Attraktion für junge Besucher:Virtuelles wird in der Stadtbücherei real

Attraktion für junge Besucher: Von außen betrachtet sieht es so aus, als machte Büchereileiter Björn Rodenwaldt Kniebeugen. In Wirklichkeit betrachtet er gerade eine schillernde Unterwasserwelt - durch die VR-Brille HTC-Vive, die seit Mittwoch im neuen Gaming-Raum zugänglich ist.

Von außen betrachtet sieht es so aus, als machte Büchereileiter Björn Rodenwaldt Kniebeugen. In Wirklichkeit betrachtet er gerade eine schillernde Unterwasserwelt - durch die VR-Brille HTC-Vive, die seit Mittwoch im neuen Gaming-Raum zugänglich ist.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Geretsried geht mit einem Gaming-Raum samt Konsolen und VR-Brille neue Wege. Es gibt spielerische Lernmöglichkeiten für Jugendliche - Kooperationen mit Schulen sind geplant.

Von Thekla Krausseneck

Eine Schildkröte schwimmt über den Bürgermeister hinweg. Michael Müller folgt ihr mit den Augen, vollständig umgeben von einer dunkelblauen Unterwasserwelt, die ihn weder ertränkt noch wegspült. "Man verliert völlig den Bezug zur Realität", sagt er. "Wenn ich eure Stimme nicht hören würde ..." Sobald Müller die VR-Brille wieder absetzt, kehrt er in die trockene und helle Stadtbücherei Geretsried zurück. Am Mittwoch ist dort der neue Gaming-Raum offiziell eröffnet worden: Es gibt einen Nintendo Switch, auf dem das Spiel Mario Kart läuft, eine Playstation 4 mit der Fußballsimulation Fifa - und die HTC-Vive, jene Virtual-Reality-Brille, die Müller für Minuten in eine schillernde Unterwasserwelt beamt.

Besuchern aller Altersklassen steht der Raum künftig kostenfrei zur Verfügung. Die Benutzung der Konsolen ist auf eine Stunde am Tag begrenzt, die der VR-Brille auf 15 bis 20 Minuten. Schließlich soll jeder an die Reihe kommen. Die Wartezeit lässt sich lesend überbrücken: Die Mangas sind in den Gaming-Raum gewandert - passend zur Wandgestaltung der beiden 20-jährigen Mangakünstlerinnen Helena Martin und Julie Birnbauer, die mit Bleistift und Farbe Figuren aus Anime-Serien und Spielen an die Wand gezaubert haben.

Initiiert wurde der Raum von Büchereileiter Björn Rodenwaldt, der selbst begeisterter Gamer ist. Mit der neuen Einrichtung will er nicht nur mit der Zeit gehen, sondern auch die Kinder und Jugendlichen in die Bücherei holen und ihnen einen souveränen, verantwortungsvollen Umgang mit Games vermitteln. Im Sommer seien Turniere geplant, in denen die Jugendlichen Wanderpokale im Mario-Kart-Rennen und Fifa-Fußball gewinnen können. Die in der Bücherei öffentlich zugänglichen Spiele sind alle ab null oder sechs Jahren: Spiele für ältere Jugendliche oder Erwachsene, etwa Ego-Shooter, entsprechen nicht dem Konzept, auf das die Stadt ihr Angebot baut, und werden daher auch nicht angeboten. Kinder und Jugendliche schulten in Spielen ihr kreatives Denken, soziale Interaktion und das Finden von Problemlösungen, sagt Müller: Die Funktionsprinzipien eines Spiels wollten sie auch in der wirklichen Welt erproben.

Gerade was Gewalt in Spielen angeht, habe es im Stadtratsausschuss für Jugend, Senioren, Soziales, Kultur und Sport lange Diskussionen über den Gaming-Raum gegeben, sagt der Bürgermeister. Spiele mit einer höheren Altersfreigabe können an der Theke ausgeliehen werden - wenn das Alter passt.

Die Einrichtung und Ausstattung des Gaming-Raums hat sich die Stadt bisher rund 30 000 Euro kosten lassen, die Landesfachstelle, die den Bereich Gaming stark ausbauen will, unterstützt das Projekt mit 40 Prozent. Der Raum soll noch wachsen, auch technisch. So soll bald automatisch gesteuert werden, wie lange ein Benutzer an einer Konsole sitzen kann. Für die VR-Brille sucht die Bücherei technisch versierte Paten, die einmal im Monat für ein, zwei Stunden junge Nutzer beaufsichtigen. Auch Schulen hätten Interesse an dem Raum angemeldet, sagt Rodenwaldt. Eine Klasse der Mittelschule möchte ihn für ein Gaming- und Social-Media-Projekt besuchen, andere Schulen wollten die VR-Brille im Unterricht einsetzen. Dazu eignet sich zum Beispiel die Virtual-Reality-Version von Google Earth, die ebenfalls in der Stadtbücherei ausprobiert werden kann.

Geretsried beweist sich damit als Pionier: In der Stadtbücherei München gibt es bislang nur eine Playstation, in Starnberg ist ein Gaming-Raum im Aufbau. Ein vergleichbares Angebot gibt es in Köln.

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