Wohnungsmarkt:Mieter befürchten Luxussanierung in Schwabing

Wohnungsmarkt: Bauerstraße 10 und 12: Die bisherige Eigentümerin baut gerade das Dachgeschoss aus. Kaufen will das Haus ein "Immobilienprojektentwickler" mit Sitz in Grünwald.

Bauerstraße 10 und 12: Die bisherige Eigentümerin baut gerade das Dachgeschoss aus. Kaufen will das Haus ein "Immobilienprojektentwickler" mit Sitz in Grünwald.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Zwei Häuser in der Bauerstraße will ein Investor kaufen, hinter dem die Rock Capital Group GmbH steht - ein "Immobilienprojektentwickler" aus Grünwald.
  • Die Mieter befürchten, dass ihre Wohnungen luxussaniert und dann teuer verkauft werden.
  • Nun sind die Bewohner aktiv geworden und hoffen auf Hilfe von der Stadt.

Von Anna Hoben

Schwabing, Kurfürstenplatz. Ein paar Antiquitätenhändler, ein griechischer Imbiss, die Filiale einer hippen Kaffeehauskette. An der Tramhaltestelle blickt ein älterer Mann suchend in einen Abfalleimer, es sind aber keine Pfandflaschen drin. In der Hand hält er die gelbe Plastiktüte eines Discounters, "heimatverwurzelt" steht darauf geschrieben.

Heimatverwurzelt ist auch die Familie, die ganz hier in der Nähe wohnt, vom Kurfürstenplatz aus biegt man einfach um zwei Ecken, dann ist man in der Bauerstraße, Hausnummern 10 und 12. Als die Eltern vor acht Jahren einzogen, sie erwarteten gerade ihr erstes Kind, freuten sie sich: Die Vermieterin wollte explizit eine junge Familie. Man verzichtete auf große Renovierungsmaßnahmen, und so beträgt die Quadratmeter-Kaltmiete heute noch 10,15 Euro. Dann, im Dezember 2016, kurz vor Weihnachten, landete ein Schreiben bei der Familie im Briefkasten, Absender: Amt für Wohnen und Migration. Die Häuser würden verkauft, hieß es in dem Brief.

Verkäufer ist die AXA-Versicherung, Käufer sind zwei Unternehmen, hinter denen die Rock Capital Group GmbH steht, laut Internetseite ein "Immobilienprojektentwickler" mit Sitz im noblen Grünwald. In den Gebäuden Bauerstraße 10 und 12 wohnen zurzeit 42 Mietparteien, zudem gibt es drei Arztpraxen. Seit dem Brief von der Stadt sind alle Bewohner in großer Sorge. Sollen ihre Häuser zu einem weiteren Beispiel für Gentrifizierung werden? Verkauf, Luxussanierung, Umwandlung in Eigentum, astronomische Mieten - solche Geschichten kann mittlerweile wohl jeder Münchner im Schlaf runterrattern.

Auch die Familie an der Bauerstraße kann solche Geschichten erzählen. Gegenüber, das Haus an der Ecke, es wurde verkauft, aufgehübscht, und dann gab es da diese Wohnungen zu erwerben, der Quadratmeter für 7500 Euro. 66 Quadratmeter, ergo, für eine halbe Million Euro. Soll es in ihrem Haus genauso gehen? "Weder die vielen jungen Familien noch die übrigen Bewohner haben das Kapital", sagt die Mutter.

Ein Stück die Straße hinunter gab es einmal einen kleinen Elektroladen. Jetzt ist dort ein Secondhand-Verkäufer für Designerhandtaschen, wer will, der kann die kostbaren Stücke aber auch mieten. Und dann ist da noch das sanierte Haus in der Nebenstraße, 24 Euro Kaltmiete. Ein Schild im Schaufenster bewirbt Wohnungen zwischen 75 und 160 Quadratmeter, bezugsfrei ab sofort. Auf etwa der Hälfte der Klingeln steht noch kein Name.

Manchmal scherzen die Familie und ihre Nachbarn über die steigende Porsche-Cayenne-Dichte. Doch seit sie den Brief von der Stadt bekommen haben, ist ihnen nicht mehr zum Scherzen zumute. Sie haben sich zusammengetan und sind aktiv geworden, haben das Gespräch mit dem Bezirksausschuss gesucht und ihrerseits Briefe geschrieben, an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und an die Vorsitzenden der Fraktionen im Stadtrat. Denn es gibt eine Sache, die ihnen Hoffnung macht. Ihre Häuser liegen in einem Gebiet, in dem die Erhaltungssatzung gilt, ein Instrument, das dem Ziel dienen soll, angestammte Milieus zu erhalten. Für Häuser in solchen Gebieten hat die Landeshauptstadt München ein Vorkaufsrecht.

Die Satzung dient nicht dem Mieterschutz

Im vergangenen Jahr hat das Kommunalreferat 93 solcher Fälle geprüft und dem Stadtrat schließlich 18 zum Beschluss vorgeschlagen. Tatsächlich ausgeübt wurde das Vorkaufsrecht allerdings nur in einem einzigen Fall. Die Zahlen seien generell niedrig, sagt Referatssprecher Bernd Plank. "Die Ausübung des Vorkaufsrechts war und ist nie unser primäres Ziel." Vielmehr wolle man erreichen, dass der Käufer eine sogenannte Abwendungserklärung unterschreibt. In etwa 50 Fällen sei dies 2016 gelungen.

"Die Käufer wissen schon, was auf sie zukommt, wenn sie ein Haus im Erhaltungssatzungsgebiet kaufen", sagt Plank. In der Erklärung verpflichtet sich der Käufer, sowohl die Umwandlung in Eigentumswohnungen als auch unangemessene Modernisierungsmaßnahmen, also: Luxussanierung, zu unterlassen - für einen Zeitraum von zehn Jahren. Die Fortschreitung der Gentrifizierung, sie wird also zumindest verlangsamt.

Wenn es an der Bauerstraße so kommt, dürfte dies für die Mieter ein Trost sein, aber eben nur ein vorläufiger. "Die Erhaltungssatzung dient nicht dem Mieterschutz, sondern dem Milieuschutz", erläutert Plank. Wenn die Prüfung zum Beispiel ergebe, dass in dem betreffenden Gebäude nur Zahnärzte oder Staatsanwälte wohnen, die entsprechende Einkommen haben, wenn die Mieten ohnehin schon bei 16 oder 17 Euro kalt pro Quadratmeter lägen, dann müsse die Stadt auch nicht von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen.

Wann immer in den vergangenen Jahren ein Mieterwechsel stattfand, erzählen die Bewohner der Bauerstraße 10 und 12, sei die Miete kräftig nach oben gegangen. Zwischen 9 und 17 Euro kalt bezahlen sie mittlerweile. Dass aber nur Bestensbetuchte dort wohnen, das sei mitnichten der Fall. Es gebe viele ältere, verwitwete, alleinstehende Menschen. Einer wohne schon sein ganzes Leben in dem Haus. Etwa ein Viertel der Bewohner seien junge Familien. Man pflege eine sehr gute Hausgemeinschaft, vernetze sich untereinander, gehe auch mal für einen Nachbarn einkaufen, der krank zu Hause liegt.

Die Familie mit den beiden Kindern, sie liebt ihr Viertel. Die Mutter ist hier aufgewachsen, ein paar Straßen weiter. Sie wollen nicht weg aus Schwabing, doch wenn es so kommt, wie sie befürchten, dann müssen sie das eines Tages. Beide Eltern haben gute Jobs, aber eine deutlich höhere Miete könnten sie für ihre 110-Quadratmeter-Wohnung nicht bezahlen. "Wenn wir als Normalverdienende uns hier keine Wohnung mehr leisten können, läuft etwas gewaltig schief", sagt die Mutter.

Die Rock Capital Group GmbH war am Montag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Das Kommunalreferat hat dem Stadtrat die Häuser Bauerstraße 10 und 12 zum Beschluss vorgeschlagen. Ob die Stadt von ihrem Vorkaufsrecht Gebraucht macht, wird das Gremium am Mittwoch in nicht-öffentlicher Sitzung entscheiden. Man habe die Meinungsfindung noch nicht abgeschlossen, hieß es am Montag aus den Fraktionen von SPD und CSU.

Erhaltungssatzung

Mithilfe der Erhaltungssatzung sollen bestehende Mietwohnungen davor geschützt werden, in Eigentumswohnungen umgewandelt oder luxussaniert zu werden. Sie ist jedoch kein Instrument des individuellen Mieterschutzes. In jenen Gebieten, für die sie gilt, müssen geplante Modernisierungen vom Wohnungsamt im Sozialreferat zusätzlich genehmigt werden. Ziel ist es, Luxussanierungen, die in der Regel eine Verdrängung der Mieter zur Folge haben, zu verhindern und die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten. Das Instrument kommt in München seit 1987 zum Einsatz. Stand November 2016 gab es in der Stadt 20 Erhaltungssatzungsgebiete, in denen etwa 247 000 Einwohner lebten. Die Satzungen sind auf fünf Jahre befristet. Sie werden durch das Planungsreferat vor ihrem Ablauf überprüft und dann gegebenenfalls neu erlassen. In diesen Gebieten hat die Stadt bei einem Verkauf ein Vorkaufsrecht. Die Käuferseite kann jedoch eine sogenannte Abwendungserklärung abgeben. Darin verpflichtet sie sich, die Umwandlung in Eigentumswohnungen und unangemessene Modernisierungsmaßnahmen zu unterlassen. Die Vorkaufsrechtsprüfung wird vom Kommunalreferat durchgeführt. hob

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