Auflösung zum Hingucker:Das eigentliche Original

Das Passionsfenster in der Penzberger Stadtpfarrkirche Christkönig ist die Zweitanfertigung einer Arbeit, mit der Heinrich Campendonk 1937 den Grand Prix bei der Weltausstellung gewann - und trotzdem nicht ganz zufrieden war.

Von Sabine Näher, Penzberg

Hier kommt die Auflösung zu unserem "Hingucker" in der Ausgabe vom Dienstag, 24. Mai:

Die (Gruben-)Lampe befindet sich im mittleren Teil des Passionsfenster-Triptychons, das Heinrich Campendonk als Beitrag der Niederlande, wo er als Exilant lebte, für die Pariser Weltausstellung 1937 entworfen hat. Seit 1997 ist eine Zweitausfertigung, die nach dem Originalkarton und mit dem originalen Mustersatz von Gläsern gefertigt wurde, in der Passionskapelle der Penzberger Stadtpfarrkirche zu bewundern. Obwohl dem Passionsfenster in Paris der Grand Prix zuerkannt wurde, war Campendonk mit der Qualität der damaligen Ausfertigung nicht zufrieden gewesen. "Er arbeitete lieber mit der Werkstatt, die nun das Fenster für Penzberg geschaffen hat", erzählt Gisela Geiger, Leiterin der städtischen Museen. Insofern habe Penzberg das eigentliche Original bekommen. Und das verdankt die Stadt einer privaten Initiative: Der Augenarzt Dr. Günter Pohle suchte und fand Sponsoren, um das in einem Amsterdamer Museumsdepot ruhende Fenster in einer neuen Ausfertigung der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen. Warum aber gerade in Penzberg?

Auflösung zum Hingucker: Der leidende Christus umgeben von Hammer, Zange und Nägeln steht im Mittelpunkt des Passionsfensters, das Heinrich Campendonk 1937 entworfen hat. Die Laterne mit dem "Ewigen Licht" - der einzige rote Farbtupfer in der Arbeit - könnte einer Grubenlampe aus dem Bergbau nachempfunden sein.

Der leidende Christus umgeben von Hammer, Zange und Nägeln steht im Mittelpunkt des Passionsfensters, das Heinrich Campendonk 1937 entworfen hat. Die Laterne mit dem "Ewigen Licht" - der einzige rote Farbtupfer in der Arbeit - könnte einer Grubenlampe aus dem Bergbau nachempfunden sein.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

1911 reiste der 1889 in Krefeld geborene Heinrich Campendonk, der sich wegen seiner künstlerischen Ambitionen mit den Eltern überworfen hatte, auf Einladung Franz Marcs erstmals nach München. Rasch fand er Anschluss in der Künstlergruppe, die sich von 1912 an nach ihrem Almanach "Blauer Reiter" benennen sollte, und zog zu Franz und Maria Marc nach Sindelsdorf. Für An- und Abfahrten mit der Bahn, größere Einkäufe und um die Post zu holen oder zu verschicken, kamen die Künstler regelmäßig nach Penzberg. Campendonk blühte auf in der Gemeinschaft der Gleichgesinnten, die mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 ein jähes Ende fand. Darauf kehrte er nach Krefeld zurück und bekam 1926 eine Professur an der Kunstakademie in Düsseldorf, aus der ihn die Nationalsozialisten 1933 entließen. "Die Akademie, eine Vorzeigeeinrichtung der Weimarer Republik, die von dem Kunsthistoriker Walter Kaesbach geführt wurde und in regem Austausch mit den Museen, Sammlern und Kunsthändlern der Moderne stand, wurde aufgelöst", erzählt Gisela Geiger.

Campendonk emigrierte zunächst nach Belgien und erhielt 1935 einen Ruf an die Amsterdamer Kunstakademie. Dass er, ein Deutscher, die Niederlande bei der Weltausstellung vertrat, wirbelte einigen Staub auf. "Man muss sich klarmachen, dass seine Werke gleichzeitig in München als ,entartete Kunst' ausgestellt wurden", macht Geiger den Kontrast deutlich. Im Spanischen Pavillon der Ausstellung wurde damals Picassos "Guernica" gezeigt, ein bildgewordener Protestschrei gegen den Krieg, eine Ikone des 20. Jahrhunderts. Für Frankreich hatten Sonja und Robert Delaunay ihren berühmten "Luftfahrtpavillon" entworfen. "Doch den Grand Prix erhielt Campendonk", sagt Geiger.

Und zwar für seine eher unspektakuläre, stille Darstellung des leidenden Christus: Dessen Kopf steht im Zentrum des mittleren Fensters, umgeben von den biblischen "Leidenswerkzeugen" Zange, Hammer, Nägel. Das linke Fenster zeigt eine erhobene Hand neben einer Kanne (Pilatus wäscht seine Hände in Unschuld), einen Geißelstrick und ein Tuch, das den Mantel Jesu, um den die Soldaten würfeln, darstellen dürfte. Rechts sieht man einen Hahn, Geldstücke und ein Ohr samt Messer: Hier wird der Verrat an Christus symbolisch dargestellt. "In einer zweiten Bedeutungsebene sind Hand und Kopf, Messer und Ohr für Campendonk aber immer Leidenssymbole des Künstlers, die an das abgeschnittene Ohr van Goghs erinnern", erläutert Geiger.

Die beherrschende Farbe ist Blau in verschiedenen Schattierungen, daneben Türkis sowie helle Braun- und Ockertöne. Christus leidet still und erhaben; er strahlt eine ruhige Würde aus. In der kleinen Passionskapelle kann man sehr dicht an das Fenster herantreten und die Details studieren. Auch die Lichtwirkung schafft mit der sanften Blaufärbung eine besondere Atmosphäre. Ob die Lampe mit dem "Ewigen Licht" tatsächlich an eine Grubenlampe erinnern soll, wie sie der Künstler bei einer Fahrt ins Penzberger Bergwerk untertage gesehen hat, ist nicht unumstritten. Aber eine schöne Geschichte.

Der schnellste SZ-Leser, der die richtige Lösung wusste, war diesmal Martin Hake aus Bad Tölz.

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