Bad Tölz:Immer in Bewegung

Bad Tölz: Zeitungsausschnitte, Kopien und Fotografien - Alt-Landrat Otmar Huber in seinem Haus in Bad Tölz hat alles aufgehoben.

Zeitungsausschnitte, Kopien und Fotografien - Alt-Landrat Otmar Huber in seinem Haus in Bad Tölz hat alles aufgehoben.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Alt-Landrat Otmar Huber feiert seinen 90. Geburtstag. 30 Jahre prägte er den Landkreis, als größten Erfolg sieht er die Einführung des Tölzer Konzepts in der Abfallwirtschaft. Als Sportler war er vor allem auf dem Rad viel unterwegs

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Die offizielle Geburtstagsfeier gibt es am Donnerstag im Posthotel Hofherr in Königsdorf. Otmar Huber findet das einen "Schmarrn". Denn dass er am vergangenen Sonntag 90 Jahre alt geworden ist, "dafür kann ich ja nix". Aber Landrat Josef Niedermaier habe darauf bestanden, sagt sein Vorvorgänger. So einfach kommt man nicht davon, wenn man die Geschicke des Landkreises fast 30 Jahre geprägt hat.

Auf dem Tisch seines Hauses in Bad Tölz verteilen sich Zeitungsausschnitte, Kopien, Fotos - Huber hebt alles auf. Ein Glückwunschbrief von Edmund Stoiber ist dabei, auch Innenminister Joachim Herrmann hat gratuliert. Seine Frau Bilhilde bringt Kaffee und Plätzchen, da klingelt das Telefon - schon wieder. Ein Mords-Trubel sei das zurzeit, sagt Huber. Trubel ist er gewohnt, in seinem Leben hat er selbst viel Tempo gemacht. "Die Zeit drängt", das war sein Lieblingssatz bei Sitzungen, endloses Ausdiskutieren war nie seine Sache. Während seiner fünf Perioden als Landrat hat er viel erreicht: die Gebietsreform umgesetzt, die Abfallentsorgung neu geregelt, Schulen gebaut, das Tölzer Spaßbad "Alpamare" eröffnet. Zeit für seine Frau und die vier Kinder blieb wenig. Huber fegte durch den Landkreis, meist mit dem Rad.

Er war und ist begeisterter Sportler. Vor vier Jahren hat er bei der Senioren-Weltmeisterschaft im Langlauf den zweiten Platz belegt. Vier Mal war er Teilnehmer beim Ironman, 33 Jahre ist er bei der Benefiz-Radsportveranstaltung "Tour der Hoffnung" mitgefahren, die über mehrere hundert Kilometer führt. "Immer in Bewegung bleiben", lautet sein Lebensmotto. Es ist vermutlich auch das Rezept für seine jung gebliebene Ausstrahlung: die Figur schlank, die blauen Augen hellwach. Wenn er lacht, und das tut er oft, dann ist das ein jungenhaftes Lachen. Immer noch macht er seinen "Privat-Triathlon", die Ellbach-Kirchseerunde, aber langsamer, seit ihn zwei Stürze eingebremst haben. Darüber mag er nicht viel reden. Huber ist keiner, der jammert. "Ich habe Schwierigkeiten in meinem Leben oft mit Humor überstanden" sagt er.

1927 wurde er in Dörndorf im Landkreis Eichstätt geboren. Mit 15 wurde er als Flakhelfer eingezogen und geriet in russische Kriegsgefangenschaft. Vier Jahre schuftete in einem Kohlebergwerk, auf den Knien, weil die Stollen nur 1,30 hoch waren. Er kam krank nach Hause, drei Mal musste er wegen der Spätfolgen am Kopf operiert werden. Huber machte "Notabitur", studierte Jura in München und promovierte. Von 1957 an arbeitete er im Bayerischen Innenministerium, 1967 wurde er von einer "Überparteilichen Wählerschaft" als Landratskandidat nominiert und gewann überraschend. Erst später ist Huber in die CSU eingetreten, weil er die Partei für "das kleinste Übel" hielt. Für seine inzwischen zehn Enkel hat er sein Leben aufgeschrieben und ein kleines Büchlein drucken lassen. "Damit das nicht vergessen wird, ich bin ja ein Zeitzeuge", sagt er.

Huber kann viel erzählen. Wenn man ihn nach seiner größten Herausforderung fragt, muss er nicht lange überlegen. Das sei der Kampf um die Mülldeponie in Greiling gewesen. Im Jahr 1973 wurde die Müllbeseitigung auf die Landkreise übertragen, die Müllverbrennungsanlagen bauen sollten. Ein Standort in Geretsried war bereits festgelegt. "Aber wir wollten auf Wiederverwertung umstellen", erzählt Huber. Statt der vielen wilden Müllkippen sollte eine Deponie gebaut werden. "Hubers Müllnot ist Greilings Tod" - so lautete damals die Parole. Viel Prügel habe er bezogen, am Ende aber das Tölzer Konzept durchgesetzt.

Schöner sei es gewesen, Schulen zu bauen, "da freuen sich alle". 160 Millionen Mark wurden in seiner Amtszeit dafür ausgeben, unter anderem enrstand die Tölzer Realschule und die Förderschule, die damals noch "Sonderschule" hieß. Nicht einfach sei auch die Umsetzung der Gebietsreform im Jahr 1972 gewesen. Ein Problem damals: Wolfratshausen wollte das Landratsamt. Huber gelang ein Kompromiss: Landratsamt nach Tölz, KFZ-Zulassungsstelle nach Wolfratshausen. Dass seit Kurzem das WOR-Kennzeichen wieder möglich ist, findet Huber eine "völlig sinnlose Angelegenheit".

Mit seiner Meinung hat er nie hinter dem Berg gehalten, in München galt er als "aufmüpfiger Landrat". Manchmal schreibt er noch Leserbriefe, zur Flüchtlingspolitik von Merkel zum Beispiel, die er nicht richtig findet. In seinem Büro steht ein PC, den der 90-Jährige selbstverständlich nutzt, an den Wänden hängen Zinnteller, Medaillen und Urkunden für seine ehrenamtliche Tätigkeiten, bei der Feuerwehr, beim BRK oder beim Alpenverein. Viele Auszeichnungen hat er bekommen, darunter den Bayerischen Verdienstorden und das Bundesverdienstkreuz. Huber war nie nur Politiker und Sportler - er spielte Klavier, bis die Finger nicht mehr wollten. Und er schreibt seit seiner Jugend Gedichte. Aus dem Stand rezitiert er Hermann Hesses "Der Mann von 50 Jahren". Nur bis zur Hälfte - denn "der zweite Teil ist nicht jugendfrei", sagt er und lacht.

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