Andreas Pehl verkörpert alle Figuren :Luther und der Ärger mit dem Papst

Andreas Pehl verkörpert alle Figuren : Andreas Pehl (links) schlüpft in verschiedene Rollen, Elisabeth Göbel spielt die Orgel und die Kinder hören gebannt zu.

Andreas Pehl (links) schlüpft in verschiedene Rollen, Elisabeth Göbel spielt die Orgel und die Kinder hören gebannt zu.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Kinder können in Bad Tölz in einem Theaterstück den Reformator und seine Anliegen kennenlernen

Von Sabine Näher, Bad Tölz

Da schwadroniert ein unbarmherziger Richter, dann salbadert ein geldgieriger Pfaffe, dazwischen kommentiert mit Bedacht ein Erzähler. Außerdem kommt ein salbungsvoller Edelmann vor, es reflektiert ein besonnener Mönch - und einen Sänger gibt es auch noch. Wie diese Darsteller samt Publikum und Organistin alle auf die Orgelempore der Tölzer Johanneskirche passen? Das ist überhaupt kein Problem, denn Andreas Pehl verkörpert alle Figuren und den Sänger in Personalunion. Und den Text für das Spiel geschrieben hat er auch selbst.

Der in München geborene und in Lenggries ansässige Sänger, Gesangspädagoge und Autor ist ein Glücksfall für die Kultur der Region, denkt er sich doch immer wieder ausgefallene Programme aus, die er mit seiner sängerisch-schauspielerischen Doppelbegabung mühelos auf die Bühne bringen kann. Eine Bühne war es nun am Sonntagvormittag in Tölz nicht, sondern die erwähnte Orgelempore, auf der das für Kinder (und ihre erwachsenen Begleiter) konzipierte kleine Theaterstück über den Reformator aufgeführt wurde.

Die musikalische Illustration oblag der Kantorin der Johanneskirche, Elisabeth Göbel, die mit fetzig rhythmisierten Orgelklängen eine Quasi-Ouvertüre bot, in deren Verlauf immer wieder ein prägnantes Motiv auftauchte, das sich schließlich als der Ausruf "Martin Luther!" deuten ließ.

Dann trat Andreas Pehl auf, ganz schwarz gekleidet mit weitem, schwarzen Umhang, der sich vom Talar des Pfarrers in die Robe des Richters oder die Mönchskutte des jungen Luther verwandelte. Als zusätzliche Requisiten für die wechselnden Kostüme hatte er etliche Hüte im Gepäck, die die Zuordnung der Figuren im raschen Szenenwechsel ermöglichte. Ganz einfach also, oder? Eine spannende Herausforderung blieb es allemal, zu erraten, welche Rolle er nun gerade ausfüllte - aber ohne ein bisschen Spannung und Geheimnis bleiben Kinder ohnehin nicht bei der Sache.

Pehl hat genau im Gespür, was er dem Publikum an Rate- und Kombinationsfähigkeit zutrauen darf. Wenn der Sachverhalt zu kompliziert ist, schaltet sich eben der Erzähler ein und erklärt beispielsweise, was es mit diesem Ablasshandel auf sich hat, warum also dieser eifernde Mönch gerade immerzu rief "Kauft euch frei!" und warum in den Himmel eingehen sollte, wer die Geldbörse zückte.

Elisabeth Göbel ist derweil für die Bühnenmusik zuständig. Ihr Orgelspiel schafft Atmosphäre, drängt sich aber nicht in den Vordergrund, sondern lässt den Spielszenen ihren Raum. Dass die normale Bevölkerung vor 500 Jahren in Armut, Elend und Krankheit lebte, während Bischöfe, Könige und Edeldamen in geheizten Palästen logierten, mit Bedienung und allem Komfort, und dass darüber hinaus auch das Heil im ewigen Leben vom Geldbeutel abhängen sollte, das habe jenem Mönch namens Martin Luther zu denken gegeben, erzählt Pehl. Dann hebt er auf Lateinisch zu singen an, bricht ab und fragt: "Was verstanden?" "Nö!" tönt es umgehend aus der Kindergruppe in der ersten Reihe.

"Das hat sich Luther auch gedacht: Versteht doch kein Mensch!", fährt Pehl fort und singt erneut, diesmal mit deutschem Text. Dass Luther die Bibel ins (allgemein verständliche) Deutsch übersetzte, dass er den Gottesdienst in deutscher Sprache zelebrierte, dass er dichtete und komponierte, hat er den Kindern schnell vermittelt. Auch, dass es deswegen "Ärger" gab, nicht zuletzt mit dem Papst, der Luther schließlich für "vogelfrei" erklärt. "Das heißt: Jeder darf ihn ungestraft schubsen, beleidigen, ja, sogar umbringen." Auch der fingierte Überfall auf den des Landes verwiesenen Mönch, der seiner Entführung auf die Wartburg dient, wo er in anonymer Sicherheit als Junker Jörg lebt, wird zur anschaulichen Spielszene.

Dass die damals ganz neue Erfindung des Buchdruck die Verbreitung der Schriften Luthers ermöglicht, dass die Menschen, die die Bibel nun selber lesen können, die Lügen der katholischen Geistlichkeit entlarven, dass viele Mönche und Nonnen ihre Klöster verlassen und so auch Luther seine spätere Frau, Katharina von Bora, kennenlernt, all diese Informationen werden fassbar vermittelt. Pehls Fazit: "Einen Menschen, der Missstände erkennt und zu verändern sucht, den braucht es zu jeder Zeit. Auch, wenn's dann wieder Ärger gibt."

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