Asyl in Turnhalle:Guter Hoffnung

Icking wartet auf das erste Flüchtlingsbaby. Eine bessere Unterkunft für die Schwangere als die Turnhalle gibt es noch nicht.

Von Claudia Koestler, Icking

Es ist ruhig in der Asylunterkunft in Icking: Noch schreit kein Baby über die Raumteiler, werden keine Windeln vor den Augen der Mitbewohner auf einem Feldbett gewechselt oder der Nachwuchs auf der Toilette gestillt. Die bisher angekommenen Erwachsenen sitzen an Bänken und Tischen im Gemeinschaftsbereich oder erkunden die nähere Umgebung.

Die ersten Tage in der Turnhalle liegen hinter den Ickinger Asylbewerbern und dem örtlichen Helferkreis. Doch für alle gilt: Das große Warten geht weiter. Zum einen natürlich für die Flüchtlinge, die Quartier in der Turnhalle bezogen haben, wo sie nun auf ihr Asylverfahren warten. Genauso aber auch für die Sicherheitsbediensteten, die Mitglieder des Helferkreises und die Mitarbeiter des Landratsamtes. Denn von den erwarteten 25 Asylbewerbern, die eigentlich am Donnerstag hätten nach Icking ziehen sollen, sind bis zum Montag nur 13 angekommen. "Die Zahl ist unverändert zum Freitagabend", bestätigt Paul Geppert vom Ickinger Helferkreis.

Erst am Montagnachmittag tröpfelten langsam weitere Asylbewerber ein, wie Oliver Stocker, Asylbetreuer des Landratsamtes, erklärt. Doch auch damit war die erwartete Zahl von 25 nicht erreicht, etwa fünf Personen fehlten noch immer. "Das kann im Moment keiner sagen, wo sie sind und wann sie kommen", sagt Stocker. Dass sie allerdings auf dem Weg verloren gegangen seien, glaubt der Asylbetreuer nicht. "Sie werden schon auftauchen, offenbar gab es bei der Regierung einen Fehler im System, so dass nicht alle rechtzeitig ihre Bescheide erhielten", vermutet er. Bis Dienstag, sagt Stocker, gehe er jedenfalls davon aus, dass 37 Flüchtlinge in die Ickinger Turnhalle eingezogen sein werden, an diesem Donnerstag sollen schließlich weitere 20 Asylbewerber einziehen. Deshalb bleibt Stocker und den Ickinger Helfern nichts anderes übrig, als zu warten.

Asyl in Turnhalle: Weil die Turnhalle keine Privatsphäre für die werdende Mutter bietet, suchen Helfer nach einem neuen Quartier.

Weil die Turnhalle keine Privatsphäre für die werdende Mutter bietet, suchen Helfer nach einem neuen Quartier.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Sich weiter in Geduld üben muss auch Revelar Athembo, wenn auch aus gänzlich anderen Gründen: Sie ist jene junge Frau aus Kenia, die ihr erstes Kind erwartet und mit der Geburt bereits seit zwei Wochen überfällig ist. Weil die Wehen jederzeit einsetzen können, sind die Sicherheitsbeauftragten, die Tag und Nacht in der Turnhalle Dienst haben, instruiert: "Wir haben ja Glück, dass die Hebamme gleich nebenan wohnt, die wir im Falle des Falles sofort verständigen werden", erklärt einer der jungen Männer. Mitglieder des Helferkreises fahren Athembo zudem jeden Tag zur Untersuchung ins Krankenhaus. Doch eine Hochschwangere in einer Turnhalle praktisch ohne Privatsphäre unterzubringen, bleibt unbefriedigend. "Bislang konnte noch keine Wohnalternative gefunden werden", bedauert Geppert. Aber: "Wir versuchen fieberhaft, ob wir sie nicht privat unterbringen können", sagt der Helfer.

Passanten dürfen inzwischen nicht mehr in die Turnhalle. Vor dem Gebäude aber kommen Ickinger mit den Flüchtlingen ins Gespräch: Dort erfahren sie, dass einer der nigerianischen Asylbewerber am Donnerstag bei seiner Ankunft am S-Bahnhof in Icking eine Brieftasche gefunden und sie bei der Begrüßung Bürgermeisterin Margit Menrad übergeben hat. Und sie erfahren die Geschichte von Ali: Die Lage in seinem Heimatland Pakistan sei prekär, dort sei er ohne Arbeitsmöglichkeit und ohne Perspektive. Seine Eltern rieten ihm, nach Deutschland zu gehen. Bislang ist er begeistert, auch von seiner Unterkunft in Icking: "Es ist alles sehr, sehr gut, es gibt ein Bett, Essen, vor allem sind die Leute sehr freundlich", sagt er. Die fehlende Privatsphäre in der Halle mit den Betten Kante an Kante störe ihn nicht, da habe er Schlimmeres erlebt. Und auch das Warten sei für ihn kein Problem: "Da kann ich ein paar Brocken Deutsch lernen, von Freunden."

Asyl in Turnhalle: Revelar Athembo steht kurz vor der Geburt.

Revelar Athembo steht kurz vor der Geburt.

(Foto: Hartmut Pöstges)
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