Wohnen in München:Zusammenziehen ist in München ungefähr wie Heiraten

Junges Paar in neuer Wohnung Konfliktsituation model released Copyright xMEVx ALLMVPC850901

Wer zusammenzieht, muss sich das in München noch viel besser überlegen als anderswo.

(Foto: imago stock&people)

Was, wenn die Beziehung scheitert? Meist kann man sich bei den Preisen dann das Ausziehen nicht mehr leisten.

Kolumne von Laura Kaufmann

Neulich in Schwabing. Wohnungsbesichtigung. Neun der zehn Suchenden geben sich Mühe, einen guten Eindruck zu machen, sind aber merklich durch den Wind. Sie sind frisch getrennt. Die Umstände zwingen sie zu diesem Termin. Einer sagt gleich ab: Die Wohnung liege zu nah an seiner ehemaligen, die jetzt die Ex bewohnt, er müsse in einem anderen Viertel suchen.

Zusammenziehen, früher war das der erste große Schritt der Verbindlichkeit. Im klassisch konservativen Liebeslebenslauf stand das irgendwo vor Heirat und Kindern. Nachdem das Schlafshirt eingeräumt war im Schrank des anderen, Spezi in den Kühlschrank des Cola-light-Trinkers wanderte, nach einer geraumen Zeit also, in der beide sich aneinander gewöhnt hatten, sich trotzdem noch mochten und sich eine gemeinsame Zukunft vorstellen konnten.

Aber München macht alles anders. Auch die Liebe. Hier sollte es für Pärchen schon im Mietvertrag und nicht erst bei der Heirat heißen: Willst du mit diesem Menschen, in guten wie in schlechten Tagen, bis dass der Tod euch scheidet? Wer zusammenzieht, sollte sich das gut überlegen. Drum prüfe, wer sich ewig bindet, dichtete Schiller, der Wahn ist kurz, die Reu ist lang. Reue, das ist im heutigen München keine ewig währende Ehe mehr, wohl aber die Suche nach einer neuen Bleibe.

Der Ex mutiert zum Mitbewohner, haust als Erinnerung an die gescheiterte Liebe auf der gemeinsam angeschafften Couch. Beide haben Liebeskummer und jeder ist traumatisiert von der Aussicht, das Gehalt bald für ein möbliertes 24-Quadratmeter-Zimmer in Aubing opfern zu müssen. Und so sind zwei Pechvögel, die nichts mehr bräuchten als ein wenig Abstand, durch den miesen Münchner Mietmarkt weiter aneinander gekettet.

Trotzdem gibt es die Paare, die überraschend schnell zusammen ziehen. Gründe gibt es, neben legitimer blinder Verliebtheit, genug. Einer zahlt Apothekenmieten, der Mitbewohner des anderen zieht aus, die bezahlbare, pärchentaugliche Wohnung eines Bekannten wird frei. Man greift nach Gelegenheiten, statt auf den perfekten Moment zu warten.

Denn ist der erst mal da, lacht der Münchner Wohnungsmarkt nur hämisch. Mein Partner und ich, ruhig, liebenswert und reinlich, festes Gehalt, keine Haustiere, keine Raucher, ab sofort... Trost finden Liebende, die mal in der Schuhschachtel des einen, mal im WG-Zimmer des anderen übernachten, wieder bei Schiller: Raum ist in der kleinsten Hütte / für ein glücklich liebend Paar.

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