SPD:Unfriedlicher Friedenskreis

Eine der letzten engagierten Gruppen der Kreis-SPD ist am Ende. Ein Parteiverein soll dem Gremium den Geldhahn abgedreht haben. Es geht um umstrittene Redner zum Thema Russland.

Von Thekla Kraußeneck, Wolfratshausen

Der SPD-Arbeitskreis für Frieden steht vor dem Aus: Ilse Nitzsche stellt sich nicht mehr als Sprecherin der Gruppe zur Verfügung, ein Nachfolger fand sich bis zur letzten Sitzung am Montagabend nicht. Der Arbeitskreis hatte mit seinen kontroversen Vorträgen regelmäßig rund 50 Zuhörer ins Gasthaus Flößerei gezogen, war aber mit seinen Referenten bei Parteifreunden auch in die Kritik geraten. Nun soll der sozialdemokratische Franz-Geiger-Verein Nitzsche mitgeteilt haben, dass er die bisherigen Linie des Arbeitskreises nicht mehr tragen werde. Der Verein hatte bislang einen überwiegenden Teil der Referenten finanziert. Das wäre im aufkeimenden Bundestagswahlkampf das Ende eines der letzten aktiven Gremien der Kreis-SPD.

Der Franz-Geiger-Verein ist eine kleine Gruppe von 15 Mitgliedern unter dem Vorsitz von SPD-Stadträtin Roswitha Beyer. Der Verein verwaltet einen Teil des Vermögens, welches der frühere SPD-Stadtrat und Nazi-Gegner Franz Geiger bei seinem Tod den Sozialdemokraten vermacht hatte. Mit seinem Erbe finanziert der Verein heute soziale Institutionen, etwa das Projekt "Stärken stärken" an der Mittelschule, Deutschkurse für Flüchtlinge oder den Badehaus-Verein. Weil die Kreis-SPD die Referenten der Veranstaltungen nicht hätte bezahlen können, übernahm dies der Franz-Geiger-Verein.

SPD: Im Schnitt 50 Besucher lockte der Arbeitskreis Frieden mit seinen Veranstaltungen an - mehr als jede andere SPD-Reihe im Kreis.

Im Schnitt 50 Besucher lockte der Arbeitskreis Frieden mit seinen Veranstaltungen an - mehr als jede andere SPD-Reihe im Kreis.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Damit sollte nun Schluss sein. "Ich habe ein Schreiben von der Vorsitzenden bekommen, dass es das letzte Mal war", sagte Nitzsche. Gemeint war damit eine Veranstaltung Ende Mai, auf welcher der Konsul Dmytro Sevchenko über das Thema "Ukraine zwischen West und Ost" gesprochen hatte. Der Arbeitskreis hatte in den vergangenen zweieinhalb Jahren immer wieder umstrittene Persönlichkeiten eingeladen, darunter Wolfgang Bittner, Autor des Buchs: "Die Eroberung Europas durch die USA". Trotz des großen Andrangs bei den Abenden - die Besucher kamen teilweise aus München und Nachbarlandkreisen - saßen nur sporadisch SPD-Mitglieder im Publikum.

Peter Fasching, seit Anfang Juni neuer Vorsitzender der SPD in Wolfratshausen und Mitglied im Franz-Geiger-Verein, versuchte zu vermitteln. "Gab es denn eine Veranstaltung, die der Verein nicht bezahlt hätte?" Worauf Nitzsche antwortete: "Bislang nicht!" Die Signale seien aber da gewesen, sagte auch der frühere Ostvorsitzende Hans Gärtner. Er selbst sei immer wieder gefragt worden, ob er den Vorsitz nicht übernehmen würde. Das habe er abgelehnt, weil er den Eindruck habe, die SPD habe ein Problem mit "Menschen, die auch mal anstößig sind oder Anstöße geben". Manche wären "glücklicher, wenn bestimmte Diskussionen gar nicht erst stattfinden".

SPD: Ilse Nitzsche gründete den Arbeitskreis Frieden innerhalb der Kreis-SPD vor zweieinhalb Jahren. Sie ärgerte sich über eine Stimmungsmache für Aufrüstung und gegen Russland.

Ilse Nitzsche gründete den Arbeitskreis Frieden innerhalb der Kreis-SPD vor zweieinhalb Jahren. Sie ärgerte sich über eine Stimmungsmache für Aufrüstung und gegen Russland.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Arbeitskreis war im Oktober 2014 gegründet worden, nachdem "jeden Tag in der Zeitung stand, dass wir aufrüsten müssen", sagte Nitzsche. "Und Aufrüstung heißt immer: gegen Russland." Als Sprecherin des Arbeitskreises habe sie viele Kontakte geknüpft und einige Briefe an Bundestagsabgeordnete geschickt, mit der Bitte, den Petersburger Dialog wiederaufzunehmen, Russland zurück in die G8 zu holen und Putin "nicht als Bösewicht in die Ecke zu stellen, sondern zu verhandeln". Viele Briefe seien nicht beantwortet worden, und falls doch, hätten die Antworten der SPD denen der CDU geähnelt.

Zum letzten Treffen des Arbeitskreises hatte sich der Kern des Arbeitskreises in der Flößerei eingefunden. Es entbrannte eine Diskussion darüber, was ein solcher Arbeitskreis erreichen könne. "Ich fand es schade, dass wir überhaupt nichts bewirken konnten", sagte Gertrud Holler. Fasching hielt dagegen: "Dass wir an der großen Schraube nicht drehen können, ist, glaube ich, klar." Dafür habe der Arbeitskreis horizonterweiternd gewirkt. Nitzsches Stellvertreter Rudolf Steger sagte, es sei schon ein Erfolg, wenn jemand vor einem Plakat mit einer Veranstaltungsankündigung stehen bleibe und sich kurz damit auseinandersetzte. Gerhard Jakobi nannte die Runde "ein notwendiges Angebot mit einem hohen Stellenwert"; darin waren sich alle einig.

"Für mich war der Reiz am Arbeitskreis, auch mal die Perspektive zu wechseln. Das gibt einem erst ein Gefühl dafür, wie schwierig ein Konflikt ist", sagte Gärtner. Es sei gerade die Kunst politischer Konfliktverhandlungen, sich "auf die wechselseitigen Standpunkte einzulassen".

Formal aufgelöst ist der Arbeitskreis noch nicht. Obwohl er durch Nitzsches Initiative entstanden ist, habe sie zu einer Auflösung nicht die Befugnis, sagt der SPD-Kreisvorsitzende Wolfgang Werner. Er selbst war am Montag nicht da, halte den Arbeitskreis aber für eine "tolle Plattform". Er werde versuchen, einen Nachfolger zu finden. Die SPD hat im Kreis 330 Mitglieder, neben dem Friedenskreis engagieren sich die Arbeitsgemeinschaften "60 plus" und die Jusos, die sich aber gerade erst wieder gefunden haben. Eine Initiative wie der Arbeitskreis für Frieden ist laut Werner in der SPD jedoch einzigartig.

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