbayern. Der Rest muss die Lebenshilfe selbst aufbringen, etwa durch Mieteinnahmen und Spenden. "Wir schauen auch, dass wir noch andere Fördermittel bekommen", teilt Gulder mit.

Die neue Schule für 104 Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in Grund-, Haupt- und Berufsschule wurde erforderlich, weil die bisherige Unterkunft im ehemaligen "Prinzregent-Luitpold-Genesungsheim" längst nicht mehr modernen Brandschutzvorschriften entspricht. Eine Sanierung wäre zu teuer gekommen. Außerdem sind die Klassenzimmer dort mit 35 Quadratmetern ziemlich klein. Der Altbau soll renoviert und künftig von der Heilpädagogischen Tagesstätte genutzt werden - mit Ausnahme der obersten Etage, der wegen des nicht herzustellenden Brandschutzes leer bleiben muss.

Unerwartet kam für Gulder während der Bauphase, dass die Lebenshilfe ihr Regenwasser nicht einfach in die Kanalisation ableiten durfte, weil die sonst überfordert wäre. Die Stadt forderte ein Entwässerungskonzept, das nun den Bau eines Rückhaltebeckens zur Heißstraße hin vorsieht. Die zeitliche Verzögerung, sagt der Geschäftsführer, sei vor allem darauf zurückzuführen. Vier Wochen habe auch das regnerische Wetter gekostet, weil zum Beispiel die Heizungsbauer nicht weitermachen konnten. Martin Lechner nimmt's mit Humor. "Man sieht daran, dass die Lebenshilfe einen Geschäftsführer hat, dessen Hobby das Bauen ist", meint der Vorsitzende vom Verein Lebenshilfe, dem einzigen Gesellschafter der gemeinnützigen GmbH. Wichtig ist ihm, dass die Schule bedarfsgerecht errichtet wird. "Den Verantwortlichen geht es um die Infrastruktur."

Inklusion ohne Überforderung

Was ist Inklusion? Für Martin Lechner bedeutet dieser Begriff die Teilhabe von behinderten Menschen am gesellschaftlichen Leben, aber nur soweit, wie dies ob ihrer Einschränkungen möglich ist. Noch immer seien "Schutz und Fürsorge" nötig, sagt der Vorsitzende des Vereins Lebenshilfe Bad Tölz-Wolfratshausen. Ihm ist klar, dass er damit nicht auf einer Linie mit dem "Verein zur Förderung der gemeinsamen Erziehung von behinderten und nichtbehinderten Kindern in Geretsried" liegt, der erreichen möchte, dass die Gehandicapten gemeinsam mit allen anderen leben, lernen, arbeiten. Mit seiner Vorstellung von einer "gemäßigten Inklusion" bereitet Lechner auch das geplante Bundesteilhabegesetz, das vor allem die Eingliederungshilfe neu regelt, erhebliche Sorgen. Der Entwurf gehe davon aus, dass Behinderte "so fähig sind, dass sie ihr Leben selber regeln", meint Lechner. Dies überfordere jedoch "die meisten Menschen, die wir betreuen" - also geistig und mehrfach schwerstbehinderte Menschen. Der Fürsorgegedanke werde aufgegeben. Zudem sei die Gesetzesvorlage ein Sparmodell und marktorientiert. Auch Bernd Angermann, ebenfalls Lebenshilfe-Vorsitzender, spricht von einem "verkrüppelten Gesetzeswerk". Vor allem moniert er, dass nicht nach der Art von Behinderungen differenziert werde. "Ein Körperbehinderter kann seine Hilfe organisieren, ein geistig Behinderter kann das nicht." Was das Schulsystem betrifft, sind Lechner zufolge nach wie vor spezielle Einrichtungen wie die Von-Rothmund-Schule in Bad Tölz erforderlich: "Für unterschiedliche Behinderungen braucht man ein unterschiedliches Angebot." sci

Die Schule ist nicht das einzige Projekt der Lebenshilfe, die zwölf Immobilien im Landkreis besitzt. In Bad Tölz hat sie das Anwesen Schützenstraße 10 erworben und will es für rund zwei Millionen Euro in ein Wohnhaus für behinderte Menschen umbauen. Der Stadtrat hatte den Vorbescheid abgelehnt, weil die Autofahrer von den geplanten Parkplätzen rückwärts auf die Straße hätten rangieren müssen. Das habe man inzwischen gelöst, auch wenn dadurch zwei Drittel der Terrasse verloren gehe, so Gulder. Sind die Arbeiten an der Von-Rothmund-Schule und am Wohnhaus beendet, kann er sich noch immer nicht auf sein Kerngeschäft konzentrieren. Auf ihrem Areal an der Bairawieser Straße will die Lebenshilfe dann das Wohnheim nördlich der alten Schule erweitern. "Aber damit können wir erst anfangen, wenn die neue Schule fertig ist", meint Gulder. Weil ihm die Arbeit über den Kopf wüchse? Mitnichten. Der Baustellenverkehr auf dem Gelände nähme überhand, sagt er.

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