Armin Ebersberger:Architekt des Sozialen

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Armin Ebersberger hat als Sozialplaner von Bad Tölz fünf Jahre lang das Miteinander der Stadt geprägt. Nun geht er an die Dorfschule Walchensee

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Das Jugendcafé an der Hindenburgstraße sieht verwaist aus. Der Saal mit der kleinen Bühne und dem ramponierten Parkettboden ist menschenleer, ebenso der große Thekenraum mit der alten Play-Station-Konsole, dem kleinen Flachbildschirm und den beiden Sitzgruppen. Ein schläfriges Flair prägt das Jugendhaus an diesem Montag, in dem sich die Kids am Samstagabend noch getroffen haben. Nur Armin Ebersberger ist jetzt da. Der 43-Jährige sitzt in einem ausrangierten Korbsessel, der einst auf der Terrasse des Kurhauses stand, nippt an einer Tasse Kaffee und erinnert sich seine fünf Jahre als kommunaler Sozialplaner in Bad Tölz. In diesem Job, resümiert er vor seinem Abschied, gehe es "nicht darum, die Feuerwehr zu spielen, sondern die Architektur des sozialen Miteinanders in Angriff zu nehmen".

Ebersberger war für fast alle Bevölkerungsgruppen in der Kurstadt zuständig: für Kinder und Jugendliche, für Familien und Alleinerziehende, für Senioren und für Asylbewerber. Eine Art eierlegende Wollmilchsau der städtischen Sozialpolitik. "Alleine geht das natürlich nicht, sondern nur in einem Netzwerk", sagt der Kochler, der künftig für die Dorfschule Walchensee gGmbH als Gesamtleiter von Kindergarten, Schule und Haus der Begegnung arbeitet. In Bad Tölz hat er sich als Baumeister bewährt: Er gab der Jugendarbeit einen neuen Grundriss, baute die Ferienbetreuung aus, um Familien zu entlasten, und war unermüdlich im Einsatz, als Flüchtlinge vor gut zwei Jahren in großer Zahl in die Kurstadt kamen. All dies habe jedoch nur funktioniert, "weil es hier viele Partner gab, die sehr wohlwollend Kooperationen eingingen", sagt er.

Attraktive Angebote statt "Komm-Struktur": Armin Ebersberger hat mit seinem Team im Tölzer Jugendcafé zahlreiche Projekte initiiert, die junge Menschen anlocken. (Foto: Manfred Neubauer)

Als der Sozialpädagoge im April 2013 seine Arbeit in Tölz aufnahm, verteilte er Fragenbögen auf seiner Vorstellungstour durch die sozialen Einrichtungen. In der Jugendarbeit stellte er schnell fest, dass sie noch auf eine "Komm-Struktur" aufgebaut war. "Das heißt, man hat Räume, Personal und Öffnungszeiten im Jugendcafé vorgehalten und gehofft, dass die Jugendlichen schon kommen - und wenn nicht, na, dann kann man nichts machen, das Angebot ist da", verdeutlicht Ebersberger. Dagegen ging er offensiv vor. Mit dem Sozialpädagogenteam des Jugendhauses schwenkte er auf Projekte um, die junge Leute anlocken sollten.

Das ging zunächst schief. Bei "Move - beweg Deine Stadt" kamen die Jugendarbeiter beispielsweise mit Outdoor-Spielgeräten zu den Treffpunkten der Kids an der Isar oder im Lettenholz gefahren. "Aber das hat eher zu einer Fluchtbewegung geführt", erzählt Ebersberger. Auch die Idee, dass Jugendliche ihre Lieblingsspiele selber bauen und dann einander vorstellen, verfing nicht sonderlich. Ganz anders sah es dann beim Theaterprojekt "On Stage" mit dem Schauspieler Michael Klemm aus: "Das war super, da sind auch heute noch viele dabei." Ein ebenso großer Erfolg waren die mädchenspezifischen Projekte und das "OPEN Haus Sport", das mit dem Boxprojekt der Vereins "Brücke" begann und nun schon sechs Bausteine hat.

Lässt sich auch mal treten, wenn's der Sache dient: der Sozialplaner Armin Ebersberger bei einem Theaterprojekt. (Foto: Manfred Neubauer)

Anfangs hatten Ebersberger auch Anknüpfungspunkte zwischen der Tölzer Jugendarbeit einerseits, Schulen, Trägern der freien Jugendhilfe und Jugendamt andererseits gefehlt. Diese losen Enden flocht er zusammen. Ein Beispiel: Mit Jugendsozialarbeitern an den Grundschulen wurde vereinbart, die Dritt- und Viertklässler nach der Nachmittagsbetreuung, die um 15.30 Uhr endet, ins Jugendcafè zu bringen. Dort konnten die Eltern sie abends nach der Arbeit abholen. "Das ist eine Stabilisierung der Strukturen für die Kids", so Ebersberger. Insgesamt, sagt er, sei die Jugendarbeit in Tölz "echt gut aufgestellt".

Eine prägende Erfahrung war für ihn die Aufnahme von knapp 400 Flüchtlingen vor mehr als zwei Jahren. "Das war kein Thema, das man nur verwalten oder nur organisieren kann", sagt der 43-Jährige. "Das hat viel mit persönlicher Betroffenheit ... , ja, wirklich, mit Betroffenheit zu tun." Stadträte und Stadtverwaltung, das Sozialamt des Landkreises und das Tölzer Mehrgenerationenhaus, Vereine und ehrenamtliche Kräfte hätten damals in Windeseile ein Netzwerk geknüpft, das auch funktioniert habe.

Nicht nur mit Aktionen wie dem Theaterprojekt prägte Ebersberger das Sozialleben der Stadt. Er kümmerte sich auch unermüdlich um Asylsuchende. Nun geht er an die Dorfschule in Walchensee. (Foto: Manfred Neubauer)

Ebersberger nennt zwei Gründe, warum die Zuwanderung der Asylbewerber in Tölz weitgehend störungsfrei verlief: die dezentrale Unterkünfte und "die vielen Angebote, wo sich die Flüchtlinge selber finden konnten und gut informiert worden sind". Ein wichtige Rolle hat für ihn auch gespielt, dass die etwa 230 ehrenamtlichen Helfer von Elisabeth Ebert im Auftrag der Stadt koordiniert wurden. "Sonst wäre es niemals gegangen." Wegen der Flüchtlinge rumorte es allerdings auch in Tölz, das bekam Ebersberger anfangs am Telefon zu hören. "Da hieß es vielfach, die machen uns Tölz kaputt, als Tourismus-Standort."

Daneben war für den Sozialplaner die Ferienbetreuung "ein dickes Thema". Gerade wegen der exorbitanten Mietpreise seien in der Kurstadt oftmals beide Eltern gezwungen, einem Vollzeitjob nachzugehen - "um hier überhaupt wohnen zu können". Zusammen mit der Arbeiterwohlfahrt habe man nun das Angebot "Ferienmäuse" für drei Wochen in den Sommerferien etabliert, über das er froh sei. Eine Baustelle blieb für den Sozialplaner hingegen das Thema Senioren. Da habe er "eher so ein bisschen im Trüben gefischt", gesteht er. "Wir haben verschiedene Sachen ausprobiert, sind aber nie auf einen grünen Zweig gekommen." Deshalb hat er einen Fragebogen entwickelt, der dieser Tage an Tölzer Senioren im Alter von 75 Jahren an verschickt und dann vom neuen "Kompetenzzentrum Alter" an der Katholischen Stiftungs-Fachhochschule Benediktbeuern ausgewertet wird. Das sei dann "eine hervorragende Datenbasis" für seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin, sagt er.

Ebersberger hätte noch so manche Ideen. Im neuen Quartierszentrum im Bürgerhaus Lettenholz könnte es künftig nicht bloß eine Radlwerkstatt, sondern vielleicht auch einen Abend der Nationen geben, meint er. Oder eine Form von "Community Music", zu der sich Menschen verschiedener Herkunft einfach zusammentun, um gemeinsam zu musizieren. Aber all dies lässt er nun als bloße Skizzen zurück, um an den Walchensee zu gehen. Warum eigentlich? In dem Projekt mit Kindergarten, Dorfschule und Begegnungshaus sieht er "die Idealform, wie man mit Kindern und Jugendlichen arbeiten kann". In kleinen Klassen mit individueller Förderung, ohne Bruch zwischen Kindergarten und Schule, im Haus der Begegnung "mit der afrikanischen Idee, dass sich ein ganzes Dorf um ein Kind kümmert".

Im Rathaus hat er dies einigen Kollegen vermutlich näher erläutern müssen. Sie meinten, er wechsle zur Katholischen Integrierten Gemeinde, die vor etwa einem Jahrzehnt in Walchensee einmal ansässig war. "Sie fragten mich: Ah, Du gehst zur Sekte?", erzählt Ebersberger. Und lacht darüber im leeren Jugendcafé so richtig von Herzen.

© SZ vom 07.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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