"Aufgeregt wie die Sau":Kauzige Premiere

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Sepp Müller hat in der Waldkirche seinen ersten Soloauftritt und wird preisgekrönt

Von Petra Schneider, Lenggries

Mit einem Trommelwirbel betritt Sepp Müller den Altarraum der evangelischen Waldkirche in Lenggries, die am Samstag rappelvoll ist. Mit einem solchen Ansturm hat man nicht gerechnet, die Getränke sind knapp. "Sakradi, so viele freiwillig in der Kirche", sagt Müller. Vor dem schlichten Altar mit Kerzen und aufgeschlagener Bibel steht ein kleiner Lesetisch, daneben Müllers Instrumente: Marschtrommel, Ziach, eine Milchkanne. Müller legt los und spielt eine nicht unbedingt sakrale Nummer: "Dearndl mitm ledernen Dessous". Ein Stück mit Ziach über horizontale Fortbildungsmaßnahmen, über des Luada, "von dem i ned gnua krieg".

Für Müller ist der Auftritt in der Lenggrieser Waldkirche ein Heimspiel, "aufgeregt wie die Sau", sei er trotzdem, gesteht der 46-Jährige. "Oberbayer trifft...??!" ist sein erstes Soloprogramm, der Anlass sein 20-jähriges Bühnenjubiläum. Eigentlich kennt man Müller als Schlagzeuger diverser Bands, zuletzt bei der Housemusi. So alleine auf der Bühne, das sei für ihn eine neue Erfahrung, sagt er. Und außerdem sei er nicht ganz sicher, ob seine Texte alle kirchenkompatibel seien. "Passt des, Stefan?", fragt Müller nach der Lederdeandl-Nummer Pfarrer Stefan Huber. Es passt, das finden auch die Zuschauer, die Müller mit Vergnügen durch seine Geschichten, Gedichte und Lieder folgen und engagiert mitsingen.

Einen roten Faden hat das brandneue Programm nicht, "den suche ich selber auch noch", gesteht Müller. Er erzählt kleine Geschichten aus seinem Leben, rappt einen Hip-Hop zum Thema Wassersparen für seine beiden Töchter, bringt eine Posse aus einer Bürgerversammlung oder erzählt von seiner Frau, einer Oberpfälzerin: "Es muss Liebe auf den ersten Blick gewesen sein, weil auf den ersten Satz hab ich sie gar nicht verstanden."

Manche Texte und Gedichte liest Müller, der vor einigen Jahren sein Faible für Poetry Slams entdeckt hat. Zum Beispiel seinen Abgesang auf die Gelbe Tonne, ein wehmütiges Gedicht, weil ihm die Ordnung und seine Autorität als Mülltrennungsbeauftragter der Familie nun abhanden gekommen seien. "Ja, ich bin glücklich, wenn ich trenne, und Samstags zu meiner Wertstoffinsel renne."

Der gelernte Elektroinstallateur hält ein Plädoyer für eine begabungsgemäße Schulbildung. Denn als er vor 30 Jahren den Quali gemacht habe, sei dieser Abschluss noch "der kleine Bruder der mittleren Reife" gewesen sei. Inzwischen gelte er eher als "großer Bruder der Förderschule".

Am Besten ist Müller, wenn er sich freimacht vom Lesetisch, drauflos erzählt und seine schrägen Lieder singt. Das böse Lehards-Lied (über die Leonhardifahrt) zum Beispiel, das er mit Inbrunst vorträgt: "Am Nachmittag um halbe drei, ganz Tölz a oanzige Speiberei." Oder den Zwiefachen über Ebay, bei dem das Publikum lauthals den Refrain mitsingt, "drei, zwo, eins, jetzt is meins". Auch bei Müllers Version eines altbekannten Kinderliedes sind sie begeistert dabei: "Wos is heid für a Dog?" Am Montag gibt's bei Müllers Spaghetti Napoli, "und unser Italiener heißt Mirácoli". Am Donnerstag Fisch vom Käpt'n Iglu - wobei der Refrain "Fischstäbchen" ganz schnell gesungen werden muss, "sonst groovt des hintennaus ned", wie Müller erklärt, der in Lenggries eine Musikschule betreibt. Bei der Zugabe "Tierlied" kommt schließlich "Die Klangschale Berchtesgadener Land", ergo der Deckel einer Milchkanne, zum Einsatz. Und die rote Plastikflöte, die kürzlich in eine Apfelschorle gefallen sei und seitdem komisch schmecke - da ist es allemal besser, sie durch die Nase anzublasen.

Zum Abschied überreicht Pfarrer Huber eine Auszeichnung, die es künftig öfter für Gäste des Waldkirchenforums geben soll: Einen Waldkirchen-Kauz für Müller, diesen "ganz besonderen Vogel".

© SZ vom 08.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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