Wohnen in München:Kampf um die letzten freien Flächen

Wohnen in München: Stefan Wiegand, Geschäftsführer des größten Grundstücksentwicklers Münchens fordert dichtere Bebauung oder Umstrukturierungen von bisher anders genutzten Flächen.

Stefan Wiegand, Geschäftsführer des größten Grundstücksentwicklers Münchens fordert dichtere Bebauung oder Umstrukturierungen von bisher anders genutzten Flächen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

1,6 Millionen Menschen werden bis zum Jahr 2020 in München leben. Das dürfte die schwierige Lage auf dem Wohnungsmarkt noch verschärfen. Der größte Grundstücksentwickler der Stadt kritisiert nun die Münchner, die sich gegen noch dichtere Besiedelung aussprechen.

Von Alfred Dürr und Katja Riedel

Der anhaltende Zuzug nach München und die Wohnraumknappheit sind seit Jahren die beherrschenden Themen in der Stadt. Nun meldet sich der größte Grundstücksentwickler Münchens zu Wort, und seine Warnung ist deutlich: Wenn die Münchner dichtere Bebauung oder Umstrukturierungen von bisher anders genutzten Flächen nicht akzeptierten, "dann steigen die Mieten ins Unermessliche", sagt Stefan Wiegand, Geschäftsführer von Aurelis und zuständig für München, Nürnberg und Augsburg.

Bis zum Jahr 2030 brauche München rund 80 000 neue Wohnungen, habe aber nur Flächenreserven für 50 000. Die Aurelis Real Estate, an der seit 2007 der Baukonzern Hochtief und der Immobilienfonds Redwood Grove International beteiligt sind, verfügt in ganz Deutschland über einen großen Bestand von innenstadtnahen Flächen. Überwiegend stammen diese Grundstücke aus dem ehemaligen Besitz der Bahn.

Dichtere Bebauungen dürften kein Tabu sein, sagt Wiegand. Er rede damit nicht einem "bedingungslosen Zubetonieren" das Wort. Aber bei vielen Bauprojekten organisiere sich der Widerstand der Nachbarn sehr schnell. Einzelinteressen dürften nicht über den Interessen der Masse jener stehen, die eine erschwingliche Wohnung suchten. "Wer nach München ziehen will, hat keine Lobby, die seine Wohnungsinteressen vertritt."

München bleibt weiter sehr attraktiv, der Zuzug in die Stadt ist ungebrochen. Intern rechnet die Verwaltung inzwischen mit einem Szenario von 1,6 Millionen Bewohnern im Jahr 2020. Erst in der vergangenen Woche hat die Stadtregierung ein Bündel geschnürt, das den Wohnungsbau vorantreiben soll. Das Grundproblem kann die Politik jedoch nicht beheben: Die Flächen für den Wohnungsbau innerhalb der Stadt gehen aus. Diesen Engpass, der noch auf lange Frist zu teuren Mieten und hohen Kaufpreisen für Wohnungen führt, nehme die Stadtgesellschaft noch nicht ausreichend wahr, bemängelt der Aurelis-Chef.

In München war die Aurelis hauptsächlich entlang der Bahnachse Hauptbahnhof-Laim-Pasing aktiv, ihre größten Projekte sind aktuell das Quartier Paul-Gerhardt-Allee an den Bahngleisen in Pasing und das frühere Bahnausbesserungswerk in Neuaubing, das ein modernes Arbeits- und Wohnviertel im Münchner Westen werden soll. Doch damit ist inzwischen ein Großteil der Entwicklungsarbeit an der Bahnachse geleistet.

Weniger Wohnungen wegen Mangel an Grundschulplätzen

Die größten noch verfügbaren Flächen liegen derzeit in den Händen der städtischen Entwickler: Neben den ehemaligen Kasernenarealen, dem Großprojekt Freiham im Westen und dem nächsten Bauabschnitt in der Messestadt Ost ist dies auch das Gelände rund um den Ostbahnhof - eines der letzten großen Areale in Innenstadtnähe mit Bahnanbindung. Ausgerechnet dort lieferte die Verwaltung Kritikern zuletzt eine Steilvorlage: Musste doch auf dem Grundstück der Wohnungsbau um 300 bis 400 Wohnungen gedeckelt werden, weil es im Münchner Osten nicht genug Grundschulplätze gibt. Jetzt muss die Stadt erst ihre Bildungsplanung komplett überarbeiten, bevor dort vielleicht doch mehr Wohnungen gebaut werden dürfen.

Der Fall demonstriert, wie der sich stetig beschleunigende Zuzug die Stadt vor große Herausforderungen stellt - ganz besonders das Bildungsreferat, das kaum nachkommt, die soziale Infrastruktur für die wachsende Stadt zur Verfügung zu stellen. Auch für diese Bauten - Betreuungseinrichtungen und Schulen - geht wiederum Fläche verloren. "Wir unterliegen immer der Auflage, aus dem vorhandenen Grundstück das Größtmögliche herauszuholen", sagt Ursula Oberhuber, Sprecherin des Referats für Bildung und Sport. Wie groß der Flächenbedarf für einen solchen Neubau sei, hänge vom jeweiligen Baurecht ab, das auf dem betreffenden Grundstück gilt. "Wegen der verdichteten Flächen müssen wir da sehr kreativ sein", sagt Oberhuber.

Aurelis-Geschäftsführer Wiegand kritisiert indes nicht nur die Haltung mancher Münchner gegen dichtere Besiedelung. Auch die Haltung vieler Umlandgemeinden hält er für viel zu starr. Sein Unternehmen sei jederzeit bereit, Grundstücke in der Region zu erwerben: "Wir haben viele Gespräche geführt, aber Bürgermeister sagen uns immer wieder, unsere Wähler wollen das nicht." Man wolle sich dörfliche Strukturen nicht durch neue Wohngebiete zerstören lassen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: