Altlandrat Otmar Huber:Mit 88 Jahren auf dem Fahrrad

Was heißt schon alt?

Er radelt, schwimmt und joggt, nur beim Bergsteigen schmerzt dem 88-Jährigen das Knie ein wenig. Otmar Huber war fast drei Jahrzehnte Landrat.

(Foto: Manfred Neubauer)

Altlandrat Otmar Huber radelt und schwimmt - und läuft jeden Tag acht Kilometer durch das Ellbacher Moor. "Was heißt schon alt?", heißt passenderweise die Ausstellung, die er jetzt eröffnet hat.

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Natürlich ist Otmar Huber mit dem Rad ins Landratsamt gekommen. Der 88-jährige Altlandrat fährt noch immer fast überall mit dem Rad hin. Auch, weil das mit dem Führerschein und mit der Versicherung ein Problem werde, wenn man die 80 überschritten habe. Vor allem aber, weil Huber ein begeisterter Radfahrer ist. Und ein begeisterter Schwimmer, Jogger, Langläufer, Bergsteiger. Das hat er inzwischen ein bisschen reduziert, weil beim Bergabgehen die Knie nicht mehr so mitmachen. Zur Eröffnung der Ausstellung "Was heißt schon alt" spricht er am Montag ein Grußwort im Foyer des Landratsamts. Einen besseren Botschafter hätten die Organisatoren nicht finden können.

1927 ist Huber im Landkreis Eichstätt geboren, fast 30 Jahre war er Landrat und Vorvorgänger von Josef Niedermaier im Amt. Ein schmaler Mann, die blauen Augen hellwach. Wenn er lacht, und das tut er oft, dann ist das ein jungenhaftes Lachen. Niedermaier sagt über ihn: "Von Otmar Huber ist man gewohnt, dass er sagt, was er denkt." Das macht er auch gleich, und mokiert sich in seiner launigen Rede über das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend, das doch aus Gründen der Emanzipation eigentlich "Senioren und Seniorinnen, Frauen und Männer" heißen müsste.

1967 wurde Huber Landrat, zuerst des Landkreises Bad Tölz, nach der Gebietsreform im Jahr 1972 dann erster Landrat des erweiterten Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen. Huber war fast vier Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft, machte nach seiner Heimkehr "Notabitur", studierte in München Rechts- und Staatswissenschaften und promovierte. Vor seiner Wahl zum Landrat hatte er von 1957 an im bayerischen Innenministerium gearbeitet.

Wenn man ihn nach den größten Herausforderungen während seiner Amtszeit fragt, dann nennt er: Die Mülldeponie in Greiling, deretwegen er sich mit dem damaligen Reichersbeurer Bürgermeister Hans Harrer bis aufs Messer gestritten habe. Und die Gebietsreform, die den Leuten nicht einfach zu erklären gewesen sei. Auch Flüchtlinge aus dem Sudetenland und Russlanddeutsche seien damals noch gekommen. "Technisch versierte Leute", die sich vorwiegend in Geretsried angesiedelt und wesentlich zum Wohlstand beigetragen hätten. Das Flüchtlingsthema beschäftigt ihn auch heute. Bis vor Kurzem hat er sich in Leserbriefen zu Wort gemeldet, mit Niedermaier ist er sich in dieser Frage nicht unbedingt einig: Es hätte erst eine europäische Lösung gebraucht, ehe man eine "Einladung" nach Deutschland ausspreche, findet er.

Die Zeit, als er nach Tölz gekommen sei, die Jahre als CSU-Landrat, das sei seine beste Zeit gewesen. "Das hat mich fasziniert", sagt er. Natürlich habe es immer auch mal Ärger gegeben. Aber das Menschliche, das sei nie auf der Strecke geblieben. Während seiner Amtszeit wurde das Alpamare eröffnet, das er allerdings selten besucht habe, weil er lieber zum Kirchsee zum Schwimmen radelt. Zum Leistungssport ist er erst mit 60 gekommen, vorher war zu wenig Zeit. Dreimal hat er beim Ironman mitgemacht, in Hawaii, Japan, "ich war auf der ganzen Welt bei Sportwettkämpfen", sagt er. Viele Jahre war er Teilnehmer der Benefiz-Radsportveranstaltung "Tour der Hoffnung", die über mehrere hundert Kilometer durch verschiedene Regionen führt. Vor drei Jahren ist er Vizeseniorenweltmeister im Langlauf geworden. Dass es dort keine Altersklasse 90 plus gibt, ärgert ihn. Andererseits: "Es muss auch amal a Ruh sein".

Jeden Tag läuft er acht Kilometer durchs Ellbacher Moor, freilich langsamer als früher. "Man muss halt machen, was noch geht." Dass Leute vor der Glotze hocken und den ganzen Tag "blödes Gequatsche anschauen", kann er nicht verstehen. Sein Rezept für ein gelingendes Altern ist einfach: "Geistig und körperlich beweglich bleiben." Und natürlich die Familie, seine vier Kinder und zehn Enkel, das sei unersetzlich. Man kümmert sich, und es komme was zurück. "Obwohl ich bei den Hausaufgaben meiner Enkel manchmal überfordert bin." Natürlich sei auch eine sinnvolle Aufgabe wichtig und Optimismus. Null Bock und no Future - damit kann er gar nichts anfangen.

Er mag die heiteren Gedichte von Eugen Roth und Hermann Hesse. Aus dem Stand rezitiert er dessen Gedicht "Der Mann von 50 Jahren", aber nur bis zur Hälfte. "Der zweite Teil ist nicht jugendfrei", sagt er verschmitzt.

Auch in seinem Grußwort webt er Gedichte ein, hat sogar eigens ein Gedicht für die Ausstellungseröffnung geschrieben, das Landrat Niedermaier vorliest. Titel: "Wir ganz Alten", Biografisches und Bissiges über Umweltskandale und Klimawandel. "Das Alter macht ja den schwarzen Humor", sagt er und erzählt den Zuhörern gleich noch einen passenden Witz zum Thema. Der Tod sei ja nun einmal "alternativlos". "Aber man muss halt eine Freude haben am Leben."

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