Wohnungsnot unter Studenten:Wenn das Semester in einem Notquartier beginnt

Studentische Notunterkunft

Hinter den Stellwänden in der Notunterkunft lässt es sich zwar schlafen, aber nicht studieren.

(Foto: Marco Wedig)

Bis Ende November bietet das Studentenwerk Schlafplätze an für Studenten, die noch keine Wohnung gefunden haben.

Von Marco Wedig

Es klopft an der Tür von Meisa Hayali. Ihr Zimmernachbar steht davor: "Mir ist der Name des Musikers, über den wir letztens gesprochen haben, wieder eingefallen", sagt er. Eine typische Studentenwohnheimszene - an einem Ort, an dem sich die Menschen nichts sehnlicher wünschen, als in einem typischen Studentenwohnheim unterzukommen. Oder in einer WG. Oder einer Wohnung. Irgendwo. Stattdessen leben sie seit einer Woche in der Notunterkunft des Studentenwerks. Gegenüber dem regulären Wohnheim in der Schwere-Reiter-Straße steht ein Flachbau, der nicht gerade wohnlich aussieht. Früher befanden sich hier die Redaktionsräume des Radiosenders M 94.5. Jetzt schlafen hier 32 Menschen, verteilt auf sieben provisorisch hergerichtete Zweibettzimmer sowie jeweils ein Drei-, Fünf- und Zwölfbettzimmer.

Das Zwölfbettzimmer ist der Mittelpunkt der Anlage. Tagsüber scheint Licht durch die Dachfenster, nachts liegt der Raum im Dunkeln. Eine zentrale Beleuchtung gibt es nicht. Jeder der Bewohner hat ein Lämpchen, um die kleine Fläche hinter einer Stellwand auszuleuchten. Vier Quadratmeter - mehr konnten sie dem Münchner Wohnungsmarkt bisher nicht abtrotzen. Es sind vor allem ausländische Studierende, die hier unterkommen. Fast die Hälfte von ihnen kommt aus Pakistan. Erst seit Kurzem sind sie hier. Wohnungsbesichtigungen können sie erst jetzt wahrnehmen - wenn sie denn eingeladen werden. Einige Anzeigen enthalten einen Zusatz: Vermietung nur an Deutschsprachige.

Die Notunterkunft können alle Studierenden, die höchstens 30 Jahre alt sind, bis Ende November in Anspruch nehmen. Fünf Euro kosten die Schlafplätze pro Nacht. Sie werden wochenweise vergeben. Meisa Hayali schläft in einem davon. Sie erzählt, dass sie vor wenigen Tagen bei einer Begrüßung der ausländischen Studierenden war. Rund 300 von ihnen hatten sich dort versammelt. Ein Universitätsmitarbeiter fragte: "Wie viele von euch haben schon eine Bleibe?" Nur zehn hoben die Hand, sagt Hayali.

Für sie war es schon schwierig genug, nach Deutschland zu kommen. Eigentlich hätte die 30-Jährige bereits im Sommersemester mit ihrer moralphilosophischen Doktorarbeit an der Ludwig-Maximilians-Universität beginnen sollen. Doch die Iranerin erhielt kein Visum. Monatelang wartete sie, bis es dann zum Wintersemester klappte. Vor zwei Wochen kam sie nach München: Oktoberfestzeit. Sie erinnert sich: "Die Straßen waren voll mit Betrunkenen", sagt sie. Auch die Hostels. Mit fünf alkoholisierten Männern teilte sie sich in ihrer ersten Nacht das Mehrbettzimmer. "Das war kein Ort für eine alleinreisende Frau", sagt sie. Ihr Mann ist noch im Iran. Auch er wartet auf ein Visum. Immerhin hat sie jetzt einen Bekannten in ihrer Nähe. Hamid Aminian kam für einen Master der Elektrotechnik nach München.

Jetzt trifft man sie in der Gemeinschaftsküche der Unterkunft. Sie machen gerade den Abwasch. Einer der zwei Deutschen, die in der Notunterkunft leben, kommt herein, hat es eilig, sagt im Vorbeigehen, dass eine der zwei Duschen wieder verstopft sei. Die Duschen, aus denen in der ersten Woche nur kaltes Wasser kam. Beschweren will sich niemand. Alle sind dankbar, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben. Und ja, es sei auch schön, so viele Leute um sich herum zu haben. Einer aus dem Kreise habe sogar schon eine Wohnung gefunden und würde trotzdem noch zum Abhängen in die Notunterkunft kommen.

Trotzdem ist es kein Spaß, wenn man mit fremden Menschen ein Zimmer teilt und 8640 Euro bei sich trägt. So viel Geld müssen ausländische Studierende bei der Einreise nach Deutschland vorweisen, wenn man aus dem Iran kommt sogar in bar. Hayali und Aminian wollten die Summe, wie gefordert, auf ein Sperrkonto einzahlen. Doch ohne Meldeadresse kein Konto, hieß es bei der Bank. Ohne Briefkasten keine Meldeadresse, hieß es im Kreisverwaltungsreferat in der Poccistraße. Erst die Kollegen am Rotkreuzplatz drückten ein Auge zu.

Aminian lacht viel, auch wenn das alles irgendwie zum Verzweifeln ist. Mehr als 2000 E-Mails habe er seit Anfang Juni an potenzielle Vermieter und Mitbewohner geschrieben. Aber die wenigsten antworten. Zwar hatte der 23-Jährige schon den ein oder anderen Besichtigungstermin, doch wurden diese immer einen Tag vorher abgesagt. "Eigentlich bin ich zum Studieren hierher gekommen, nicht zur Wohnungssuche", sagt er.

Studentischen Notunterkunft

Meisa Hayali (l.) und Hamid Aminian suchen eine Bleibe.

(Foto: Marco Wedig)
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