Wolfgang Joop:Diagnose Modenschau

Oskar Roehlers neueste Entdeckung für "Suck My Dick": der Shootingstar Wolfgang Joop

Interview: Rainer Gansera

(SZ vom 7.7.2001) - Wolfgang Joop war immer schon mehr als ein Modemacher, wollte auch Meinung machen, hat mit seiner nicht zurückgehalten. Nun tritt er vor die Filmkamera, Oskar Roehler hat ihn als strengen Psychoanalytiker geholt für seinen Film "Suck My Dick".

Wolfgang Joop: Wolfgang Joop mit Filmpartnerin Katja Flint

Wolfgang Joop mit Filmpartnerin Katja Flint

SZ: Was hat Sie daran gereizt, ins Schauspielfach zu wechseln?

Joop: Man bezeichnet mich ja oft als Selbstdarsteller. Damit kann ich wenig anfangen: Sich selbst darzustellen, das ist eine sehr schwere Rolle. Wer ist man denn schon? Kennt man sich wirklich? Da scheint es einfacher, in eine vorgegebene Rolle zu schlüpfen. Mein Problem war, dass Oskar mir immer auswich, wenn ich fragte, wie er den Charakter dieses Psychiaters anlegen wolle. Also musste ich mir die Figur selber zurechtschustern. Und das ohne irgendwelche Erfahrungen mit Psychiatern. Meine Seelenqualen habe ich immer mit Arbeit therapiert. Und in gewisser Weise war auch die Filmarbeit für mich eine Therapie.

SZ: Welche Probleme waren es, die Sie therapieren wollten?

Joop: Ich wollte mich in dieser Zeit von der Firma Joop trennen. Ich war dort in eine Sackgasse geraten: Wir hatten keine gemeinsame Sprache mehr, keine gemeinsamen Ziele. Und da bot mir die Filmarbeit die Möglichkeit, das wieder zu finden, was ich verloren hatte: Begeisterung, Motivation. Ich brauche - wie jeder kreative Mensch - diese Familie, dieses gemeinsame Erleben von Erfolg und Misserfolg, diese Arbeit, bei der sich alle ganz einer Sache hingeben.

SZ: Konnten Sie sich also problemlos in diese ungewohnte Arbeit einfügen?

Joop: Nicht nur das. Ich bewunderte Oskar für seine Kompromisslosigkeit. Wenn ich mit Vorschlägen ankam - "Oskar, kann ich das nicht anders formulieren, es würde mir leichter fallen?" -, dann guckte er mich mit seinen wilden Augen an und antwortete geduldig, aber bestimmt: "Sag es bitte, wie es da steht!" Das habe ich dann auch getan. Es war für mich eine Wohltat, die Verantwortung einmal völlig abgeben zu können. Sie wissen nicht, welche psychosomatischen Attacken ich vor Modeschauen hatte. Bronchitis war normal. Claudia Schiffer sagte in New York einmal zu mir: "Du hast keine Bronchitis, du hast 'ne Modenschau!"

SZ: Waren Sie mit Ihren darstellerischen Leistungen zufrieden

Joop: Ich habe mir nie Muster angeschaut, weil ich Angst davor hatte. Ich habe mich nur in den Augen von Edgar Selge wieder gesehen. Edgar hat mich mit seiner Energie und seinem Humor immens gestützt. Er hat mir am ersten Drehtag, an dem ich mir vor Lampenfieber beinahe in die Hosen gemacht hätte, in mein Drehbuch geschrieben: "Du bist ein toller Künstler!" Das habe ich mir als Talisman unters Kopfkissen gelegt.

SZ: Haben Sie Kino-Erinnerungen?

Joop: In der Kindheit: die russischen Märchenfilme, dann "Das doppelte Lottchen". Alles Schwarz-Weiß-Filme. Als ich Roehlers großartigen Film "Die Unberührbare" sah, atmete ich auf: "Ah, endlich mal keine Farbe!" Der neue, "Suck My Dick" ist wunderbar monochrom.

SZ: Gab es Kinofiguren, die für Sie als Modedesigner inspirierend waren?

Joop: Natürlich: Marlene. Sie ist die größte Stilistin überhaupt. Ob nun Marlene oder Sternberg oder beide diese Leinwandfigur schufen - herrlich, wie sie Feminines und Maskulines ineinander blendet, wie sie mit den Insignien des anderen Geschlechts die eigene Sexualität mysteriös inszeniert. Marlene und Sternberg waren auch so unglaublich genau. Es beleidigt mein Auge massiv, wenn ich heute im Kino diese Ungenauigkeiten sehe. Zum Beispiel in diesem Goethe-Film, wo Veronica Ferres mit einem dicken Reißverschluss durch die Gegend rennt.

SZ: Hat Sie das Neue Deutsche Kino interessiert, Fassbinder, Herzog, Wenders?

Joop: Fassbinder vor allem. Seit seinem Tod ist ja eine große Pause eingetreten. Journalistenfreunde in New York sagen immer: "Warum dreht ihr eigentlich keine Filme mehr über euch selbst?" Wenders bildet Exotik ab, statt sie zu inszenieren. Sein "Million Dollar Hotel" war ein Albtraum. Ich bin aus dem Film rausgerannt, weil er keine Steigerung, keine Erlösung hat. Da ist Oskar Roehler ganz anders, moderner und konsequenter: Er inszeniert Verrücktheit, statt sie nur abzubilden.

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