Bad Tölz:Diese Azubis übernehmen den ganzen Laden

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Die Azubis : (v. li.) Emily Gut, Nina Küfner, Hannah Sternberg, Maša Jankovic, Theresa Kascha, Elena Guglhör, Anastasia Kortür und Katja Hüglin. (Foto: Harry Wolfsbauer)

18 junge Frauen dürfen im März das Tölzer Stammhaus der Parfümerie Wiedemann führen - und schon mal Verantwortung schnuppern.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Die Antwort kommt prompt und einhellig, von den acht angehenden Einzelhandelskauffrauen im Schulungsraum muss keine auch bloß eine Sekunde überlegen. Ob es eine Freude sei, als Lehrling mal eine Filiale zu leiten, oder eher eine Anspannung? "Freude", rufen sie im Chor. Im Tölzer Stammhaus der Parfümeriekette Wiedemann dürfen die jungen Frauen vom 6. bis 13. März das Geschäft ganz alleine führen, alle anderen Mitarbeiter werden in diesen zwei Wochen Urlaub machen oder in anderen Zweigstellen arbeiten. Lediglich ihr Chef Peter Wiedemann wird morgens wie üblich durch die Ladentür kommen und hinauf in sein Büro gehen, ohne ihnen jedoch viel dreinzureden. "Ich weiß, dass ich mich da verlassen kann", sagt er. "Das sind ja keine Kinder mehr, sondern junge Leute, die im Leben stehen und wissen, was sie wollen."

18 Auszubildende hat die Parfümeriekette, wovon sich sechs im ersten, fünf im zweiten und drei im dritten Lehrjahr befinden. Alle sind an der Aktion "Azubis leiten eine Filiale" beteiligt. Die Teamleitung obliegt Maša Jankovic aus Bad Tölz, Hannah Sternberg aus Wolfratshausen und Theresa Kascha aus Rosenheim, die allesamt das dritte Lehrjahr absolvieren. Schlussendlich trifft Maša die Entscheidungen, die sich als Teamleiterin allerdings eher als Ansprechpartnerin versteht. "Die Chefin bin ich jetzt nicht", sagt die 19-Jährige. "Es ist nicht so, dass ich anschaffe, da ist bei uns jeder gleich."

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Die Parfümerie Wiedemann aus Bad Tölz hatmittlerweile 21 Filialen in München und im Oberland. Geht es den 170 Mitarbeitern gut, spürt das auch der Kunde, lautet die Philosophie des Familienunternehmens.

Von Klaus Schieder

Die jungen Frauen müssen zunächst einmal erledigen, was jeden Tag im Laden in der Tölzer Marktstraße anfällt. Sie verkaufen, beraten Kunden, kontrollieren Ware, überprüfen Etiketten, machen abends nach 18 Uhr zu zweit Kassensturz und den Tagesabschluss. Seit Januar planen sie in wöchentlichen Treffen ihre Filialleiterwochen, erstellten einen Arbeitsplan und dachten sich auch einige Sonderaktionen aus. Eine Make-up-Schule für Teenies gibt es am 6., 9., 11. und 15. März, jeweils stündlich von 14 Uhr an. "Das ist für Teenager, die wissen wollen, wie man sich richtig schminkt", sagt Auszubildende Emily Gut. Die Mädchen, die zehn Euro für den Kurs zahlen, könnten dazu eine Freundin mitbringen, die kostenlos teilnehmen darf. Das gilt auch für die Styling-Tage am 8., 10. und 14. März, die 30 Euro Teilnahmegebühr kosten. Gratis ist eine Handpflege mit Ligne St Barth am 16. und 17. März unter dem Motto "Wir bringen Ihnen die Karibik näher". Dies habe damit zu tun, dass dieses Pflegeprodukt von der gleichnamigen karibischen Insel komme, "alle Inhaltsstoffe stammen von dort", sagt Jankovic. Und schließlich gibt es ein Düfte-Raten für Kunden am 18. März, wobei Sofortgewinne mit den richtigen Antworten zu holen sind. Von der Führungsebene bekamen sie für ihre Ideen kein Veto zu hören. "Da gab es keinen Vorschlag, bei dem gesagt wurde, das klappt nicht", erzählt Gut. "Das war ein schönes Miteinander."

Zwei Mal fand die Aktion "Azubis leiten eine Filiale" in der Parfümeriekette bereits statt - in Holzkirchen und in Penzberg. Diesmal sei sie aber etwas Besonderes, weil sie im Tölzer Stammhaus über die Bühne geht, sagt Ausbilderin und Koordinatorin Marga Albrecht. Das sei "ein besonderer Vorschuss an Vertrauen durch die Familie Wiedemann". Für die jungen Frauen seien die zwei Wochen das Beste, was in einer Ausbildung passieren könne. "Sie arbeiten nicht mit Scheuklappen, sondern bekommen einen Rundumblick, sie kennen so ihre Stärken und wissen, was noch ausbaufähig ist", sagt die Trainerin. Wiedemann zufolge wissen alle Azubis, wie das Tagesgeschäft in der Parfümerie läuft. Nun könnten sie auch zeigen, was man vielleicht anders machen könne, sagt er. Und wenn ihnen Fehler unterlaufen? "Wer macht denn keine Fehler", antwortet der Chef gelassen. Die beiden Aktionswochen sieht er als Weg, "um die Leute nochmals selbständiger zu machen". Mit dem Nachwuchs hat er im Gegensatz zu anderen Branchen bislang kein Problem, es gibt mehr Bewerbungen als Plätze. Emily Gut erklärt genauer, weshalb sie und ihre jungen Kolleginnen eher entspannt auf ihre 14 Tage als Filialleiterinnen schauen. Wiedemann habe ihnen gesagt: "Ich bin nicht stolz, aber ihr macht mich stolz."

© SZ vom 11.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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