Aus der Serie "Wirtschaftswunder":Tölzer Bier und Tölzer Sushi

Lesezeit: 3 min

Mit einer kleinen Brauerei im "Gasthaus" hat Eigentümer Achim Bürklin zusammen mit den Pächtern Claus Hühnlein und Tino Kellner die jahrhundertealte Tradition des Bierbrauens in Bad Tölz wiederbelebt. Alle Speisen werden mit Erzeugnissen aus der Region zubereitet.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Bad Tölz war einmal eine Stadt des Biers. 22 Brauereien gab es hier im 17. und 18. Jahrhundert, der Gerstensaft wurde bis nach Tirol, vor allem aber nach München geliefert. Tölzer Bier - das war damals ein Begriff. Dann kam die Industrialisierung. In München entstanden immer mehr, immer mächtigere Brauereien, die eher kleinen Betriebe in Tölz mussten nach und nach schließen. Übrig blieb nur die Grüner-Brauerei. Bis 2005. Dann machte auch sie zu. Ende der Geschichte? Mitnichten. Es war eine Wiedergeburt. Denn Achim Bürklin erwarb die Gebäude nahe an der Mühlfeldkirche. Er hätte sie abreißen und - wie so viele andere Immobilienbesitzer in Bad Tölz - ein paar Wohnhäuser hinstellen können. Aber er entschied sich anders. Zusammen mit den Pächtern Claus Hühnlein und Tino Kellner entwickelte er das Konzept für das 2009 eröffnete Tölzer "Gasthaus". Mit einer Brauerei im Kleinformat gleich neben dem Restaurant im Erdgeschoss.

Jeder Gast kann sie sehen. Die zwei Sudkessel und elf Lagerkessel sind nur durch eine Glaswand von den Tischen aus hellem und den Stühlen aus dunklem Holz im Gastraum getrennt. "Gerade die Tölzer sind froh, wieder eine Brauerei zu haben, die durch Geschmack überzeugt", sagt Hühnlein. Die Wiederbelebung einer jahrhundertealten Tradition in dem jungen Gasthaus weckt bei manchen Besuchern auch wehmütige Erinnerungen. "Viele, die kommen, denken noch daran, wie ihr Vater mit einer Kanne los ist und sich Bier geholt hat." Die kleine Brauerei produziert Helles und Weißbier, vor allem aber eine Reihe von Spezialbieren. Sommer-Ale, Sommer-Weißbier, Amber-Ale, Pils, Dunkles, leichtes Helles. "Das ist das, was uns ausmacht", sagt Hühnlein. Wenn gebraut wird, dann zwei Mal am Tag, jedes Mal 500 Liter. Der Jahresausstoß beträgt etwa 1000 Hektoliter. Geliefert wird nicht bloß am Ort, sondern auch nach Starnberg, Wolfratshausen, Bad Aibling. Drei Münchner Restaurants, unter anderem in Schwabing, beziehen ebenfalls Bier aus dem Tölzer Gasthaus. All drei wurden sorgsam ausgesucht. "Die Philosophie der Restaurants muss zu unserem Bier passen, sie muss regional und nachhaltig sein", sagt Braumeister Markus Hoppe.

1 / 4
(Foto: Manfred Neubauer)

Bier aus Bad Tölz: Im "Gasthaus", das Pächter Claus Hühnlein führt, gibt es wieder eine Brauerei.

2 / 4
(Foto: Manfred Neubauer)

Als Spezialität gelten Tölzer Sushi.

3 / 4
(Foto: Manfred Neubauer)

Das Kellergewölbe ist Bar und Kleinkunstbühne.

4 / 4
(Foto: Manfred Neubauer)

Eine bunte Auswahl an Spirituosen gibt es auch.

Damit nennt er auch die beiden Grundpfeiler des Konzepts, dass Hühnlein, Kellner und Bürklin vor acht Jahren miteinander ausgetüftelt haben. "Das Wichtigste ist der regionale Bezug", sagt Hühnlein. Das gilt nicht alleine fürs Bier, sondern auch für die Zutaten der Speisen, die der Besucher im "Gasthaus" auf den Teller bekommt. Fleisch und Brot stammen von Tölzer Metzgern und Bäckern, das Bauernhofeis vom Beindlhof in Wackersberg. Aus den Lieferungen richtet Koch Hühnlein diverse Brotzeitplatten auf Holztellern an oder zaubert das "Surf and Turf", ein Ochsenfilet mit Garnelen. Seine besondere Spezialität ist allerdings das "Tölzer Sushi". Das sieht so lecker aus wie die japanische Fischspeise, besteht aber ausnahmslos aus bayerischen Zutaten. In anderen Gerichten taucht das Bier als wiederkehrendes Motiv auf: Bierrisotto, Kartoffelsuppe mit Bierbrot-Croûtons, Schnitzel in Bierpanade, Bier-Tiramisu.

Seinen Beruf hatte der Koch, studierte Hotelbetriebswirt und gebürtige Tölzer zuvor in mancherlei Städten ausgeübt: im "Alten Fährhaus" in Tölz, im "Bayerischen Hof" in München, als Küchenchef im "Intercontinental" in Berlin, danach in Dubai. Sein Kompagnon Tino Kellner war unter anderem Geschäftsführer der Muffathalle in München. Beide vereinte die Idee, nicht mehr als Angestellte arbeiten zu müssen, sondern etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Das sei zwar mit viel Arbeit verbunden. "Aber dafür kann man auch die Früchte des Erfolgs ernten", sagt Hühnlein. Den haben die beiden jungen Pächter. Im Schnitt kommen etwa 150 Gäste pro Tag zu ihnen.

Das "Gasthaus" ist nicht bloß ein Restaurant, es ist auch ein Café, eine Bar und eine Brauerei, die der "Tölzer Mühlfeldbräu" um Geschäftsführer Bürklin gehört. Und es ist eine Kleinkunstbühne. Die befindet sich im Kellergewölbe, das oben aus Ziegelsteinen besteht, unten verputzte Wände hat. Als Hühnlein zum ersten Mal die Treppe hinabstieg, war in dem ehemaligen Bierlager alles voller Schlamm, ein alter Benzintank einer Tankstelle lag herum. Der Keller musste erst einmal trockengelegt werden. Nun treten auf einer kleinen Bühne in der Wintersaison jeden Mittwoch oder Donnerstag lokale und überregional bekannte Künstler auf. Jazz-Schlagzeuger Piet York war schon da, der Genesis-Sänger Ray Wilson, Django 3000. Ansonsten dient das Gewölbe mit Platz für 80 bis 100 Gäste als Ambiente für Hochzeitsfeiern, Jubiläen, runde Geburtstage. Die verschiedenen Facetten, die das Gasthaus bietet, befruchteten einander, sagt Hühnlein. "Wer zum Essen kommt, schaut sich auch mal ein Konzert an, ein Konzertbesucher kauft sich mal ein Bier zum Mitnehmen", erzählt der Pächter. "Es läuft wirklich sehr, sehr gut."

Braumeister Hoppe will noch etwas zeigen. Er bittet ins Freie, nach hinten hinaus zur Ellbachzeile. Dort fällt auf, dass viele Nachbarhäuser rund um das "Gasthaus" renoviert sind. Die Sanierung der alten Grüner-Brauerei durch Bürklin habe der ganzen Umgebung einen Schub gegeben, sagt Hühnlein. Das Mühlfeldviertel, früher ein eher trostloser Fleck in Bad Tölz, sei jetzt ein "hipper Stadtteil". Dann ist Hoppe an der Reihe. In einem Nebengebäude zeigt er, wie dort die leeren, einzeln auf Sauberkeit geprüften Bierflaschen noch mit einer Abfüllmaschine aus den Sechziger Jahren wieder befüllt werden. Noch älter ist die Etikettiermaschine. Die stammt aus den Fünfziger Jahren und ist eine der ersten, mit denen die Firma Krones auf den Markt gegangen ist, heute ein Konzern mit 12 000 Mitarbeitern weltweit.

Auch so eine Reminiszenz an alte Brautraditionen. In Bad Tölz sei eben noch viel Handarbeit dabei, sagt Hoppe stolz. Das Bier werde weder filtriert noch pasteurisiert. "Aber es schmeckt intensiver und besser."

© SZ vom 22.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: