Mieten in München:Immer mehr Menschen suchen nach immer weniger Wohnungen

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Für 22 Euro pro Quadratmeter hat Makler Axel Wolf (l.) gerade diese Wohnung vermietet. Bei der Gewofag zahlen Mieter laut Geschäftsführer Klaus-Michael Dengler im Schnitt nur knapp sieben Euro.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Mieten in München sind im vergangenen Jahrzehnt rasant gestiegen.
  • Der Stadt fehlen Tausende Wohnungen, die günstig vermietet werden können.
  • Wer sich hohe Mieten leisten kann, findet im Gegensatz zur Masse noch immer leicht eine Wohnung.

Von Pia Ratzesberger

Schwabing blendet schon fast an diesem Tag. Die Sonne knallt, die Fassaden strahlen und Axel Wolf mit ihnen. Er hat ja auch allen Grund dazu. Hat er doch schon wieder eine Wohnung vermietet, gleich da vorne im fünften Stock. Der Makler sperrt die Türe auf, drei Zimmer, Küche, Bad. Kein Stuck, keine Flügeltüren, aber immerhin ein Rahmen aus Marmor.

Axel Wolf schreitet zum Fenster, dort drüben der Englische Garten, die Südseite, hach, das ganze herrliche München. Wenn man aus New York oder San Francisco herziehe, könne man schon froh sein, bei dem Ausblick. Er schlägt die Hände zusammen. Macht 22 Euro pro Quadratmeter. Kalt. München eben.

In einer Stadt wie dieser kriegt man sie alle vermietet, die Wohnungen für 20 Euro pro Quadratmeter, für 25 Euro, für 28 Euro. Egal, wo man mit anderen ins Gespräch kommt, egal ob vormittags in der Bahn oder nachts am Tresen, irgendwann geht es immer um diese Frage: Wo wohnst du? Irgendjemand sucht immer eine neue Wohnung, eine größere, eine zentralere, eine schönere. Natürlich auch: eine billigere.

Denn die Mieten in dieser Stadt steigen und steigen, und während die einen nicht wissen, wie sie sich bei diesen Preisen ohne Hilfe vom Staat eine Wohnung leisten sollen, wissen die anderen ganz genau: Es muss bitte schön das Lehel sein, mindestens Haidhausen. Oder am besten gleich Schwabing. Während Makler wie Axel Wolf selbst Wohnungen für mehrere tausend Euro Miete im Monat loskriegen, versuchen die anderen den Wahnsinn zu mindern, versuchen möglichst viele günstige Appartements anzubieten. Klaus-Michael Dengler zum Beispiel.

Etwa zehn Kilometer vom Maklerbüro der Schwabinger Immobilien entfernt, östlich auf der anderen Seite der Isar, arbeitet er Tag für Tag daran, dass in München nicht nur die bestens verdienenden Bürger ein Domizil finden, sondern auch all die anderen. Die Masse. Dengler ist Geschäftsführer der Gewofag, dem mächtigsten Vermieter in der Landeshauptstadt. Denn die städtische Wohnungsbaugesellschaft verwaltet mehr als 35 000 Wohnungen, jedes Jahr kommen etwa 400 bis 500 neue dazu.

Tausende Wohnungen müssten schnell gebaut werden

Das reicht zwar noch lange nicht für so eine schnell wachsende Stadt wie München; im Rathaus ist immer wieder von 7000 nötigen Wohnungen die Rede, wohlgemerkt im Jahr. Aber es ist ein Anfang. Dengler sitzt in seinem Büro, das ähnlich weiß und leer ist wie das teure Appartement am Englischen Garten, das Axel Wolf gerade vermietet hat. Die Mieten von Denglers Wohnungen liegen im Schnitt zwei Drittel unter deren Preis, 6,93 Euro kostet der Quadratmeter.

Im Foyer ihrer Zentrale wirbt die Gewofag mit den Sätzen: "Hier ist alles typisch München. Außer den Mieten." Welcher Vermieter verlangt schon noch sechs Euro. Dengler faltet die Hände, lehnt sich zurück. Noch nie habe München seine Wohnungsbaugesellschaften so dringend gebraucht wie heute, sagt er. Gäbe es die Gewofag nicht, müsste man sie spätestens jetzt gründen. Er war neulich in London, da sei natürlich alles noch viel irrer. Aber das ist auch keine Stadt, die man als Mieter gerne zum Vorbild hätte.

Angebot und Nachfrage passen nicht zusammen

So gut wie jedes Mal, wenn Dengler hier vor der Zentrale in der Kirchseeoner Straße ins Taxi steigt, frage ihn einer der Fahrer, ob er denn nicht eine Wohnung für ihn habe? Das mag vielleicht amüsant klingen, ist aber eigentlich recht traurig. Denn die meisten, sagt Dengler, kämen mit ihrem geringen Einkommen für eine geförderte Wohnung in Frage. Eine Wohnung versprechen kann er ihnen trotzdem nicht. Fast alle Gewofag-Immobilien werden mittlerweile über das Amt für Wohnen und Migration vermietet, dort stehen ziemlich viele Leute auf der Liste, denen es so geht wie den Münchner Taxifahrern, die bei Dengler nachfragen.

Schon lange sind es nicht mehr nur Arbeitslose oder Alte, denen der Staat bei der Miete helfen muss. Sondern auch Polizisten und Krankenschwestern, Verwaltungsangestellte, Friseure und Verkäufer. Der Münchner Mittelstand, der es sich eben nicht leisten kann, mal eben 2000 Euro Miete im Monat auszugeben - so wie manche andere, die solche monatlichen Belastungen offenbar nicht in finanzielle Nöte bringen.

Vier, fünf Interessenten hat Axel Wolf durch die Wohnung am Englischen Garten geführt, er tritt ans Fenster, rühmt noch einmal den Ausblick. Das Haar zurückgekämmt, die braunen Lederschuhe zieren Schnürsenkel so blau wie die Fliesen im Foyer. Eine Französin, die habe sogar noch einmal angerufen, weil sie es schmerzlich bereut habe, das adrette Appartement abgelehnt zu haben, sagt Wolf. Er aber hatte in der Zwischenzeit schon an ein anderes Paar vermietet, aus den USA, viel gereist. Die Ruhe hier, er breitet die Arme aus - "ist für solche Leute doch wie Urlaub".

Der typische Mieter solcher Wohnungen arbeitet bei einem der großen Konzerne in der Stadt, verdient gut. Oder er hat zumindest Eltern, die gut verdienen. "Da wohnt der Vater im Haus am Tegernsee und der Sohn soll es schön haben zum Studieren in der Stadt." Man sehe gleich, wer wirklich Geld hat und wer blufft, sagt Wolf, er ist schon mehr als zwanzig Jahre im Geschäft. Der Makler schnalzt mit der Zunge, das sei schon witzig. Die Leute zum Beispiel, denen all die Wohnungen gehörten dort unten in Schwabing, das seien oft die mit den zerschlissenen Jeanshosen. Nicht die mit den Maßanzügen vom Herrenausstatter.

Solche Appartements wie dieses hier kriegt Wolf immer wieder ins Portfolio, die kosten dann eben 2000 Euro oder auch mal 5000 Euro. Es gibt immer jemanden, der so viel zahlt. In letzterer Preisklasse zum Beispiel hat er neulich einem Konsul eine Wohnung präsentiert, der mietet lieber als dass er kauft, wer wisse schließlich schon, wie lange er in München bleiben werde. 200 Quadratmeter waren das. Die kleinen Wohnungen aber, die günstigen, die Wolf auch vermittelt, bei denen ist es oft schwierig.

Es ist schwierig, das Richtige zu finden

Auf eines nämlich können sich in München alle einigen, egal ob Makler oder Mieter, ob Privatier oder Arbeitsloser, ob Sozialdemokrat oder CSUler: es fehlen Wohnungen und es werden bald noch viel mehr fehlen. Immer mehr Menschen drängen nach München, bis 2030 sollen hier etwa 1,7 Millionen Menschen leben. Letztendlich ist das Münchens Misere, viel zu viele Leute, viel zu wenige Wohnungen.

Einen Makler erfreut diese Knappheit doch, könnte man meinen, kaum Angebot, große Nachfrage. Doch so einfach sei das nicht, sagt Axel Wolf. Er schüttelt den Kopf, zieht die Wohnungstüre hinter sich zu. "Ich brauche ja Handelsware." Wenn es nach ihm ginge, sollten die privaten Investoren noch mehr bauen. Selbst wenn sie teuer vermieteten, würde es ja alleine schon helfen, dass die Mieter dieser neuen Appartements andere frei machten. Zumindest, wenn sie nicht gerade aus New York oder San Francisco herziehen. So wie bei dieser Wohnung hier am Englischen Garten. 22 Euro der Quadratmeter. Kalt. München eben.

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