Wohnungen in München:Bauen ist die halbe Miete

Seit langem entstehen im Großraum München viel zu wenig neue Wohnungen. Experten erwarten in den kommenden Jahren deutlich steigende Preise.

Michael Tibudd

Eigentlich könnte Stephan Kippes nun von einer Erlösung sprechen. "Erstmals seit Mitte der neunziger Jahre gab es in Bayern 2009 wieder mehr Baugenehmigungen als im Jahr zuvor", sagt der Marktforscher mit Fachgebiet Immobilien. Doch jeglichem Optimismus tritt er schnell entgegen: "Allerdings hatten wir erst 2008 einen historischen Tiefstand."

Wohnungen in München: Es ist eng in München - zu eng. Und weil seit langem zu wenig neu gebaut wird, wird das Wohnen in München immer teurer.

Es ist eng in München - zu eng. Und weil seit langem zu wenig neu gebaut wird, wird das Wohnen in München immer teurer.

(Foto: region.lks)

Sagt es und verweist auf eine lange Zeitreihe, die im Grunde nur eines zeigt: Viele Jahre schon gibt es zu wenige Interessenten für Wohnungsbau - was für ganz Bayern gilt und erst recht für den boomenden Großraum München. Trotz steten Zuzugs hinkt die Bautätigkeit nicht nur dem Bedarf hinterher, vielerorts wird sogar stets weniger gebaut.

Es drohen also für die Zukunft noch weit mehr als bisher die Symptome einer Wohnungsnot - eine bezahlbare Wohnung zu finden, dürfte immer schwieriger werden. Zwar verzeichnen die Makler des Immobilienverbands Deutschland im Moment nicht den ganz großen Andrang auf dem Markt - "bei Besichtigungen gibt es derzeit zumindest keine langen Schlangen", sagt Kippes. Die Nachfrage ist aber dennoch hoch genug, um die Mietpreise in München und Umgebung auf Rekordniveau zu halten.

12,10 Euro werden in München derzeit für einen Quadratmeter in einer Bestandswohnung, die nach 1950 gebaut wurde, fällig, in Altbauten sogar 13 Euro. In beiden Fällen entspricht das exakt dem Wert von vor einem halben Jahr - eine ungewöhnliche Konstanz.

Kippes und seine Marktforscherkollegen gehen dabei keineswegs von einer Trendwende aus, im Gegenteil. "Die Frage ist im Grunde nur, wann die Preise weiter steigen", sagt Kippes, der deswegen lediglich von einer "Verschnaufpause" spricht. So sehr der Immobilienmarkt in München, der sich im Prinzip auf den gesamten S-Bahn-Bereich erstreckt, als robust gilt, so sehr bekommt er die Wirtschaftskrise doch zu spüren: "Zurückgestauten Bedarf", nennt Marktforscher Kippes die indirekte Folge.

Aus Sorge um den eigenen Arbeitsplatz verzichteten viele vorläufig darauf, in eine größere Wohnung umzuziehen, obwohl das wegen einer veränderter Lebenssituationen nötig wäre - etwa wenn ein junges Paar Kinder bekommen hat. Das aber ändere sich, sobald sich die Menschen wieder sicher fühlen, sagt Kippes. "Wenn die Wirtschaft wieder anzieht, wird sich die fehlende Neubautätigkeit rächen."

Zumal neu gebaute Wohnungen vielerorts verstärkt von Eigennutzern bezogen werden, die sich also entschieden haben, nicht mehr zur Miete zu wohnen, sondern selbst eine Immobilie zu kaufen. Diese Gruppe auf dem Immobilienmarkt hat aber das Problem, dass ihr derzeit Kapitalanleger Konkurrenz machen - ebenfalls eine indirekte Folge der Wirtschaftskrise: Weil Festgeld derzeit als wenig lukrativ und Anlageformen wie Aktien als unsicher gelten, sind Wohnungen auf dem sicheren Münchner Markt inzwischen begehrt.

Lange war das völlig anders, da schreckten vermögende Investoren eher davor zurück, ihr Geld in Wohnungen zu stecken: Gemessen daran, dass der Anleger sich sehr lange binden muss, werfen Immobilien eher wenig Rendite ab. "In den ersten zehn Jahren lohnt sich eine Immobilie für den Anleger nicht", sagt etwa Rudolf Stürzer, der als Vorsitzender des Münchner Haus- und Grundbesitzervereins die Belange der Eigentümer von 400.000 Wohnungen vertritt.

"Kontinuierliche Verschlechterung"

"Besonders in der Anfangsphase hat man viele Verluste, seit man Kapitalkosten nicht mehr abschreiben kann", sagt Stürzer. Er beklagt auch, dass Hausbesitzer mit einer verlängerten Spekulationsfrist leben müssen - diese liegt inzwischen bei zehn Jahren. "Wer also ein Haus nach acht Jahren verkauft, muss auf eine Preissteigerung auch dann noch Steuern bezahlen." Freilich profitiere seine Klientel auch von der geringen Bautätigkeit - denn wenn die Nachfrage hoch bleibt, tun sich Vermieter deutlich leichter, ihre Wohnungen unters Volk zu bringen. Andererseits sei es seinem Verein auch ein Anliegen, dass sich mehr Menschen Wohneigentum leisten könnten, sagt Stürzer, die Eigentumsquote von etwa 20 Prozent sei viel zu niedrig in München.

Steuerliche Erschwernisse für Anleger sind auch aus Sicht des für Wohnungsbau zuständigen bayerischen Innenministeriums die Ursache für die niedrige Bautätigkeit. Die "kontinuierliche Verschlechterung der Bedingungen für Investoren in Mietwohnungen seit 1998", wie eine Sprecherin des CSU-geführten Hauses formuliert, lässt sich freilich auch wunderbar SPD und Grünen anlasten, die in jenem Jahr in Berlin die Bundesregierung übernahmen. Die Eigenheimzulage, die die Entscheidung für Wohneigentum oft erleichterte, wurde indes 2006 gestrichen - zu Zeiten der großen Koalition.

Die Folgen für die Region München sind gefährlich: Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erwartet bereits für die kommenden fünf bis zehn Jahre "einen echten Wohnungsmangel und deutlich gestiegene Preise". Der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München geht davon aus, dass bis 2030 im Großraum 200.000 Wohnungen fehlen werden - zum einen wegen des steten Zuzugs in den kommenden Jahrzehnten.

Aber auch wegen einer ganz anderen gesellschaftlichen Entwicklung: "Immer mehr Menschen, insbesondere Ältere, werden alleine leben" und somit mehr Wohnungen brauchen, sagt der Chef des Planungsverbandes, Christian Breu.

Er fordert deswegen ein Umdenken in der Landesentwicklungsplanung, die von Gemeinden heute einen Nachweis verlangt, dass neues Bauland nötig ist. "Den Nachweis halte ich in der Region München grundsätzlich für erbracht", sagt Breu. Andersherum müsse es laufen: Gemeinden sollten in Zukunft begründen müssen, wenn sie sich weigern, Bauland auszuweisen.

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