Bad Tölz:Freundschaft mit Trauerflor

Städtepartnerschaft Bad Tölz - Vichy

Tänzerinnen der Groupe Folklorique Bourbonnais Vichy bei den Feierlichkeiten auf dem Tölzer Vichyplatz.

(Foto: Manfred Neubauer)

Der Anschlag in Nizza überschattet die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der Freundschaft zwischen Bad Tölz und Vichy. Vertreter beider Städte sind fassungslos - und bekennen sich zu einem Europa des Friedens.

Von Martina Schulz, Bad Tölz

Kaspar Winzerer und der Averner Vercingetorix umarmen sich freundschaftlich in dem Wappen, das der Lenggrieser Karikaturist Hans Reiser für die Feierlichkeiten zum Bestehen der 50-jährigen Partnerschaft zwischen den Kurorten Bad Tölz und Vichy entworfen. hat. "Diese historischen Persönlichkeiten verkörpern wie keine anderen das Mia san Mia oder Nous sommes Nous-Gefühl der Bayern und der Franzosen", erklärt Martin Englert, der Vorsitzende des Städtepartnerschaftsvereins, der den Festakt im Kurhaus am Samstag eröffnet hat. Kaspar Winzerer und Vercingetorix verkörpern aber auch die Werte und Traditionen, den Zusammenhalt und die Unbeugsamkeit der beiden Völker - auch wenn das historisch so vielleicht nicht ganz korrekt ist. Ihre Bedeutung ist in diesen Tagen, gerade auch nach dem Anschlag in Nizza vom 14. Juli, sogar noch gestiegen. Die fassungslose Trauer über die Opfer des Attentats lag auch über dem Festakt in Tölz.

Bürgermeister Janker sprach von "unmenschlicher Barbarei"

Die deutsche, die französische und die europäische Fahne hinter dem Rednerpult waren mit Trauerflor geschmückt. Alle Redner an diesem Abend zeigten sich erschüttert über den grausamen Anschlag in Nizza, wo am französischen Nationalfeiertag ein Terrorist mit einem Lkw mehr als 80 Menschen tötete und 300 weitere verletzte. Äußerungen, die aus den Mündern großer Politiker auf Grund der zahllosen Vorfälle in den vergangenen Jahren schon fast wie phrasenhafte Formeln wirken, erhielten im Kurhaus durch die persönliche Nähe aller Beteiligten wieder jene Tiefe, die schon verloren gegangen schien.

"Ein niederträchtiger und menschenverachtender Mordanschlag hat noch nie die Welt verändert", hielt Englert in seinen Grußworten fest. Der Bürgermeister von Bad Tölz, Josef Janker, sprach von einem "nationalen Unglück" und "wahnsinniger, unmenschlicher Barbarei". Es sei wieder ein Anschlag auf die Bestandteile der gemeinsamen Werteordnung von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gewesen. "Wir stehen solidarisch und mit Mitgefühl an der Seite unserer Freunde", ergänzte er. Wie wichtig solche Äußerungen sind, machte der stellvertretende Bürgermeister von Vichy, Bernard Kajdan, deutlich. "Seit zwei Tagen erfahren wir die Anteilnahme von deutschen und bayerischen Freunden, und es tut uns wohl. Wir wollen in einer freien Welt leben, und keiner wird verhindern, dass wir das tun."

Das Internet könne Freundschaft nicht ersetzen, sagt Bürgermeister Kadjan

Dass Gewalt keine Lösung sein kann, zeigt der Élyséevertrag, den General Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer am 22. Januar 1963 unterzeichneten. Der Freundschaftsvertrag zwischen Deutschen und Franzosen bildet die Grundlage für zahlreiche Städtepartnerschaften, die zu einem "regen und vielfältigen Austausch" führten, wie Englert sagte. Ein Austausch, der seinen Sinn in der direkten Kommunikation miteinander finde, einem das Gefühl gebe, Freunde zu treffen. Etwas, das auch das Internet als modernes Kommunikationsmittel nie ersetzen könne, wie Kajdan versicherte.

Städtepartnerschaft Bad Tölz - Vichy

Beim Festumzug marschierten Franzosen und deutsche gemeinsam zum Gottesdienst.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die Europafahne vor dem Kurhaus wehte auf Halbmast, um den Opfern in Nizza zu gedenken. Symbolisch aber auch deshalb, weil die Einheit Europas im Moment bedenklich wackelt, wie der Landtagsabgeordnete Martin Bachhuber (CSU) feststellte: "Der Frieden in Europa ist für junge Menschen eine Selbstverständlichkeit geworden. Die Bilder und Nachrichten zeigen jedoch in dramatischer Weise, dass das nicht so ist", sagte Bachhuber. "Es liegt an uns allen, dass wir an diesem Frieden weiter arbeiten. Städtepartnerschaften leisten hier einen unermesslichen Beitrag." Eine große Aufgabe, aber auch eine große Herausforderung, wie Bürgermeister Janker feststellte: "Dem Vereinigten Europa haben wir 70 Jahre Frieden zu verdanken. Um den Bestand der Gemeinschaft muss täglich gerungen werden." Die Pflege und Förderung von Partnerschaften könne eine Destabilisierung verhindern. Diese enorme Friedensleistung sei vor allem auch den Ehrenamtlichen zu verdanken.

Auf Reisers Bild von Vercingetorix und Kaspar Winzerer, das an die Zeichnungen von Albert Uderzo erinnert, sind auch der gallische Hahn und der deutsche Adler abgebildet, die sich mit Wein und Bier zuprosten. Und auch im Kurhaus wurde die Atmosphäre am Ende gelöster. "Wir müssen zur Tagesordnung übergehen", sagte Englert. Gemeinsam sei man stärker, man könne Idiotie und sinnloser Grausamkeit geschlossen entgegen treten.

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