Türkische Eishockey-Fans in Tölz:Jubel über 22 Gegentore

In Bad Tölz tritt erstmals die türkische gegen die deutsche Frauen-Nationalmannschaft an. Das Ergebnis ist nebensächlich, die Fans kommen von weit her und wollen vor allem feiern.

Von Andreas Scheuerer, Bad Tölz

Die Anzeigetafel in der Hacker-Pschorr-Arena zeigt den Endstand: 22 zu Null gewinnt die deutsche Damennationalmannschaft gegen die türkische am Montagabend - ein Ergebnis, das eigentlich überschwängliche Reaktionen der deutschen Anhänger vermuten ließe. Es feiern jedoch die Türken, die haushoch ohne wirkliche Chance auf ein Tor verloren haben. Aus dem Fahnenmeer ertönen die Rufe der Fans: "Turkiye, Turkiye!" Die Stimmung kocht in der Tölzer Eishalle nach der Schlusssirene.

Bereits eine halbe Stunde vor Beginn der Eishockeypartie schwenken die Anhänger des türkischen Teams ihre Fahnen auf der Tribüne. Aus dem ganzen Landkreis und sogar aus München sind sie nach Bad Tölz gekommen, um der türkischen Mannschaft zuzujubeln. Die deutschen Fans gegenüber wirken im Vergleich zurückhaltend. Nach einer kurzen Begrüßung durch den Präsidenten des Deutschen-Eishockey-Bunds, Franz Reindl, beginnt das Spiel, das - wie das Ergebnis bereits vermuten lässt - eher einseitig wird.

Dass der Ausgang der Partie nur Nebensache ist, ist bereits vor dem Spiel klar. Denn die türkische Nationalmannschaft hat nicht das Spielniveau der deutschen, die sich in Kürze in einem Division-1-Turnier mit Mannschaften aus der Weltspitze wie Frankreich oder Dänemark messen wird. Im Gegensatz dazu setzen die Türkinnen auf Aufbauarbeit. Allgemein gebe es in der Türkei viele Spielerinnen und auch Spieler mit Potenzial, sagt Reindl. Talente wie Yasin Ehliz oder Sinan Akdag, die in der männlichen Nationalmannschaft echte Führungspersönlichkeiten sind, stellten dies unter Beweis.

Erstmals fand in Bad Tölz ein Länderspiel zwischen Deutschland und der Türkei im Dameneishockey statt. Das Hauptanliegen war vor allem die Integration. "Wir wollen das Eishockey nutzen, um eine Verbindung zwischen den Bevölkerungsgruppen herzustellen - nicht nur zwischen Deutschland und der Türkei", sagt Reindl. Dabei spielte er auf das Spiel am Samstag an, als die Türkinnen in Salzburg gegen Österreich antraten.

Zusammen mit den nationalen Verbänden sei der Vater von Yasin Ehliz, Abdullah Ehliz, der Hauptinitiator und Visionär dieses Integrationsgedankens. Er habe die Spiele organisiert und auch die Verbindung zu Bad Tölz hergestellt, wo Ehliz wohnt und Mitglied im Vorstand des EC Bad Tölz ist. Der Ehrenbotschafter des Türkischen Eissportverbandes plane derzeit schon für die Eishockey-WM 2017 in Köln eine weitere integrative Veranstaltung, die Reindl aber noch nicht konkretisierte.

Neben Talent braucht es aber immer auch eine Portion Kampfgeist. Und diesen legen die türkischen Spielerinnen an den Tag: Oftmals mehr am Boden liegend als schlittschuhlaufend, sind die jungen Nationalspielerinnen selbst bei großem Rückstand motiviert und werden von ihren Fans vorangepeitscht. Dennoch, ein Ehrentreffer blieb den Türkinnen verwehrt - dazu hatten die Deutschen einfach zu viel Spielkontrolle.

Abseits des Spiels genießen die rund 1700 Gäste die Leckereien, die es an mehreren Ständen gab. Neben den bayerischen Leberkässemmeln werden auch türkische Spezialitäten angeboten. Darunter Gözleme, Börek und Kuchen, wie Sütlü İrmik Tatlısı, ein Kokuskuchen, der mit einer kleinen Nussecke angeboten wurde. Darüber hinaus gibt es auch "echte türkische Wiener Würstchen" - zu 100 Prozent schweinefleischfrei.

Die Stimmung zwischen den Fangruppen ist während, vor und nach dem Spiel freundschaftlich. Obwohl die jeweiligen Lager in der Halle optisch deutlich getrennt sitzen, respektieren sich die Gegner. So sind weder während der Nationalhymnen noch bei strittigen Situationen Pfeifkonzerte zu hören. " Wir gönnen den Deutschen den Sieg, denn dieser ist heute nicht wichtig. Hauptsache Spaß haben", lautet der Tenor der türkischen Anhänger.

Auf deutscher Seite wünschen sich die meisten aber noch zumindest den Ehrentreffer für die Gegnerinnen, "das hätten sich die kämpferischen Türkinnen verdient", sagte Eishockey-Fan Sabine König. Eine türkischstämmige Frau mit Kopftuch und drei Kindern sagte vor der Partie, sie wolle ihren Töchtern zeigen, "wie echte Frauenpower aussieht."

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