Bad Heilbrunn:Der Mönch aus dem Grand Budapest Hotel

Wolfgang Czeczor

"Man hofft einfach immer weiter, dass Großes kommt": Wolfgang Czeczor über seine Zukunftsplanung.

(Foto: Manfred Neubauer)

Wolfgang Czeczor hat schon mit Stars wie Ralph Fiennes und Jude Law gespielt. Film und Bühne sind sein Leben, der Weg dorthin war nicht ganz einfach. Der 59-Jährige lebt heute in Bad Heilbrunn

Von Claudia Koestler, Bad Heilbrunn

Ein Silberner Bär, vier Oscars, fünf Bafta Awards und unzählige weitere Preise erhielt der Film "Grand Budapest Hotel". Mittendrin in dieser skurrilen britisch-deutsch-amerikanischen Filmkomödie aus dem Jahr 2014: der Schauspieler Wolfgang Czeczor aus Bad Heilbrunn. In der Rolle eines Mönchs unterstützte er internationale Stars wie Ralph Fiennes, Jude Law, Jeff Goldblum oder Willem Dafoe. Für Czeczor war das ein wichtiger Schritte auf den internationalen Markt. Doch auch in der hiesigen Fernsehlandschaft prägt der so markante wie vielseitige Mime Rollen, etwa mehrmals schon im "Tatort" oder jüngst auch bei "Hubert und Staller" - wenn er nicht gerade ein Engagement auf der Bühne hat oder Schauspielabende gibt, so wie vor kurzem im Bad Tölzer Eichengrund.

Der erste Blick auf ihn fällt an diesem Tag des Interviews durch eine Scheibe - das Fenster im Tölzer Gasthaus. Hager, leger, die Haare wild abstehend. Fast zurückgenommen sucht er den Blick. Der Eindruck ändert sich rasch, als er am Tisch sitzt. Jeder Satz, jede Anekdote könnte eine Szene sein aus einem Stück, für das er gerade probt: Nicht alleine der Mund spricht, es sind die Augen, die sprühen, dazu eine überbordende Mimik und eine Stimme, die mal klar und laut, dann sofort wieder leise, eindringlich wird. Da sitzt jemand, der für das Spielen lebt.

Geboren wurde Czeczor 1956 in Baden-Württemberg, er wuchs "in einem kleinen Nest" nahe Heilbronn auf. Es sei kein ausgesprochener Künstlerhaushalt gewesen, aus dem er stamme, sagt er. Wenn er Biografien seiner Kollegen lese - "ach", seufzt er leise -, da seien die Wege oft vorgezeichnet und vielleicht auch ein bisschen leichter: "Mutter Schauspieler, Vater Regisseur. Ich sage das nicht neidvoll, es ist eben so." Leicht hatte es Czeczor nicht immer, auch wenn der Wunsch, Schauspieler zu werden, schon früh aufkeimte - "zumindest indirekt", wie er sagt. Etwa, als er in der Schule "Die Fliege" rezitierte und Gefallen daran fand, eine Bühne zu haben.

Zu Hause aber war es immer ein bisschen knapp mit dem Geld. Und so sei es schon mal vorgekommen, dass Wolfgang, von der Familie losgeschickt, etwas am Markt zu essen zu holen, sich mit großen Kinderaugen entschuldigte, er habe aus Versehen den Geldbeutel vergessen. "Vielleicht die ersten Schauspielschritte", lacht Czeczor heute.

Ab und an war aber doch genug übrig, um ins Kino zu gehen. Und das weckte in dem Buben den Wunsch, selbst auf der Leinwand zu sein. "Die Comancheros, so hieß der erste Film, den ich als Fünfjähriger sah", erinnert sich Czeczor, "mit John Wayne in der Hauptrolle." Schon verändert sich wieder seine Stimme, wird rauchiger, man wähnt einen breitbeinigen Westernhaudegen vor sich.

Sein Leben, seine Bühne. Wenn er von Marlon Brando, Sean Connery oder Trevor Howard spricht, weitere Helden seiner Jugend, dann schlüpft er hinein in deren Rollen. Später dann ein absolutes Erweckungserlebnis: Rudolf Platte als Hauptmann von Köpenick, in einer Fernsehaufzeichnung eines Theaterstücks. "Das hatte Gefühl, dass hatte Tiefgang, Überraschungen, Szenen, die einen packten", schwärmt Czeczor. Heute gebe es hingegen "zu viele Selbstdarsteller, zu wenig Schauspieler", ist sein Eindruck.

Doch "die harte Tour, also durchziehen, komme was wolle, ich werde Schauspieler, die lag mir nicht", sagt er. Deshalb begann er nach der Schule zunächst eine Lehre bei der Deutschen Bahn. "Aber das war nichts, was mir gefallen hat. Nichts im Vergleich zu dem, was ich eigentlich aus meinem Leben machen wollte." Czeczor beendet zwar die Lehre, nicht aber seinen Traum von der Bühne. "Ich wusste einfach: Dort weiter arbeiten - nein. Da habe ich zum ersten Mal rebelliert." Böse seien seine Eltern nicht gewesen - "aber verstanden haben sie es nicht", erinnert er sich. Für Czeczor aber ist die Entscheidung ein Befreiungsschlag, "mein erster wirklicher Schritt in die Selbständigkeit".

Doch es sollte nicht gleich klappen mit dem Wechsel ins Schauspielfach. Also nahm er Gelegenheitsjobs an, um sich über Wasser zu halten. "In der Zeit habe ich viel gelernt, über Menschen, aber auch über Ausbeutung und Ungerechtigkeiten, die andere vielleicht nur aus Schlagzeilen kennen." Immer wieder verspürt er den eigentlichen Berufswunsch. 1977 etwa sieht er "Des Teufels General" mit Curd Jürgens - und in seinem Kopf formiert sich ein klarer Vorsatz: "Irgendwann, da schaffst du es. Da kommst du raus aus dem vorgegebenen Leben."

Bis 1992 spart er sich etwas an, spricht vor und erhält tatsächlich die Chance, an der Schauspielschule des Theaters Tri-Bühne in Stuttgart anzufangen. "Ich war dabei - allerdings als Schüler. Mit 36 Jahren. Puh", seufzt er. Czeczor muss viel arbeiten, nicht nur Text und Rollen, sondern auch im Büro helfen und beim Bühnenbau, für ein Taschengeld. "Oft hat es nicht gereicht, manchmal musste ich einen Kollegen oder meine Mutter anpumpen", erinnert er sich. Nach einem Jahr war er fertig - körperlich. "Es war ein großer Gewissenskonflikt, ob ich aufgeben sollte, aber es hat mich einfach geschafft."

Allerdings lernt er in dieser Zeit auch seine heutige Frau kennen. Er folgt ihr nach München und später nach Bad Heilbrunn und schafft es 1997 an die Michael-Tschechow-Schule für Schauspielkunst. 2001 absolviert er sie erfolgreich: "Ab da ging es los." Es folgen regelmäßige Engagements, zunächst vor allem am Theater. Molière, Schiller, Shakespeare und Kafka etwa, aber auch die Rolle des Don Camillo in Don Camillo und Peppone. Über die Empfehlung eines ehemaligen Schauspiellehrers übernimmt er als Deutscher sogar 2002 die Rolle des Ödipus in einer Inszenierung des Glasshouse Theatre in Birmingham. Theater, das liegt ihm: "Das ist direkt, das ist live, jetzt oder nie", sagt er und reckt dabei die zur Faust geballte Hand in die Höhe.

Doch auch die Film- und Fernsehproduktionen nehmen zu: Im Tatort "Schneetreiben" als Pathologe etwa oder im Filmdrama "Anonyma" als Oberstleutnant der Wehrmacht. Nicht ganz einfach war es allerdings, die Rolle des "Ersten Mönchs" in "Grand Hotel Budapest" zu ergattern. Regisseur Wes Anderson drehte einige Szenen in Görlitz und besetzte deshalb auch deutsche Schauspieler. Doch die Agentur verlangte nach einer Vorauswahl, dass er ein Video mit englischen Texten einreichen sollte - was Czeczor auf die Schnelle organisieren musste. Sehr freundlich aber seien die Kollegen am Set gewesen, obwohl Czeczor ausgerechnet bei Ralph Fiennes kurz ins Fettnäpfchen trat: "Er saß lesend in einer Ecke, da habe ich ihn gefragt, ob er Text übe. Da blickte Fiennes erstaunt auf, zeigte sein Buch und sagte: Nein, nein, ich lese Gedichte." Geschadet hat ihm der kleine Fauxpas nicht: Am Abend im Hotel unterhielt sich der Brite mit Czeczor fröhlich von Kollege zu Kollege. Gegen mögliche Fettnäpfchen bei der nächsten Begegnung ist er deshalb auch gerüstet: "Man spricht ihn Raif aus, nicht Ralf", weiß er.

Spaß gemacht habe ihm aber auch das Engagement in der rund um Wolfratshausen spielenden Reihe "Hubert und Staller", wo er den Wirt spielte. Wie eine geölte Maschine, so reibungslos laufe dort die Produktion. Und die Kollegen gaben ihm den Tipp, die Rolle einfach nur zu spielen, nicht zu tief auszuloten: "Fernsehen, nicht Theater, also alles ein bisschen piano", habe es geheißen. Anweisungen, die er problemlos umsetzen kann. Auch wenn er selbst höchste Maßstäbe an seine Kunst zu spielen ansetzt: "Es muss anstrengend sein, das muss sitzen, das muss rein in den Körper! Aber dafür hat man am Ende eben auch das Gefühl, du hast etwas geleistet."

Natürlich gibt es noch viele Traumrollen für Czeczor. King Lear etwa, der Klassiker. Oder Macbeth. Im September wird er 60 Jahre alt. Wirklich Gedanken über das Alter und die Zukunft macht er sich allerdings nicht: "Man hofft einfach immer weiter, dass Großes kommt."

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