Glockenstreit:Heiliger Bimbam

Die Debatte um das Verbot von Kuhglocken ist im Landkreis angekommen. Tierschützer fordern andere Mittel wie zum Beispiel Satelliten-Ortung. Der Lenggrieser Almbauer Hans Probst hält das für "Quatsch"

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Wer über die Almen wandert, hört es immer wieder bimmeln. Das Läuten der Kuhglocken gehört zur Bergwelt wie die Felsen, das Edelweiß, der tiefblaue See. Geht es nach Tierschützern in der Schweiz, sollen die Glocken jedoch abgeschafft werden. Das hat bei den Eidgenossen zu einem heftigen Streit geführt, der inzwischen auch in Bayern angekommen ist. "Wenn nachzuweisen ist, dass die Kühe davon Schaden davontragen, dann handeln wir", sagt Nicole Brühl, Präsidentin des bayerischen Landesverbandes im Deutschen Tierschutzbund. Ein Verbot der Glocken fordert sie allerdings nicht. Hans Probst aus Lenggries hält von der Debatte überhaupt nichts. "Totaler Quatsch", sagt der Bezirksalmbauer.

Auslöser des Glockenstreits ist eine Studie der Universität ETH Zürich, wonach der schwere Halsbehang für die Kühe zu laut sei und ihr Gehör beeinträchtige, außerdem lägen sie deshalb länger im Gras, fräßen weniger und bewegten ihre Köpfe seltener. Mit seinen 54 Jahren kennt Almbauer Probst die Kuhglocken, "seit ich denken kann - aber deswegen war noch keine Kuh verhaltensgestört". Wenn er in der Frühe auf die Alm geht, "da halte ich mich ganz stad", erzählt er.

Kuh mit Kuhglocke

Tierschützer wollen den Kühen die Glocken abhängen. Sie seien für die Tiere zu schwer und zu laut - und damit schädlich.

(Foto: Andreas Heimann/dpa)

Das Glockengeläut ist für ihn unverzichtbar, um seine fünf Kühe, 15 Jungtiere und sechs Kälber auf der unübersichtlichen Weide akustisch zu orten. "Wenn die Kuhglocken weg sind und Nebel herrscht, finde ich die Viecher nicht mehr, und auch die Gruppen laufen auseinander", erzählt der Almbauer. Das Argument, dass dieses Geläut für die Tiere zu schwer sein, hält er für realitätsfremd: "Große Glocken gibt es sowie so nicht, also solche, die eine Kilo und mehr wiegen." Allenfalls zu Kirchweih bekämen die Rinder große Prunkglocken um den Hals gehängt. Die Alternative - eine Ortung über GPS-Sender - ist für den Almbauern mit seinen knapp 30 Tieren vor allem eine Kostenfrage. Und dann stellt sich aus seiner Sicht auch noch das Problem, was passiert, wenn ein solcher Sender einmal ausfällt.

Für Hans Fichtner wären solch moderne Ortungen hingegen eine durchaus sinnvolle Lösung. Die Sender wären "besser für die Tiere", sagt der Vorsitzende des Tierschutzvereins Bad Tölz. Auf diese Technik will er sich allerdings nicht versteifen. "Es gibt leichte Glocken, die nicht störend sind", sagt er. Auch wenn er Landwirte - zum Beispiel im Streit um den Wolf - für eine "extrige Rasse" hält, plädiert Fichtner in der Debatte um den bimmelnden Behang für die Rinder für "Vernunft und Verhandlungsgefühl". Anders ausgedrückt: Eine Kuhglocke müsse nicht gleich verboten werden und ebenso wenig gleich drei Kilo wiegen. Außerdem, fügt er noch hinzu, würden manche von ihnen von Touristen einfach als Andenken mitgenommen, sprich: gestohlen. Für Andreas Wüstefeld bedient das Bimbam auf den Almen zwar ein Bild von Bayern, das ihm zu klischeehaft ist. "Aber von unseren Gästen wird das gerne abgerufen", sagt der Leiter des Tölzer Land Tourismus im Landratsamt. Gerade für Besucher, die aus der Großstadt kommen, habe das Geläute "etwas Beruhigendes" und signalisiere ihnen, "jetzt sind wir in der Urlaubsregion angekommen".

Tölzer Land Tourismus

Der Leiter von Tölzer Land Tourismus im Landratsamt, Andreas Wüstefeld, fürchtet um das Brauchtum

(Foto: Manfred Neubauer)

Das passt Wüstefeld zufolge gut zum Image, das man sich im Tölzer Land zu geben versucht: ein Feriengebiet, das vor allem Erholung und Entspannung bietet. Der Zank um Kuhglocken ist für den Tourismusmanager eine Frage der Prioritäten. "Bei aller Liebe zum Tierschutz, aber da gibt es schon noch eine Ebene darüber - das Brauchtum und die belebte Kulturlandschaft, die von den Almbauern erhalten wird", sagt Wüstefeld.

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