Wohnungsmarkt in München:Vermieter mit Bindungsangst

Hunderte Eigentümer vermarkten in München ihre Wohnungen als kurzfristige Unterkunft für Urlauber oder Handwerker. Doch das ist verboten. Obwohl die Angebote leicht im Internet zu finden wären, unternimmt die Stadt wenig gegen die Zweckentfremdung.

Bernd Kastner

Student auf Wohnungssuche, 2007

Viele Zettel, kaum Chancen: Wer in München eine Wohnung sucht, verzweifelt oft an der schlechten Lage. Touristen haben es da einfacher, sie haben eine große Auswahl an verschiedenen Ferienwohnungen.

(Foto: Robert Haas)

Es gibt zu wenig Wohnungen in München? Die Schlangen bei Besichtigungen sind so lang? Es dauert Monate, ehe man was passendes findet? Ach was! Jede Menge ist noch frei und schnell zu haben, es weiß nur kaum ein Münchner. "Zentral gelegene Wohnung mit Traumblick über München." Zwei Zimmer in einem "aufstrebenden Szeneviertel". Braucht die Familie mehr Platz? "Ruhige, zentral gelegene, neu renovierte 6-Zimmer-Wohnung mit großem Garten, Terrasse und Teich." Was Extravagantes gefällig: "Lieben Sie das Außergewöhnliche?" Ein beheizbares Wasserbett, "einzigartig in München", und das unweit des Nymphenburger Schlossparks. Was Möbliertes? "Die geschmackvoll eingerichtete Wohnung ist mit allem ausgestattet, was Sie benötigen." 100 Quadratmeter, Haidhausen.

Touristen werden schnell fündig

Wohnen in München kann so vielfältig sein und die Suche so einfach. Vorausgesetzt, der Mieter ist kein Münchner, sondern Tourist. Als solcher kann er aus einem kaum überschaubaren Angebot an Ferienwohnungen schöpfen, kein Stadtteil, in dem er nicht nächtigen könnte. Das erhöht die Attraktivität Münchens als Touristenziel, weil die Gäste nicht allein auf Hotels angewiesen sind.

Das ärgert aber jene, die verzweifelt eine gewöhnliche Mietwohnung suchen. Zwar wäre die Wohnungsnot nicht gelöst, selbst wenn in Hunderte Ferienwohnungen Mieter einzögen. Aber weil München Wohn-Notstandsgebiet ist, darf Wohnraum nicht einfach in Ferienwohnungen verwandelt werden, man benötigt eine "Zweckentfremdungsgenehmigung". Die aber gibt es für Urlauberdomizile nur in der Theorie, tatsächlich lehnt die Stadt entsprechende Anfragen ab.

Doch der illegalen Nutzung vieler Wohnungen als Touristenunterkunft wird die Stadt so nicht Herr. "Es artet aus", sagt Jörg Siegler, Vize-Chef des Wohnungsamtes. Das Angebot wächst seit Jahren und ist offenbar noch immer nicht ausreichend. "Ich muss wahninnig vielen Leuten absagen", berichtete eine Frau, die 2009 mit einer Internetseite ins Vermittlungsgeschäft eingestiegen ist. "Die Wohnungen gehen weg wie warme Semmeln."

Sonnenbad am Fenster

Tourist oder Einheimischer? Am Fenster einer Münchner Wohnung gönnt sich ein Mann ein Sonnenbad.

(Foto: dpa)

Unerreichbar für normale Mieter

Nicht nur bei ihr vermischen sich zwei Zielgruppen: Touristen, aber auch Handwerker, die für ein paar Tage oder Wochen in München arbeiten. Beide Gruppen umgehen gerne Hotelzimmer, weil sie ihnen zu teuer sind, weil Kinder zu sehr eingeschränkt wären, oder weil sie sich in Arbeitsklamotten nicht wohlfühlen würden. Wunderbar also, wäre da nicht das Problem, dass diese Wohnungen dem normalen Mietmarkt abgehen. Und dass viele Wohnungen vermutlich illegal angeboten werden und die Stadt diesem Schwarzmarkt recht hilflos gegenüberzustehen scheint.

Das Wohnungsamt tut sich schwer mit den Ferienwohnungen, was schon damit anfängt, dass sie statistisch nicht erfasst werden. Weder weiß jemand, wie groß das Angebot tatsächlich ist - vermutlich liegt es im dreistelligen Bereich -, noch weiß die Stadt, wie viele der geahndeten Zweckentfremdungen auf Touristen-Nutzung zurückgehen. 183 zweckentfremdete Wohnungen hat das Wohnungsamt 2011 mit mehr oder weniger Druck zurückverwandelt, Büros oder Praxen, und auch Ferienwohnungen. In den letzten Jahren, berichtet Elke Englisch, verantwortlich für Wohnraumerhalt, habe die Stadt jeweils rund 100.000 Euro Bußgelder verhängt. Laut Gesetz kann schon eine einzelne Zweckentfremdung bis zu 50.000 Euro kosten.

Ahnungslos und illegal

Die Stadt also hat ein Problem, auch weil viele Vermieter gar nicht wissen, dass ihre Ferienwohnung illegal ist. "Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht", sagt eine Vermieterin, die seit sieben Jahren die Dachwohnung im eigenen Haus Touristen anbietet. Verbotene Zweckentfremdung? "Das ist mir komplett neu." Dass die Betreiber der zahlreichen Internetportale darauf hinweisen oder gar kontrollieren, wäre wohl zu viel verlangt. "Ich bin nicht ihr Vormund", ruft eine Vermittlerin ins Telefon, die ihre Rente so aufbessert. "Wie sollte ich das machen? Das ist nicht meine Aufgabe, das ist Aufgabe der Stadtverwaltung."

Wer sich dort kundig machen will, stößt auf ein Landesgesetz, auf dem die Zweckentfremdungssatzung der Stadt basiert und auf dieser wiederum ein Faltblatt des Wohnungsamtes: "Informationsblatt zum Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum". Das Papier hält, was der Titel verspricht: "Eine genehmigungspflichtige Zweckentfremdung liegt vor", heißt es, "wenn Wohnraum zum Zwecke einer dauernden Fremdenbeherbergung, insbesondere einer gewerblichen Zimmervermietung oder der Einrichtung von Schlafstellen verwendet oder überlassen oder sonst durch eine pensionsartige Nutzung dem allgemeinen Wohnungsmarkt entzogen wird." Das Stichwort Ferienwohnung fehlt.

Und wann ist keine Genehmigung nötig? Wenn "der Wohnraum nachweislich bereits vor In-Kraft-Treten des Verbotes der Zweckentfremdung von Wohnraum am 01.01.1972 und seitdem ohne Unterbrechung zu anderen als Wohnzwecken genutzt wird". Man hätte auch schreiben können: Wenn die Wohnung bisher schon Büro war, dürfen Feriengäste übernachten. Elke Englisch sagt, man müsse die Formulierungen wohl mal überarbeiten.

Wortwahl und Informationsfluss sind optimierungsbedürftig

Aber nicht nur die Wortwahl ist optimierungsbedürftig, auch der Informationsfluss innerhalb der Stadtverwaltung. So mancher Vermieter von Ferienwohnungen berichtet, dass er selbstverständlich seine Einnahmen versteuere, und sein Tun selbstverständlich als Gewerbe angemeldet habe, letzteres beim Kreisverwaltungsreferat. Konsequenz? Keine. Die eine Behörde weiß, was die andere auch gerne wissen würde, doch einen geregelten Informationsfluss vom KVR zum Wohnungsamt gibt es nicht, räumt Englisch ein.

Dabei wäre der Weg übers Internet wohl der einfachere. Bei Google "München" und "Ferienwohnung" eingeben, schon bekommt auch der städtische Zweckentfremdungsfahnder auf zahlreichen Portalen nicht nur jede Menge Fotos hübscher Ferienwohnungen in ruhiger und zentraler Lage präsentiert. Sondern auch die Kontaktdaten der Vermieter. Englisch sagt, dass man das Internet schon lange nutze, dass aber, wenn es hart auf hart komme, vor Gericht der Nachweis der illegalen Vermietung schwer sei. Manche nähmen den Kampf gegen die Stadt auf.

"Die gängeln einen."

Zum Beispiel jene Vermieterin, die über die "Unverschämtheiten" der Stadt empört ist. Die Satzung "sei der Hammer", empört sich die Frau in einem Brief, dabei gehe es doch um ihr "Hab und Gut", und mit dem werde sie wohl machen dürfen, was sie wolle. "Die gängeln einen." Sie hat einen Anwalt eingeschaltet und hofft, dass die Stadt ihre anderen Ferienwohnungen nicht auch noch entdeckt. Einen festen Mieter jedenfalls wolle sie auf keinen Fall mehr, nach all dem Ärger mit dem letzten. Ihr scheinen alle Mieter suspekt zu sein, weil die angeblich "einen riesen Saustall" hinterließen und man seinem Geld hinterherlaufen müsse.

So rechtfertigen auffällig viele Vermieter, dass sie Urlauber und Arbeiter bevorzugen. Die kriege man notfalls schnell und leicht wieder raus, und Ärger mit dem Geld habe man auch nicht. "Es läuft phantastisch." Von einer "enormen" Nachfrage schwärmt die Frau: "Es ist unglaublich, wie viele Leute nach München kommen", und alle seien froh über eine Ferienwohnung. Sollte die Stadt auch sein, findet die Vermieterin: "Die müsste sich doch freuen" über das Angebot für die Gäste, "die lassen doch auch Geld da."

Die gewöhnlichen, zuverlässigen Mieter kommen in dieser Argumentation nicht vor. Vielleicht sollte das Wohnungsamt nicht nur sein Faltblatt überarbeiten und mit verständlichen Worten auf das Verbot der Zweckentfremdung hinweisen. Vielleicht sollte die Stadt ihren Bürgern auch erklären, warum dieses Verbot sinnvoll ist.

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