Bad Tölz:"Genießen Sie diesen Moment"

Bad Tölz: Mit einer Feier im Kurhaus hat die Berufliche Oberschule Bad Tölz ihre 403 Abiturienten der Fachoberschule und der Berufsoberschule verabschiedet.

Mit einer Feier im Kurhaus hat die Berufliche Oberschule Bad Tölz ihre 403 Abiturienten der Fachoberschule und der Berufsoberschule verabschiedet.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

403 Absolventen der Fachoberschule und der Beruflichen Oberschule in Bad Tölz bekommen ihr Abiturzeugnis

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Das Mikrofon im Kurhaus funktionierte nicht recht. Leider gehe es nicht lauter, meinte Studiendirektor Andreas Stefan mit erhobener Stimme am Rednerpult, "sonst gibt es eine Rückkopplung". Das hätte für die Redner bei den Abschlussfeiern der Beruflichen Oberschule Bad Tölz am Donnerstag auf Dauer anstrengend werden können. Immerhin mussten die meisten von ihnen ihre Ansprache zweimal halten: nachmittags vor den Fachoberschülern, abends vor den Berufsoberschülern. Aber unter den Ehrengästen saß Landrat Josef Niedermaier (FW), der sich als Klarinettist der Tölzer Stadtkapelle offenbar auch mit der Technik auskennt. Er ging hinter die Bühne und brachte die Sache eigenhändig in Ordnung. Schulleiterin Maria-Anna Grimm konnte den Abiturienten so in normaler Tonlage mit auf den Weg geben: "Handeln Sie nicht nur leistungsorientiert, sondern verantwortungsbewusst."

403 Absolventen der FOS/BOS bekamen heuer im Kurhaus ihr Abschlusszeugnis. 338 bestanden das Fachabitur nach der 12. Klasse, der Notendurchschnitt lag bei 2,78. Dazu machten 65 das fachgebundene Abitur (2,44), wovon 35 die allgemeine Hochschulreife erlangten (2,42). Eine Eins vor dem Komma haben 35 junge Leute. Marion Thaler legte ihr allgemeines Abitur mit einer Note von 1,02 ab - womit sie nicht bloß in Tölz, sondern bayernweit die beste Absolventin im Zweig Sozialwesen ist. Das war sie schon im Vorjahr, ehe sie noch ein Schuljahr anhängte.

Für eine engere Zusammenarbeit zwischen Schule und Firmen plädierte Grimm. Sie verwies darauf, "welches Wissenspotenzial wir jedes Jahr in die Wirtschaft entlassen". Der oft beklagte Fachkräftemangel sollte ihrer Ansicht nach hierzulande kein Thema sein. Sie sprach von einer "Win-Win-Situation", wenn Betriebe dieses Potenzial an die Region binden. Neben der schulischen Bildung erwarben die abgehenden Fach- und Berufsoberschüler auch andere Kompetenzen: Das Film- und Radioteam war drei Wochen lang im rumänischen Temesvar, die Jugendlichen arbeiteten als Nachhilfe-Tutoren, als Ersthelfer und als Flüchtlingshelfer. Die Teilnehmer am Chinesisch-Kurs besuchten das Polytechnikum in Wuhan und kamen dort selbst überein, zur Abschlussfeier in bayerischer Tracht zu erscheinen. Was dem Leiter des Polytechnikums, der einst während seiner Ausbildung in Lenggries weilte, und seinem Stellvertreter "ein wohlwollendes Lächeln" abnötigte, wie Grimm erzählt. Eine orientalische Weisheit legte sie den Absolventen am Ende noch ans Herz: Wer alleine arbeitet, addiert, wer zusammen arbeitet, multipliziert.

Auf die sozialen Kompetenzen legte auch Alfred Klose einen Akzent. Neben Leistungsbereitschaft, Belastbarkeit, Durchhaltevermögen und dem Willen, sich fortzubilden, gehe es für die Abiturienten künftig auch um Team- und Konfliktfähigkeit und um Toleranz, sagte der Vorsitzende des Elternbeirats. Zugleich forderte er die jungen Zuhörer auf, sich in ihrem Berufsleben durchaus mal eine neue Stelle zu suchen. Er selbst habe neun Mal den Arbeitgeber gewechselt, "und jeder Wechsel hat mich weitergebracht", sagte Klose. Die Chancen dafür bezeichnete er als sehr gut: Es gebe mehr Arbeitsplätze als Bewerber, zudem hätten die FOS/BOS-ler ein hohes Maß an Reputation in der freien Wirtschaft.

Wenig Sorgen um die berufliche Zukunft der Absolventen macht sich auch Landrat Niedermaier, der nachmittags vor den Fachoberschülern sprach. Die Wirtschaft brauche gute Mitarbeiter, außerdem suchten derzeit rund 60 000 Betriebe in Bayern einen neuen Eigentümer. Dunkle Wolken sieht Niedermaier eher im bröckelnden Engagement für die Gesellschaft. "Die Demokratie mitzuentscheiden, das braucht euch, das braucht eure Begeisterung, das braucht uns alle", sagte der Landrat.

Vor den Berufsoberschülern hatte es Thomas Holz (CSU) am Abend nicht so ganz einfach. Ehe er ans Rednerpult trat, bekam der Zweite Landrat im Foyer des Kurhauses gleich mehrmals zu hören, er möge seine Rede doch bitteschön "kurz, kurz, kurz" halten - schließlich stand das EM-Halbfinale zwischen Deutschland und Frankreich unmittelbar bevor. Das Fußballturnier schenkte ihm ein paar Metaphern: Die Vorbereitung auf das Abitur verglich er mit Gruppenspielen, die Prüfung mit der K.o.-Phase. Die Abschlussfeier sei nun die Pokalüberreichung, sagte Holz. Ansonsten rief er den scheidenden Berufsoberschülern zu: "Genießen Sie diesen Moment, genießen Sie jetzt einfach das Leben."

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