Bad Tölz:Kunstverein auf der Kippe

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Für Patrizia Zewe ist kein Nachfolger als Vorsitzender in Sicht

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Der Kunstverein Tölzer Land ist in einer schwierigen Situation. Vorsitzende Patrizia Zewe ist zur Neuwahl Ende April nicht mehr angetreten. Auch kein anderes Mitglied wollte für das Amt kandidieren, obwohl ein Dutzend direkt angesprochen worden waren. Wenn sich bis Ende Mai niemand findet, muss der Verein, der derzeit kommissarisch von Sylvia van der Drift geleitet wird, aufgelöst werden.

Zewe glaubt nicht, dass es soweit kommt. Der Kunstverein mit 150 Mitgliedern und fast 40-jähriger Tradition sei doch ein Gewinn für die Stadt. Wer ihre Nachfolge übernehmen könnte, wisse sie allerdings auch nicht. Nach zwei Jahren fühle sie sich von diesem Ehrenamt, das viel Zeit in Anspruch nehme, zermürbt: Interne Querelen, ein Mangel an Kooperation und Unterstützung, das habe die Arbeit nicht einfach gemacht. Vor allem der "ewige Qualitätskampf" innerhalb des Vereins habe sie belastet; die oft verletzenden Diskussionen, wer warum und wo seine Bilder ausstellen dürfe. Über Kriterien und Bewertungsmaßstäben kann man freilich streiten. Zewe steht für einen weiten Kunstbegriff. "Die Idee hinter einem Werk zählt, nicht nur die Technik." Der traditionelle Kunstbegriff sei doch schon von Beuys in Frage gestellt worden.

Zewe, die zwei Jahre an der Kunstakademie in Düsseldorf studiert hat, will Kunst aus dem Elfenbeinturm holen und Kommunikation anregen. "Kunst ist doch kein Privileg selbst ernannter Picassos und Münters", sagt sie. Profis und Hobbykünstler könnten voneinander profitieren, Inspiration finden. "Wir sind hier schließlich nicht in New York." Mit dieser Einstellung sei sie bei vielen Mitgliedern angeeckt. Auch ihren Entschluss, nicht mehr als Vorsitzende anzutreten, habe man kritisiert. "Mit der Zeit ist das dicke Fell dann löchrig geworden", sagt sie. In der hiesigen Kunstszene herrsche viel Konkurrenzdenken. "Mehr als in München", findet Zewe, die dort jahrelang eine Galerie geführt hat. Es sei schade, dass es in der Stadt nicht mehr Zusammenarbeit im Sinne einer gemeinsamen "Kunst in Tölz" gebe. "Jeder kocht hier sein eigenes Süppchen." So gebe es neuerdings Ausstellungen in der "Neuen Galerie" im Stadtmuseum, und Kunstvereins-Gründer Walter Frei, nicht mehr Mitglied, wolle einen eigenen Kulturverein gründen. Auch die Unterstützung von Geschäftsleuten und Banken in der Marktstraße halte sich in Grenzen: "Lieber hängt man ein Plakat vom Bernrieder Künstlermarkt auf als eines von uns."

Zewe will lieber wieder ihr eigenes Ding machen. Anfang April hat sie ein Atelier am Jungmayrplatz gemietet: 35 Quadratmeter, an den Wänden ihre großformatigen Acrylbilder. Voraussichtlich im Juni will sie den neuen Raum offiziell mit einer Ausstellung eröffnen. Titel: "It's my Turn". Seit drei Wochen ist das Atelier jeden Freitag von 16 Uhr an zur "Happy Hour with Art and Friends" geöffnet. Auch philosophische Lesungen, Kurzfilme und das "Fashion Café" soll es geben. Das Konzept des Kunstsalons, den sie vor drei Jahren in der Marktstraße eröffnet hat, ist also geblieben. Den Ort hat Zewe gewechselt, weil sie mal wieder etwas Neues machen wollte. "Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise (. . .), so droht Erschlaffen", zitiert sie Hermann Hesse. Den Kunstsalon hat im Januar der Kunstverein für monatliche Mitgliederausstellungen übernommen.

Das Programm des Kunstvereins steht bereits bis Jahresende. Im Juli findet zum dritten Mal die Ausstellung "art-gardening" an der Isarpromenade statt, die Zewe ins Leben gerufen hat; im Herbst die Mitgliederausstellung im Kunstturm auf der Flinthöhe; im Dezember die "art-99-charity", auch eine Idee von Zewe, bei der Kunst günstig zu einem guten Zweck verkauft wird. Neu ist der "Kunstsommer im Schloss" Reichersbeuern: Schulleiterin Carmen Mendez, neues Mitglied im Kunstverein, stellt Räume in der Max-Rill-Schule zur Verfügung, die der Kunstverein bespielen wird. Dieser sei auf einem guten Weg, findet Zewe. Vielleicht brauche es einfach eine Neuausrichtung.

© SZ vom 07.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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