Wohnhaus in der Au:Die Angst der Mieter vor dem Investor

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"W-I-R B-L-E-I-B-E-N": Diese Großbuchstaben hängen an der Fassade. Die Angst geht um in der Senftlstraße 9. Augustiner hat das Wohnhaus samt Lokal verkauft. Die Mieter und der Wirt des Laab sind sehr beunruhigt.

Michael Tibudd

Dass sie zusammenarbeiten können und sich bei Bedarf genau abstimmen - die Bewohner des Hauses an der Senftlstraße 9 in der oberen Au haben eine plakative Methode gefunden, genau das zu demonstrieren. "V-E-R-K-A-U-F-T", diese Großbuchstaben hängen über die ganze Fassade verteilt in den Fenstern des ersten Stockwerks, und eine Etage darüber: "W-I-R B-L-E-I-B-E-N". Jeder Passant kann und soll es sehen: In diesem Haus herrscht Unruhe, dazu bekleben die Bewohner schon mal über die Wohnungsgrenzen hinweg die Fenster.

Plakativer Protest: Die Fassade der Senftlstraße 9. (Foto: N/A)

Die Angst geht um in der Senftlstraße 9, die Angst vor der Entmietung. Denn das Haus, in dem sich mehr als 20 Wohnungen befinden, wurde tatsächlich verkauft. Lange Jahre gehörte es der Augustiner-Brauerei, die das Erdgeschoss als Wirtshaus verpachtete, die vergangenen Jahre empfing dort das "Laab" Gäste. Nun hat Augustiner es abgetreten an einen Investor.

Um das Wirtshaus könnte es damit geschehen sein, und, so befürchten die Mieter der darüber liegenden Wohnungen, um ihre Zeit in dieser schönen Lage auch. "Der wird doch hier bestimmt luxussanieren", sagt einer der Bewohner, der wie alle anderen auch seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Die Angst. Gemeinsam mit anderen Bewohnern des Hauses hat er recherchiert, was in München so passiert mit verkauften Häusern. Gekündigte Mieter, Schikanen, Baulärm, Mietsteigerungen, Gentrifizierung.

Betrachtet man die Fakten, ist dies freilich eine höchst diffuse Angst. Denn eigentlich, darin decken sich die Aussagen der Bewohner, ist ihnen vom Käufer des Hauses nichts Schlechtes widerfahren. Der Investor versichert der SZ auf Anfrage schriftlich, dass es keine Luxussanierung geben werde. "Kein Mieter muss als Folge des Verkaufs seine Wohnung verlassen", schreibt er überdies, "zudem wird jeder Mieter nach dem Verkauf zehn Jahre Kündigungsschutz genießen."

Er plane lediglich, einen Aufzug einzubauen und das Dach zu erneuern. Im kommenden Jahr möchte er die Wohnungen an private Kapitalanleger weiterverkaufen. Bezogen auf die Bestandsgarantie für die Mieter schreibt der Investor: "Wir nehmen diese Zusagen ernst und lassen uns daran messen."

Dennoch, in der Senftlstraße 9 ist man beunruhigt - und hat über die Plakate in den Fenstern hinaus bereits eine erstaunliche Mieterschutz-Maschinerie in Gang gesetzt. Dabei half, dass die SPD-Stadträtin Bettina Messinger bis vor kurzem selbst im Haus wohnte. Die hat ihre Kontakte in die SPD-Fraktion spielen lassen, woraufhin immerhin Wirtschaftsreferent Dieter Reiter mit Augustiner-Chef Jannik Inselkammer sprach - freilich ohne etwas an dem Verkauf ändern zu können.

Spekulationen, wonach Augustiner sich von einer größeren Zahl von Immobilien trennen wolle, weist Inselkammer indes zurück: "Von einem bevorstehenden strategischen Verkauf von mehreren Immobilien kann keine Rede sein."

© SZ vom 15.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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