320-Seiten starkes Werk über Ascholding:Skelett gefunden

320-Seiten starkes Werk über Ascholding: Gemeindearchivarin Agnes Wagner, der Vorsitzende des Kulturvereins Erno Vroonen und Vereinsmitglied Barbara Regul (v.l.) präsentieren die Chronik von Dietramszell.

Gemeindearchivarin Agnes Wagner, der Vorsitzende des Kulturvereins Erno Vroonen und Vereinsmitglied Barbara Regul (v.l.) präsentieren die Chronik von Dietramszell.

(Foto: Manfred Neubauer)

In der Chronik über die Dietramszeller Altgemeinde Ascholding findet sich neben interessanten Geschichten auch manche Skurrilität.

Von Petra Schneider

Der Anlass für die erste urkundliche Erwähnung des Dietramszeller Ortsteils Ascholding war wenig erfreulich. Im Jahr 804 stritten die Klöster Tegernsee und Freising über die Zugehörigkeit mehrerer Kirchen. Auch Ascholding geriet zwischen die Fronten, man einigte sich schließlich darauf, die dortige Kirche in der Obhut des Klosters Tegernsee zu belassen, und das wurde aufgezeichnet. Viel später, im Jahr 1972, wurde Ascholding Teil der Großgemeinde Dietramszell.

Mit etwa 1016 Einwohnern ist sie ihr größter Ortsteil - ein bäuerlich geprägtes Dorf an der Staatsstraße 2072 zwischen Bad Tölz und Egling, das vom Mooshamer Weiherbach durchflossen wird. Zehn Jahre, nachdem der dritte Teil der Dietramszeller Chroniken erschienen ist, hat der Kulturverein nun auch der Altgemeinde Ascholding ein umfangreiches Werk gewidmet. Jahrelang wurde an der 320-Seiten starken Chronik recherchiert und geschrieben, die mit Literaturhinweisen, Glossar und Register ergänzt wurde.

Herausgekommen ist ein informatives und lebendiges Nachschlagewerk mit vielen Bildern und historischen Fotografien. Wissenswertes und Spannendes ist zu erfahren, etwa über die Vor- und Frühgeschichte der gesamten Region, über die "Kracherlfabrikation" im Schmiedbauer Anwesen, wo vom Jahr 1905 bis in die Achtzigerjahre Limonade hergestellt wurde. Oder über einen aufsehenerregenden Fund im Jahr 2000: Bei der Renovierung seines historischen Anwesens stieß Eigentümer Josef Bilgeri auf das Skelett eines etwa 15-jährigen Mädchens aus dem ersten Jahrhundert, Reste eines damals üblichen Nietengürtels sowie ein Amulett-Anhänger wurden gefunden; Teile des Grabes des "Ascholdinger Mädchens" sind im Stadtmuseum in Bad Tölz ausgestellt.

Breiten Raum nimmt ein Verzeichnis der Höfe, Handwerksbetriebe und alteingesessenen Familien ein. Wie in den vorangegangenen Bänden über den Hauptort Dietramszell, Linden/Lochen und Leiten haben Gemeindearchivarin Agnes Wagner und Vereinsmitglied Barbara Regul die Texte geschrieben. Die Historiker Michael Holzmann und Hans-Peter Volpert haben ihre Forschungen zur Vor- und Frühgeschichte zur Verfügung gestellt. Viele Ascholdinger bereicherten die Chronik mit Fotografien, Erinnerungen und Dokumenten.

So finden sich Zeitzeugenberichte von Heimatvertriebenen aus dem Sudetenland, die im Jahr 1946 in Ascholding gestrandet waren oder ein Reisebericht von Martin Melf, der im Februar 1924 mit seinem Bruder und einem Freund von Ascholding nach Brasilien aufgebrochen war, um dort sein Glück zu versuchen. In vielen Notizen hat er die vierwöchige Reise von Hamburg nach Sao Francisco do Sul festgehalten. Das Abenteuer endete nach sieben Monaten - "weder Tropenklima noch giftige Schlangen oder Spinnen, weder Moskitos, Ameisen oder Sandflöhe" seien Schuld gewesen, sondern "das viel zu teure Land".

Im Schlusskapitel schlägt die Chronik den Bogen ins Heute: "Ein Dorf im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne", lautet die Überschrift. Ein Abriss über Vereine und Gemeinschaften, Einrichtungen, Brauchtum und kulturellen Veranstaltungen gibt einen Eindruck vom lebendigen Zusammenleben der Dorfgemeinschaft. Wie viele andere Orte steht Ascholding vor der Herausforderung, die dörfliche Identität zu bewahren und sich einer Weiterentwicklung nicht zu verschließen. Sich der eigenen Wurzeln zu vergewissern, dazu kann die Chronik einen Beitrag leisten.

Die Chronik "Dietramszell - Altgemeinde Ascholding" kann für 30 Euro bei den örtlichen Banken und im Rathaus Dietramszell erworben werden.

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