Ausstellung:Das Fremde im Vertrauten

"Hybride im blauen Land" zeigt die Werke dreier Künstler

Von Thekla Krausseneck, Wolfratshausen

Ein blaues Quadrat hängt an der Wand. Es wirkt unscheinbar verglichen mit den kräftigen Monotypien und Hybriden auf der anderen Seite des Ausstellungsraums. Ein schlichtes Quadrat, das im ersten Moment nichts anderes ist als blau. Genauer: ultramarinblau. Jener Ton, in dem der Künstler Michael Eckle viele seiner Bilder malt. Doch irgendetwas ist anders. Dieses blaue Quadrat hat eine gelbe Aura, obwohl nirgends gelbe Farbe zu sehen ist. Wer einen Schritt zur Seite tritt, bemerkt die schräg angeschnittene, neongelbe Unterseite der Multiplexplatte, deren starke Farbe von der weißen Wand reflektiert wird. So entsteht ein sehr dezenter Leuchtrahmen, der den Betrachter sehen lässt, was auch Eckle sah, wenn er ultramarinblaue Bilder malte: Gelb.

In seinem Atelier "Oltremare" in Wolfratshausen eröffnet Eckle an diesem Samstag um 14 Uhr die Gemeinschaftsausstellung "Hybride im blauen Land". In dieser gibt er nicht nur seinen neuen "Ultramaringelb"-Werken, sondern auch zwei jungen Künstlern Raum, die noch am Anfang ihrer Laufbahn stehen: Ivo Rick und Liane Klinger, beide Jahrgang 1989 und ehemalige Schüler des Montessori-Kunstlehrers Eckle, haben eben die Akademie der Bildenden Künste in München abgeschlossen. Beide bringen Ausstellungserfahrung und erste Erfolge mit. Rick ist 2018 Debütant des Bayerischen Staatsministeriums, Klinger hat 2016 den Examenspreis für herausragende künstlerische Leistungen erhalten. Zwei Talente, die sich sehen lassen können.

Klingers Fotografien zeigen Pflanzen, die von einem anderen Planeten stammen könnten. Auf den ersten Blick wirken sie vertraut: Eine Wiesenblume, die halb in ihrer Knospe steckt, eine Rhabarberstange, ein grünes Kraut. Doch etwas stimmt nicht mit diesen Pflanzen. Die blaue Blume trägt die Dornen eines Rosenstrauchs, auf dem Rhabarber sitzt eine Blüte, das Kraut wächst aus einem roten Objekt, das wie eine Kapsel wirkt. Diese Hybride, die Klinger nicht am Computer modelliert, sondern von Hand zusammengesetzt und abgelichtet hat, liegen auf klinisch weißem Grund und leuchten in unnatürlichen Farben. Klinger will ihre Hybride als Kritik an der Gentechnik verstanden wissen, doch ihre Fotografien fragen auch nach dem Fremden im Bekannten - als führe die Manipulation des Vertrauten letztlich zur Entfremdung von selbigem.

Rick ist schwieriger zu durchschauen, und das macht einen Großteil seiner Faszination aus. Da gibt es diesen Tisch, der eigentlich gar keiner ist, weil seine Fläche durchbrochen ist, teilweise tiefergelegt und mit Metallösen versehen, durch die man seine Hände stecken möchte - nur wozu? An einer Wand hängen Plastikbecher, die von Besuchern zufällig dort abgestellt worden sein könnten. In Wirklichkeit sind sie gar nicht aus Plastik, sondern aus Seide und Zellulose, gedruckt von einem 3-D-Drucker, samt Strohhalm, Zigarettenstummeln, an den Rand geklebtem Kaugummi und Tabletten.

Ausstellung: Liane Klinger zeigt im Atelier Oltremare verstörende Hybride.

Liane Klinger zeigt im Atelier Oltremare verstörende Hybride.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Thema Reproduktion greift Rick auch in zwei Monotypien auf, die Teil der Ausstellung sind. Mit einer großen Walze, Ölfarbe und Transparentpaste hat der junge Künstler blauschwarze Streifen aufs Papier gebracht. Das starke, schwere Schwarz flirrt aus der Mitte in eine luftig-leichte weiße Fläche hinein. Auch das ist ein Spiel mit den Komplementärkontrasten, wie Eckle es mit seinen Ultramaringelb-Arbeiten wagt. Doch Rick geht es um mehr, um Handwerk und Bewegung, um das Ausatmen beim Abrollen und das Einatmen beim Zurückziehen, um eine Gleichförmigkeit, die an die Zenpraxis eines buddhistischen Mönchs erinnert - Kalligrafie mit einer Kunststoffwalze.

Vernissage "Hybride im blauen Land", 23. September, 14 Uhr, Atelier "Oltremare", Hans-Urmiller-Ring 23, Wolfratshausen

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