Wohnen in München:Gewofag will günstiger und schneller städtische Wohnungen bauen

Schlüsselübergabe Dantebad

So schnell wurde in München noch nie geplant und gebaut: Mit vorgefertigten Teilen entstand innerhalb nur eines Jahres der sogenannte Stelzenbau über dem Parkplatz am Dantebad.

(Foto: Lukas Barth)
  • Künftig sollen Neubauten der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewofag nicht mehr individuell geplant werden, sondern in Serien gebaut werden.
  • Dabei sollen sich die Wohnungsgrundrisse wiederholen, man will mit standardisierten Bauteilen arbeiten - um möglichst wirtschaftlich und schnell zu sein.
  • Musterbeispiel ist der sogenannte Stelzenbau über dem Parkplatz am Dantebad. Zwei weitere Häuser dieses Typs sind derzeit geplant.

Von Alfred Dürr

Not macht erfinderisch. Der eklatante Mangel an erschwinglichen Mietwohnungen und die hohen Baukosten in München bewegen die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag zum Umdenken in ihrer Unternehmenspolitik. Künftig sollen Neubauten nicht mehr individuell geplant werden, sondern in Serie gehen.

Das funktioniert mit der Wiederholung von Wohnungsgrundrissen und mit standardisierten Bauteilen, wie zum Beispiel einem immer gleichen Fensterformat. Auch vorgefertigte Raum- und Konstruktionselemente sollen die Wirtschaftlichkeit eines Gebäudes erhöhen. Der Anspruch lautet: Die maximale Zahl von preisgünstigen Wohnungen errichten, aber dabei keine Billigquartiere entstehen lassen.

Der Sprecher der Geschäftsleitung, Klaus-Michael Dengler, und Michael Hardi, Ressortleiter Bau, erläutern das Beschleunigungsprogramm, das auch eine Sparinitiative ist. Bisher wurden die Projekte immer über Architektenwettbewerbe entwickelt. Damit hat man sich die besten Lösungen erhofft und erwartet, dass so städtebauliche Monotonie verhindert wird, sagt Dengler: "Das gelingt auch, hat aber seinen Preis - in längeren Planungszeiten und höheren Kosten." Er ist überzeugt, dass gute Lösungen nicht ständig neu erfunden werden müssen. Sobald sie über den Prototyp hinaus in Serie gehen, könnten sie sogar noch besser werden.

Läuft dann nicht künftig alles nach Schema F, werden Neubauten zur Konfektionsware? Keineswegs, antwortet Michael Hardy: "Wir lassen nicht irgendwo Typenhäuser vom Himmel fallen." Die Komplexe müssen sich seiner Meinung nach immer gut in das jeweilige städtebauliche Umfeld einfügen. Er nennt die Siedlungen aus der Gründerzeit der Gewofag in Ramersdorf oder Neuhausen (hier etwa der sogenannte Amerikanerblock von Otho Orlando Kurz) als Vorbilder. Deswegen trägt die neue Baustrategie auch den Titel "Zurück zu den Wurzeln".

Michael Hardi erläutert, was der Blick auf die Siedlungen, die in den Zwanziger- und Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts entstanden sind, lehrt. Karl Preis, der damalige Stadtrat, Wohnungsbaureferent und Gründer der Gewofag, ist ein wichtiges Vorbild. Einfache architektonische Details, wie vor der Fassade liegende Regenrinnen aus Kupferblech gliedern die lang gestreckten Häuserfronten des Quartiers in Neuhausen. Mit relativ einfachen Maßnahmen kann man also viel erreichen.

Die guten Ideen von früher dienen als Vorbild

Dazu gehören auch besonders gestaltete Eingänge und Treppenhäuser oder die architektonische Betonung von Ecksituationen an Gebäuden. "Die Einfachheit, Robustheit und Werthaltigkeit früherer Wohnungsbauten begeistert unsere Mieter auch heute noch", sagt Hardi. Das dient für ihn als Vorbild. Denn Einfachheit bedeutet auch eine Vereinfachung der internen und externen Prozesse. "Zurück zu den Wurzeln" heißt für die Manager, dass man alte Gewohnheiten und eingeschliffene Arbeitsabläufe kritisch betrachtet und Unnötiges über Bord wirft: "Wir müssen nicht immer alles neu erfinden, sondern können an Bewährtes anknüpfen."

Als Musterbeispiel für das neue Denken in der Baupolitik der Gewofag gilt der sogenannte Stelzenbau - die Überbauung des Parkplatzes am Dantebad. Im Dezember vergangenen Jahres ist dieses von Florian Nagler Architekten entworfene Wohngebäude fristgerecht fertig geworden. So schnell wie hier wurde in München noch nie gebaut. Hier kamen die Prinzipien Einfachheit und Wiederholung von vorgefertigten Elementen voll zur Geltung. Auch vom Erscheinungsbild her bietet dieses Haus im Programm "Wohnen für Alle" Beachtliches. Die Gewofag zeigt damit, in welche Richtung es künftig gehen kann.

Auch Neuperlach und Taufkirchen bekommen überbaute Parkplätze

Ein weiteres Pilotprojekt wartet schon. Dabei geht es um jeweils zwei Bauvorhaben in Neuperlach und in Taufkirchen. Großflächige Parkplätze in Siedlungen aus den Sechzigerjahren sollen überbaut werden. Erkenntnisse aus dem Projekt Dantebad werden hier einfließen. Vier Kriterien stehen für Dengler und Hardi immer im Mittelpunkt: "Kostengünstiger Mietwohnungsbau, Robustheit und Werthaltigkeit im Bestand, soziale Nachhaltigkeit im Quartier und eine hohe Identifikation der Bewohner mit ihrem Umfeld."

Die Gewofag verfügt in München über rund 35 000 Wohnungen. Die größten Siedlungen sind in Neuhausen, Ramersdorf und Giesing. Der durchschnittliche Quadratmeter-Preis für eine Mietwohnung liegt bei sieben Euro. In den kommenden fünf Jahren sind Investitionen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro geplant. Dengler und Hardi sind überzeugt, dass ihr neues Programm "Zurück zu den Wurzeln" einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung der Wohnungsnot leistet - ohne dass die Baukultur durch die angekündigte "Billigstrategie" ins Hintertreffen gerät.

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