Wohnung am Marienplatz:Leerstand in Bestlage

Am Marienplatz steht eine Wohnung, die der Stadt gehört, leer.

Traumhafter Ausblick aus dem fünften Stock: Die Wohnung am Marienplatz gehört der Stadt und steht seit einiger Zeit leer.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Rathaus vorm Fenster, ein Glockenspiel zum Mittagessen - besser kann man in Münchenkaum leben. Und doch steht die Wohnung am Marienplatz seit September leer. Sie gehört der Stadt und wurde zuletzt gewerblich genutzt. Eine Zweckentfremdung, die das KVR nun nicht mehr nachvollziehen kann.

Von Thomas Anlauf

Die Aussicht ist phantastisch. Aus dem Panoramafenster im fünften Stock schweift der Blick links zum Münchner Rathaus, die Touristen unten auf dem Marienplatz sind nur noch bunte Punkte. Das alte Rathaus gegenüber liegt strahlend in der Frühlingssonne. Die Wohnung ist Münchens erste Adresse: Marienplatz 1. Drei Zimmer, mehr als 100 Quadratmeter und sanierungsbedürftig. Die Wohnung gehört der Stadt - und steht leer.

Einen repräsentativeren Ort für einen städtischen Leerstand gibt es vermutlich in ganz Deutschland nicht. Stündlich flanieren am Haus 15 000 Fußgänger aus aller Welt vorbei, viele Touristen wollen schließlich einmal im Leben das Münchner Glockenspiel hören und sehen. Investoren zahlen sechsstellige Summen an Ablöse für ein kleines Ladengeschäft in der nahegelegenen Sendlinger Straße, am Marienplatz liegt der Preis noch höher. Eine prominente Münchner Makleragentur, die nicht genannt werden will, sagt zu der Lage im Herzen Münchens: "Es gibt nichts Besseres."

Doch die Wohnung ist nicht zu verkaufen, sie wird vom städtischen Kommunalreferat verwaltet. Ende September sei der langjährige Mieter ausgezogen, sagt Referatssprecherin Silke Pesik. Das war allerdings kein gewöhnlicher Bewohner, sondern eine Firma. "Die Wohnung ist seit mindestens 15 Jahren gewerblich vermietet", sagt Pesik. Wie es einst zu der "Zweckentfremdung" in dem städtischen Mietshaus gekommen sei, könne man im Kommunalreferat nicht nachvollziehen - es gebe dazu keine Unterlagen mehr - und auch das Personal sei mittlerweile nicht mehr da, das sich an die wohl zwei Jahrzehnte zurückliegenden Vorgänge erinnern könnte.

Dem Mieter ist übrigens nicht gekündigt worden, wegen dringenden Eigenbedarfs der Stadt etwa. Der Mietvertrag ist vielmehr ausgelaufen. Da es sich bei den leer stehenden Räumen zuletzt nicht um eine reguläre Mietswohnung gehandelt habe, tauche das Objekt auch nicht in der städtischen Leerstandsliste auf, so Pesik. Dort sind offiziell zum Jahreswechsel 653 städtische Wohnungen aufgelistet, die aus unterschiedlichen Gründen nicht bewohnt sind. Zweckentfremdung gehört offenbar nicht zu diesen Gründen.

Wer die Wohnung im fünften Stock betritt, dem schlägt strenger Modergeruch entgegen. Die Wohnung ist seltsam verwinkelt, es gibt einen kleinen lichtlosen Raum ohne Fenster, an der Innenseite der Zimmertür befindet sich ein großer Spiegel. Ein altes Waschbecken ragt aus der Wand eines der Zimmer, es gibt kein Bad, nur eine relativ moderne, aber winzige Toilette. Vor allem Familien wohnen in dem alten Mietshaus, heißt es. Der knarzende Aufzug hat seine besten Zeiten hinter sich, auch von außen könnte das prominent liegende Gebäude an der Ecke vom Marienplatz zur Kaufingerstraße eine Sanierung vertragen. Die von der Stadt vermieteten Läden haben zum Teil winzige Eingangstüren, die Säulen der Arkaden bröckeln.

Die Wohnung in Bestlage im fünften Stock soll nun grundlegend saniert und dann wieder vermietet werden - allerdings nicht mehr gewerblich. Es habe vor Ablauf des Mietvertrages im Herbst eine Anfrage vom Kommunal- ans Sozialreferat gegeben, ob die Zweckentfremdung aufrecht erhalten werden könne, sagt Silke Pesik. Die Antwort dort lautete: "Nein, das muss als Wohnraum vermietet werden.. Wann das Traumappartement wieder bezugsfertig ist, steht noch nicht fest. Wer auch immer dann darin wohnen wird: Er hat den wohl schönsten Blick über die Münchner Altstadt. Und das Glockenspiel gehört quasi zum Inventar.

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