Stoff von gestern:Alles Klamauk

Stoff von gestern: Christine Neubauer war unbestritten der Star des Theaterabends im Tölzer Kurhaus mit der "Spanischen Gräfin" von Jörg Herwegh.

Christine Neubauer war unbestritten der Star des Theaterabends im Tölzer Kurhaus mit der "Spanischen Gräfin" von Jörg Herwegh.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Komödie "Die Spanische Gräfin" mit TV-Schauspielerin Christine Neubauer enttäuscht im Tölzer Kurhaus

Von Sabine Näher, Bad Tölz

Man hatte erwartet, dass eine TV-Berühmtheit wie Christine Neubauer den Saal mühelos füllt. Stattdessen sind die Reihen im Tölzer Kursaal am Freitagabend halb leer. Oder eben halb voll: Darüber ließe sich genauso streiten wie über die gerichtsrelevante Frage, ob die mäßig begabte Tänzerin Rosanna (Constanze Baruschke) bei ihrem aufsehenerregenden spanischen Tanz nun "halb nackert" oder eben doch "halb angezogen" war.

Ersteres behauptet die sittenstrenge Witwe Frau Reischl (Gabi Preuss), letzteres der ziemlich windige Bürgermeister Vitus Machl (Jorgo Grebenikow), in dessen Gasthof "Zur Post" das skandalöse Ereignis unter regem Publikumszuspruch stattgefunden hat. Dass man den Fall nun vor den gestrengen Amtsrichter Dr. Zwicknagl (Jörg Herwegh) bringt, ist der sensationslüsternen, aufbauschenden Berichterstattung des Münchner Journalisten Hieronymus Kreuzberger (Claus Maier) zu verdanken.

Ergänzt wird das Bühnenpersonal um den begriffsstutzigen, gleichwohl schlitzohrigen Gerichtsdiener Wiggerl (Steps Lossin), den rachsüchtigen, kleingeistigen Obergerichtsrat Dr. Sterzinger aus München (Richard Lindl) und die ominöse "spanische Gräfin" alias Frau von Hagn (Christine Neubauer), die sich als die Halbschwester der angeklagten Tänzerin entpuppt und auf geheimnisvolle Weise mit dem seine Klugheit maßlos überschätzenden Strobl-Bauern Pauli Wagner (Andreas Schwankl) unter einer Decke zu stecken scheint. Man ahnt es schon - und die Ahnung trügt leider nicht: Der Stoff ist von vor-vor-gestern, eine Komödie der klamaukigen Art. Kein Klischee wird ausgelassen; die Figuren sind keine Charaktere, sondern Karikaturen, die stottern, Fremdwörter falsch gebrauchen, schlecht sitzende Perücken tragen, den Flachmann zwischen zwei Buchdeckeln verstecken und verklemmt-anzügliche "Scherze" machen. Das hat man alles schon viel zu oft irgendwo gesehen. Und meist auch noch besser als hier.

Die Darsteller der Bairischen Komödie Wasserburg spielen überzogen und überdreht, nur aus dem Moment heraus; es entstehen keinerlei Spannungsbögen. Der erste Akt zieht sich so erbarmungslos hin. Die Auftritte des TV-Promis bringen zwar etwas Abwechslung, aber dass Neubauer erst auf Spanisch bezirzt und dann auf Bairisch poltert, ist letztlich auch nicht abendfüllend. Der zweite Akt, in dem die eigentliche Gerichtsverhandlung stattfindet, hat glücklicherweise ein strafferes Spieltempo und kommt mehr auf den Punkt. Doch dass die falsche Gräfin erst einen die-Röcke-raffenden "spanischen Tanz" aufs Bühnenparkett legt und sich dann urplötzlich als eine militante Kämpferin für das Frauenwahlrecht entpuppt, dass sich die bis dahin erzkonservative Witwe darauf mit ihr solidarisiert, dass die Gerichtsverhandlung überhaupt nur provoziert wurde, um dem Anliegen der "pazifistisch-feministischen Partei" Gehör zu verschaffen, ist zu weit hergeholt und macht das Stück von Jörg Herwegh auch nicht mehr besser.

Es entstammt einer ganzen Reihe von Komödien namens "Spitzbuam vorm Königlich-Bayerischen Amtsgericht". Und dass auch noch der arme Ludwig Thoma missbraucht wird, den der verkleidete Gerichtsdiener als Zeuge für die Harmlosigkeit des der Erregung öffentlichen Ärgernisses angeklagten Tanzes auftreten lässt, so dass der Amtsrichter die Klage abweisen und die unselige Verhandlung endlich schließen kann, ist schon eine arge Zumutung für den bayrischen Volksschriftsteller. Auch Lola Montez, die wie Thoma im Untertitel der Komödie aufgeführt wird, würde sich vermutlich im Grabe umdrehen, würde sie erleben, wie ein wenig Powackeln einer "Tänzerin" ausreicht, um ihren berühmt-berüchtigten Namen ins Felde zu führen. Fazit: Alles Klamauk, den das offensichtlich aus unbeirrbaren Christine-Neubauer-Fans bestehende Publikum am Ende dennoch heftig beklatscht.

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