Amtsgericht Wolfratshausen:Bewährungsstrafe nach sexuellem Missbrauch

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Die Opfer, zwei mittlerweile 2o und 22 Jahre alte Geschwister, hatten zehn Jahre lang geschwiegen. Am Dienstag wurde der Täter zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Isabel Meixner

Ein 57-Jähriger aus dem Landkreis ist am Dienstag wegen sexuellen Missbrauchs von zwei Kindern zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Zudem muss er seinen Opfern insgesamt 12 000 Euro Schmerzensgeld zahlen und 200 Sozialstunden leisten. Vor dem Amtsgericht Wolfratshausen räumte der Angeklagte auch ein, 110 Dateien kinderpornografischen Inhalts auf seinem Computer gespeichert zu haben, die sexuelle Handlungen an Sechs- bis Zehnjährigen zeigen. Die Opfer seiner Übergriffe - zwei mittlerweile 2o beziehungsweise 22 Jahre alte Geschwister - hatten zehn Jahre lang über die Vorfälle geschwiegen. Erst als der junge Mann, der als Nebenkläger auftrat, an Depressionen erkrankte, vertraute er sich seinem Therapeuten an.

Er war elf Jahre alt, als er bei seinem Freund, dem Pflegesohn des Angeklagten, übernachtete. Beim Filmabend soll sich der 57-Jährige laut Anklage neben ihn gesetzt, sich und ihm eine Decke über den Schoss gelegt und den Jungen im Intimbereich berührt haben. Der gleichaltrige Pflegesohn, der ebenfalls auf der Couch saß, soll von alledem nichts mitbekommen haben. Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich kurze Zeit später. Diesmal lag der Elfjährige schlafend im Bett, als sich der Beschuldigte an den Bettrand setzte und sein Opfer erneut sexuell misshandelte. Der Junge wachte dadurch auf. Bis Ende 2002 haben sich laut Anklage acht weitere derartige Übergriffe ereignet.

Der inzwischen 20-jährige Mann leidet bis heute an posttraumatischen Belastungsstörungen. Seine Erinnerungen versuchte er mit Alkohol zu verdrängen. Erst durch die Therapie schaffte er es, die Vorfälle in Worte zu fassen und sich schließlich im vorigen Jahr seinen Eltern anzuvertrauen. Infolge der Ermittlungen kam heraus, dass auch seine zwei Jahre ältere Schwester zwischen 1997 und 1999 von dem 57-Jährigen dreimal sexuell misshandelt worden war - im Alter von sechs bis neun Jahren und sogar im Ehebett und im Beisein der Ehefrau.

Für Staatsanwältin Iris Koch ein Faktor, der zu Lasten des Angeklagten auszulegen sei: "Die Hemmschwelle war sehr hoch, weil Ihr Sohn und Ihre Frau in der Wohnung waren. Die haben Sie offenbar überwunden." Sie warf dem gelernten Elektroinstallateur vor, das Vertrauen der Kinder und der befreundeten Familie ausgenutzt zu haben: "Die Kinder waren Ihnen anvertraut und Ihnen schutzlos ausgeliefert." Richterin Barbara Treeger-Huber sah in der Freundschaft zwischen den Eltern und dem Angeklagten den Hauptgrund, warum beide sich nicht gewehrt hatten: "Kinder lernen: Man hat sich als Gast zu benehmen." Lediglich das Mädchen hatte einmal die Beine zusammengedrückt, was den Angeklagten aber nicht davon abhielt, es trotzdem im Intimbereich zu streicheln.

Der Angeklagte zeigte während der Verhandlung keine Regung. Über seinen Verteidiger, Jost Hartman-Hilter aus Bad Tölz, räumte er alle Anklagepunkte ein. Blickkontakt mit seinen beiden Opfern vermied er, richtete aber eine Entschuldigung an sie: "Mir tut unendlich leid, was passiert ist." Eigentlich habe er mit seiner Frau selbst Kinder haben wollen, erzählte er, "aber wir konnten keine bekommen". Deshalb nahm das Ehepaar zwei Pflegekinder bei sich auf. Bei der Polizei schilderten diese den Angeklagten als liebevollen Vater.

Zu Prozessbeginn hatten sich das Gericht, die Staatsanwaltschaft, die Nebenklage und die Verteidigung eineinhalb Stunden zurückgezogen, um über ein Geständnis und den Strafrahmen zu verhandeln. Dass er mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe davonkomme, sei "am alleruntersten Rand dessen, was man hier verhängen kann", sagte Staatsanwältin Koch: "Wenn Sie mit einer Wimper gezuckt hätten, wäre überhaupt kein Raum mehr für eine Bewährungsstrafe gewesen."

Für einen sexuellen Übergriff auf Kinder können sechs Monate bis zehn Jahre Haft verhängt werden - für jede Tat. Hinzu komme der Besitz der kinderpornografischen Bilder, die aktuellen Datums seien und "einen Erwachsenen abstoßen", sagte die Staatsanwältin. Sie forderte die zwei Schöffen auf, sich die Fotos anzuschauen. Beide wandten sich anschließend mit Ekel im Gesicht ab.

Verteidiger Hartman-Hilter versuchte, einige Punkte zu Gunsten des Angeklagten aufzuzählen. So habe dieser zu Jahresbeginn von sich aus eine Therapie begonnen, bei der ihm keine pädophilen Neigungen bescheinigt worden seien. Auch habe er "zu keinem Zeitpunkt körperliche oder psychische Gewalt" auf die Kinder ausgeübt, zudem hätten die Übergriffe seinen Mandanten nicht sexuell erregt. Eine Aussage, die die Nebenklägerin in ihrem Plädoyer kritisierte: "Dadurch war das Schamgefühl besonders groß." Den Kindern sei, auch durch die Anwesenheit der Ehefrau, suggeriert worden, es sei ganz normal, was mit ihnen geschehe.

Richterin Treeger-Huber erlegte dem Täter auf, die begonnene Therapie fortzusetzen. Trotz der Einschätzung des Therapeuten sei es "nicht auszuschließen, dass pädophile Neigungen vorhanden sind". Dem 20-Jährigen muss der Verurteilte 7200 Euro Schmerzensgeld zahlen, dessen Schwester 4800 Euro.

Das Gericht verhängte außerdem ein Kontaktverbot. Der 57-Jährige hatte seine Opfer um ein Gespräch gebeten. Daran hätten beide kein Interesse, teilte die Anwältin der Opfer mit.

© SZ vom 24.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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