Fasching:Der Fluch der Karibik kommt aus Reichersbeuern

Faschingsumzug Reichersbeuern

Mit Grüßen aus der Karibik: Die Tölzer Nachbarn kapern die Kreisstadt mit einem Piratenschiff.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die Tölzer Nachbarn kapern die Kreisstadt mit einem Piratenschiff. Anschließend herrscht dichtes Faschingstreiben in der Marktstraße. Dass Bürgermeister Janker fehlt, finden viele einfach "schwach".

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Als das Piratenschiff heranrollt, brandet Beifall auf. Mit Masten, die so hoch aufragen wie die Giebel der Häuser in der Tölzer Salzstraße, scheint der Nachbau der Black Pearl aus dem Film "Fluch der Karibik" viel zu massig geraten, um durch den Khanturm zu passen - jenem "Höllenschlund", den alle knapp 40 Motivwagen und Fußgruppen des Reichersbeurer Faschingszugs am Sonntag passieren müssen.

Aber Captain Jack Sparrow und seine Besatzung haben vorgesorgt: Mit Seilwinden ziehen sie die Aufbauten ein und gelangen durch das Tor, vorbei an kostümierten Zuschauern, die sich dicht am Straßenrand drängen und klatschen. Vorne auf dem Schiff steht "(J)Anker" geschrieben, das Konterfei des Tölzer Bürgermeister prangt anstelle einer Geschützpforte an der Seite und zeigt ihn hinter Gittern. Josef Janker weilt derzeit in Urlaub, was im Faschingsvolk nicht gut ankommt.

Die Reichersbeurer wussten das schon und ziehen den Tölzer Rathauschef entsprechend durch den Kakao. Ein Polizeihubschrauber ruckelt vorüber, als "1. Bürgermeister-Rückholservice". Auf anderen Wagen sind Steckbriefe mit Jankers Foto angeklebt. Christian Feil aus Bad Tölz, der sich mit einer Gruppe Wikinger nahe dem Khanturm postiert hat, nennt es "schwach", dass Janker an einem solchen Tag nicht dabei ist - findet der Faschingszug doch nur alle zehn Jahre statt.

Auch sonst haben die närrischen Invasoren aus dem Nachbardorf mancherlei Spott für die Kurstadt parat. Hinter einem weißen Elefanten, der Konfetti aus seinem Rüssel spuckt, tummeln sich buddhistische Mönche, und ein Schriftzug verrät, was es damit auf sich hat: "Wer Tölzer Hochkultur bedroht, für den gibt's Elefantverbot". Eine Anspielung auf den Beschluss der Tölzer Stadträte, einem Thai-Restaurant an der Salzstraße die Werbung mit Elefanten vor der Haustür zu versagen. Das Kurhaus fährt als Las Vegas im Kleinformat vorüber, ein Casino mit Heiratsmöglichkeit - "Wedding Chapel 24h open". Die Bayerische Oberlandbahn kommt ebenfalls als Miniaturausgabe und mit Verweis auf ihre hervorstechendste Eigenschaft daher: "Immer pünktlich - zu spät". Aber die Reichersbeurer teilen nicht bloß aus, sie nehmen sich mit RME auch selbst auf die Schippe. Die Abkürzung steht für "Reischbeira Mobile Energie", wofür mehrere Männer auf einer Wagenplattform kräftig in die Fahrradpedale treten. Mit RME, heißt es zu Erklärung, werde das ganze Oberland mit Strom versorgt.

Die Bundespolitik kommt nur am Rande vor. Der Plan von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die Bundeswehr familienfreundlicher zu gestalten, weckte die Idee zu einem rollenden Bundeswehr-Kindergarten mit der Aufschrift: "Lieber einen Kinderwagen schieben, als im Schützengraben liegen". Auch die katholische Kirche bleibt nicht ungeschoren. Der ehemalige Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz van Elst thront vor einer Kirche, neben den Seitenfenstern ist er als Titelfoto der Zeitschrift "Schöner wohnen" zu sehen, am Hinterausgang bekommt der liebe Gott die Rechnung für die Prunksucht seiner Eminenz präsentiert und grantelt: "Komm du mir mal nach Hause."

Als das Piratenschiff nach dem Umzug wie alle Motivwagen zum bunten Faschingstreiben in der Marktstraße parkt, winkt Angelika Huber aus Warngau hinauf. Oben steht ihr Sohn Tobias, der seit Anfang Oktober zusammen mit 17 anderen an dem riesigen Wagen mitgebaut hat. Schon als kleiner Junge sei er beim Reichersbeurer Umzug dabei gewesen, "seither ist er in dem Faschingsgeschehen drin", sagt sie. Zweimal war sie selbst als Zuschauerin dabei, 1995 und 2005. Für Florian Eibl aus Tölz ist das Besondere an dem Faschingszug, dass er "so wandelbar" sei. Damit meint er die ein- und ausfahrbaren Aufbauten - etwa auch auf dem riesigen Wikingerschiff, das sich ebenfalls durch den Khanturm zwängte. Das gefiel Gabi Strobl aus Kreuth am besten. Aber alles sei "toll gebaut, sehr detailverliebt", meint sie, während der als Gottseibeiuns verkleidete Landrat Josef Niedermaier die Haupttribüne in der Fußgängerzone heruntersteigt. Dass Bürgermeister Janker fehlte, findet Angelika Huber einfach "schade".

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