Bad Tölz:Kalauer statt Kabarett

Bad Tölz: Spritzige Musik, dünne Rahmenhandlung: Lizzy Aumeier bot im Kurhaus ein durchwachsenes Programm.

Spritzige Musik, dünne Rahmenhandlung: Lizzy Aumeier bot im Kurhaus ein durchwachsenes Programm.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Lizzy Aumeier kann bei ihrem Neujahrsauftritt mit dem Ensemble Les femmes fatales im Kurhaus nur musikalisch überzeugen.

Von Claudia Koestler, Bad Tölz

Erst die Musik, dann die Handlung darum herumgestrickt: Dieses Prinzip ist nicht neu und hat unter anderem bei Musicals wie "Mamma Mia" bereits funktioniert. Es könne also nicht verkehrt sein, sich hier einzureihen, dachte sich wohl die Kontrabassistin und Kabarettistin Lizzy Aumeier und setzte für ihr Neujahrskonzert am Freitag im Tölzer Kurhaus auf eine ähnliche Mixtur. Zusammen mit dem Profimusikerinnen-Ensemble Les femmes fatales bot sie leicht verdauliche Klassik-Häppchen dar, ohne Schwere musiziert, das Ganze in eine übersichtliche Rahmenhandlung gepackt. Das Publikum werde, so hatte Aumeier angekündigt, Teil einer Geschichte werden, die in Großbritannien spielt.

Allerdings beschränkte sich die Interaktion auf eine kurze Befragung einzelner Herren in den Zuschauerreihen, woher sie kämen und was sie beruflich machten. Zurück zur Rahmenhandlung also: In einem Schloss an der Ostküste Englands saß die Familie Winterborn zusammen - die Mutter mit russisch-zaristischem Migrationshintergrund, der arrogante Stiefsohn, die noch arrogantere und geldgeile Tochter mit einem Faible für Prinz Harry, dazu gesellten sich der Pfarrer und die Dienstmagd Gretel aus der Oberpfalz (Aumeier). Mal musizierten sie miteinander, mal jammerten sie über Schweinshaxe mit Minzsoße und lästerten über die Magd: "Die ist so fett, die braucht eine eigene Postleitzahl." Die giftete unverhohlen zurück, über die Familie im Besonderen, "das arrogante Pack", und die Briten im Allgemeinen, die doch lediglich mit einem "Kronprinzen mit Segelohren aufwarten" könnten: "Nun gut, sie haben auch noch David Beckham, aber wir haben Lothar Matthäus", ätzte Aumeier. Doch da hatte es sie als Gretel schon erwischt, ein Stich mit dem Kontrabassbogen raffte sie nieder. Grundlage für weitere mehr oder weniger motivierte Kalauer: "Wenn der Tod anklopft, schick ihn zum Nachbarn" oder "Auf meinem Grabstein soll stehen, schau nicht so blöd, ich läge jetzt auch lieber am Strand".

Gretel trat ab, es folgte Aumeiers Wiederauferstehung als Queen Elizabeth II., indem sie sich eine Kittelschürze und eine weiße Lockenperücke überstülpte. Als solche ließ sie weitere Zoten fallen, die nichts mit der Geschichte oder der Figur zu tun hatten: "In der Oberpfalz lernt man, es ist erst dann richtiger Sex, wenn auch die Nachbarn danach eine rauchen." Nachdem ein sächselnder Inspektor von Scotland Yard alle befummelt hatte, wurde der Täter benannt und sich wieder der Musik gewidmet. Gott sei Dank, kann man nur sagen. Denn die Rahmenhandlung war so dünn wie überflüssig.

Ganz abgesehen davon, dass es so wenig britisches Flair vermittelte wie ein deutscher Lattenzaun und schon gar kein lustvoll ironisches Spiel mit den Eigenheiten der Briten war, sondern eine Aneinanderreihung von dumpfen Vorurteilen, die die alten deutschen Wallace-Verfilmungen wie ein Studiosus-Programm wirken ließen. Klischee statt Kabarett. Was Aumeier da geritten hat, blieb unklar, denn angekündigt war ein Abend, der sich um weibliche Legenden drehen sollte: Mata Hari, Marie Curie, Marie Antoinette oder Zarah Leander.

Der Rettungsanker war, dass sich eine ganze Menge mehr oder weniger vorhersehbarer Musikstücke verweben ließen. Hier zeigten die Musikerinnen ihr Können und ihren Esprit, beachtlich virtuos und spritzig: Jacques Offenbachs "Galop Infernal" aus "Orpheus in der Unterwelt" etwa, heute besser als Cancan bekannt, brachten sie mit Präzision und Dynamik zum Glühen. Der Marsch "Knightsbridge" hatte Eleganz und Klasse, hier konnte man sich in der Tat beim "Five o'clock tea" im Savoy wähnen. Und auch bei "Murder, she says" - jener Erkennungsmelodie der Schwarz-weiß-Filme mit Miss Marple aus den 1960er-Jahren - klopften die fünf Vollprofis gehörig Staub aus den Noten. Für ihre musikalischen Darbietungen - und nur dafür - gebührten ihnen jene Bravorufe und Beifallsstürme, die ihnen das Tölzer Publikum schenkte.

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