Junger Kammerchor Bad Tölz:Auf jede Stimme kommt es an

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Der Junge Kammerchor Bad Tölz wagt ein Experiment und singt zwei Bach-Kantaten in der Stadtpfarrkirche, begleitet von einem siebenköpfigen Kammerensemble. Das Publikum hält sich mit Applaus respektvoll zurück

Von Reinhard Szyszka, Bad Tölz

Kann man mit nur 20 Choristen Bach singen? Professionelle Kammerchöre können das sicher, aber Laien? Christoph Heuberger, Kirchenmusiker an der Tölzer Stadtpfarrkirche, hat am Sonntag den Beweis angetreten, dass es geht. Der Junge Kammerchor, mit dem Heuberger das Experiment wagte, ist keine ständige Einrichtung mit allwöchentlichen Proben, sondern ein Projektchor, der auch etliche ehemalige Tölzer Knaben beherbergt. Normalerweise singt der Junge Kammerchor a cappella; diesmal standen Bach-Kantaten mit Orchester auf dem Programm. Entsprechend zur kleinen Vokalbesetzung war natürlich kein Riesenorchester aufgeboten, sondern ein siebenköpfiges Kammerensemble, mit Heuberger selbst an der Portativorgel.

Ganz in Schwarz traten die Sänger und Instrumentalisten auf, und obwohl nicht ausdrücklich darum gebeten worden war, verzichtete das zahlreich erschienene Publikum auf Begrüßungsapplaus. Auch zum Ende der ersten Kantate gab es nur verhaltene Beifallsversuche, die rasch wieder verebbten. Die Passionszeit und das seriöse Programm geboten Zurückhaltung, so dass erst ganz am Ende geklatscht wurde.

Das Programm umfasste von Bach die Kantate "Himmelskönig, sei willkommen", die vor genau 300 Jahren zum Palmsonntag 1715 entstanden war, sowie den sogenannten "Actus tragicus", eine Kantate über Tod und Vergänglichkeit. Dazwischen gab es noch ein achtstimmiges "Crucifixus" aus einer Messe des Italieners Antonio Lotti zu hören. Eine wohldurchdachte Programmgestaltung: zuerst Christi Einzug in Jerusalem, dann die Passion, zuletzt Gedanken über das eigene Sterben.

Ganz in Schwarz traten die 20 Choristen des Jungen Kammerchors am Sonntag zum Passionskonzert an. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Akustik in der Tölzer Stadtpfarrkirche ist für kleine Besetzungen nicht ideal, weil sie zwar gut trägt, aber die Stimmen verwischt. Die Musiker machten das Beste aus dieser Situation und gestalteten ihre Parts klar und transparent. Unter den Instrumentalisten sind besonders Judith Geißler-Herzog und Thomas Finkbeiner mit ihren Blockflöten hervorzuheben. Blockflöten stehen im Ruf piepsiger Instrumente für Kinder; die beiden Musiker zeigten aber, was echte Könner aus den Flöten herausholen können. Und Shen-Ju Chang und Pia Pircher verliehen mit ihren Gamben dem Actus Tragicus eine ganz eigentümliche, fast unwirkliche Klangfarbe.

Der Chor war mit Begeisterung bei der Sache. Die kleine Besetzung brachte es mit sich, dass es auf jede einzelne Stimme wirklich ankam, weil kleine Fehler eben nicht von der Masse zugedeckt worden wären. Entsprechend konzentriert wurde gesungen, mit deutlicher Artikulation, soweit es die Akustik erlaubte. Heuberger wagte es sogar, die Sopran- und Tenorsoli aus dem Chor zu besetzen. Beide Chorsolisten bewältigten ihre Aufgaben mehr als achtbar und glänzten mit angenehmen Stimmen. Die Sopranistin Susanne Killer behauptete sich mühelos gegenüber den tiefen Chorstimmen. Der Tenor Andreas Fischer sang auch gut, zeigte aber Nerven und wandte während des Singens die Augen kaum von den Noten. Nach dem letzten Ton seiner Arie "Jesu, lass durch Wohl und Weh" verschwand er sofort wieder im Chor. Er hätte ruhig bis zum Ende des instrumentalen Nachspiels stehen bleiben können: auch das Nachspiel gehört zur Arie. Beim Actus Tragicus, wo die Soloparts ineinander übergehen, ist die Situation eine andere.

Ein ehemaliger Tölzer Knabe: der Bassist Thomas Simmel. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Alt- und Bass-Soli waren zwei Profis anvertraut, beide mit Lokalbezug: die Altistin Barbara Hölzl ist in Bad Tölz geboren, und der Bassist Thomas Stimmel ist ein ehemaliger Tölzer Knabe. Hölzls Stimme ist eher ein Mezzosopran als ein wirklicher Alt, und bei der Arie "Leget euch dem Heiland unter" tat sie sich schwer, hat doch Bach das "unterlegen" durch lange tiefe Töne illustriert. Beim Actus Tragicus blühte die Sängerin dann auf. Umgekehrt erging es Stimmel: Er sang mit gut geführter, flexibler Stimme und die tiefe Tessitura der "Himmelskönig"-Kantate kam ihm entgegen. Das Arioso "Heute wirst du mit mir im Paradiese sein" im Actus Tragicus aber liegt für einen Bass ziemlich hoch, und hier stieß der Sänger an seine Grenzen.

Christoph Heuberger dirigierte mit lebhaften, energischen Gesten und vollem Körpereinsatz. Es war ihm gelungen, in der kurzen Probenzeit aus den Sängern und Instrumentalisten ein organisches Ganzes zu formen und zu einer schlüssigen Interpretation zu finden. Da war denn auch der Beifall wohlverdient, den sich das Publikum lange aufgespart hatte und den es zum Ende des einstündigen Programms endlich spenden durfte.

© SZ vom 31.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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