Bad Tölz:Ein einseitiges Gespräch

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Stephan Juttners Kunst lässt keine Bezüge zu Thomas Mann erkennen.

(Foto: oh)

Stephan Juttner bietet lieber eine Performance statt des angekündigten Austauschs mit dem Publikum seiner Ausstellung, die auch nur angeblich Bezüge zu Thomas Mann hat

Von Sabine Näher, Bad Tölz

Zur Halbzeit der Ausstellung "If it appears in the secret garden of Mann" hatte die zeitgenössische Galerie des Stadtmuseums am Samstagabend zu "Künstlergespräch und Gesprächslese mit einem schreibenden Maler" unter dem Motto "Unter vier Augen hörst Du der Reime rauschen" geladen. Kurze Irritation beim Lesen: In dieser Konstruktion müsste 'rauschen' groß geschrieben werden. Ansonsten müsste es "Hörst du die Reime rauschen" heißen. Eine Kleinigkeit, gewiss, dass sie einem überhaupt auffällt, indessen sollte sie sich als symptomatisch für den ganzen Abend erweisen.

Der Maler, Grafiker und Poet Stephan Juttner habe sich das Werk und die Person Thomas Manns als Anregung und verbindende Klammer für seine Werkschau gewählt, teilte die Galerie vorab mit. "Von real bis phantastisch, Offensichtlichem und Angedeutetem, Juttner nutzt die riesige Bandbreite des Mann'schen Themas. Er entwirft Zaubergärten und phantastische Lebensräume für seine Protagonisten." Solchermaßen neugierig gemacht kommt man zeitig vor der Lesung an, um einen ausgiebigen Blick auf die Bilder werfen zu können.

Gleich mehrere Darstellungen großformatiger Lilien fallen ins Auge, meist lilafarben, mal vor zart-pastelligem Hintergrund, der die Blume ganz in den Mittelpunkt rückt, mal inmitten üppiger Vegetation in leuchtenden Farben, mal in türkis strahlender, die Assoziation mit Wasser hervorrufender Umgebung. Das sind schön gelungene Kompositionen, keine Frage. Aber der Zusammenhang mit Thomas Mann? Der will sich auch bei einem in Grau- und Schwarztönen gehaltenen Bild, das einen leichenblassen Knaben zeigt, verstörend, gespenstisch, nicht ungedingt einstellen. Und alleine das Knabenmotiv kann es ja wohl nicht sein.

Noch kryptischer die Komposition mit einem Mädchen, das ein Rehkitz im Arm hält, vor dem zwei große Hunde - oder Wölfe? - Aufstellung genommen haben. Rotkäppchen? Tierschutz? Freud? Allenfalls bei "Out of Poppyland" kann man etwas hineininterpretieren: Ein junger Mann, liegend zwischen Schlaf und Erwachen, am oberen Bildrand sexuelle Motive, die eine Frau und nackte Knaben zeigen. Aber will und darf man Thomas Mann wirklich darauf reduzieren, dass er bürgerlich verheiratet war und dennoch von Männern, oder eher Knaben, träumte?

Die Ausstellung scheint sich - Pardon! - einfach nur an das gerade gehypte Thema Mann anzuhängen, um sich größere Aufmerksamkeit zu sichern. Der Künstler selbst meint dazu, er habe früher eben viel von Mann gelesen. Und da habe sich einiges im Hinterkopf festgesetzt, was beim Malen wieder hervorgekommen sei. "Aber die Themen, die Mann verarbeitet hat, sind ja universell. Eine direkte Umsetzung ist sicher nicht gegeben, eher stellen sich lose Assoziationen ein."

Mit zwanzigminütiger Verspätung beginnt dann das Künstlergespräch. Das sei heute aber eher eine Lesung, hat Juttner vorab erklärt. Oder vielmehr eine Performance, wie man sie etwa von Poetry-Slam-Veranstaltungen kenne. Ist ja durchaus in Ordnung, aber warum wurde es dann nicht auch als solche angekündigt?

Der exzentrische Künstler, gewandet in eine dunkelgrüne Kniebundhose mit zartrosa Streifen, dunkelrote Strümpfe, pinkfarbenen Pullover über rosa Hemd, hebt an: Im Stehen, halb-szenisch mit großen Bewegungen und Gesten, mal singend, mal nur Geräusche produzierend trägt er seine Texte vor. Dass die wiederum rein gar nichts mit Thomas Mann zu tun haben, ist schon keine Überraschung mehr. Dass er den Schriftsteller hier und da in einem Halbsatz, der mit dem sonstigen Inhalt in keinerlei Verbindung steht, erwähnt, macht es nicht besser.

Die Inhalte lassen sich übrigens meist nur erahnen, was auch daran liegt, dass Juttner leider kein guter Rezitator ist. Seine wild mäandrierenden Assoziationsgeflechte könnten indes, gut vorgetragen, durchaus Reiz haben. So aber wird es mühsam, ihm zu folgen. "Ich hab' noch was Lustiges! .... War doch nicht so lustig? Egal - muss ja nicht alles lustig sein."

Als er endet, kommt ein "Dankeschön!" aus dem rund zwanzigköpfigen Publikum. Aber auf ein Gespräch hat niemand mehr Lust.

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