Wohnen:Beschauliches Leben

In den 1970ern entstehen unter anderem in Maisach neue Wohnviertel. Manche Bewohner sind immer noch dort.

Von Ariane Lindenbach

Auf einer Terrasse in der Arnikastraße in Maisach sitzt eine Frau, Mitte 40, und topft Geranien um. Die Vögel zwitschern, in einem der anderen Gärten hört man Kinder spielen. Die Frau will nicht namentlich genannt werden, aber gerne erzählen, wie es sich anfühlt, in der Maisacher "Eiwo-Siedlung" zu wohnen. Sie lebe praktisch schon ihr ganzes Leben dort, erzählt sie. Als Kind ist sie mit ihren Eltern in das 1977 erbaute Haus am nördlichen Rand von Maisach eingezogen. Heute lebt sie mit ihrer eigenen Familie dort, ihre Eltern sind ausgezogen. Nur als Studentin hat sie woanders gelebt.

Maisach: Siedlungsbau / Eiwo-Siedlung / Neubau-Siedlung

Das neue und das etwas ältere Maisach grenzen aneinander.

(Foto: Johannes Simon)

Ein paar Häuser weiter wohnt noch eine Freundin aus ihrer Kindheit. Auch viele der anderen Bewohner kenne sie schon seit Jahrzehnten: Es wohnten viele alte Frauen allein in ihren Häusern hier, sagt sie. Allerdings seien in letzter Zeit auch ein paar junge Familien mit kleinen Kindern in das Viertel gezogen, das in den Siebzigern Maisachs Neubaugebiet war. Vor einigen Jahren hatte Bürgermeister Hans Seidl in der Diskussion um den Bau des Seniorenwohnheims angeführt, dass in der Siedlung in vielen Häusern ältere Ehepaare oder alleinstehende Senioren lebten, die sich gerne räumlich verkleinern würden, wenn es denn eine Alternative gäbe.

Maisach: Siedlungsbau / Eiwo-Siedlung / Neubau-Siedlung

Hier der ältere Ortsteil.

(Foto: Johannes Simon)

Diese Alternative für ältere Menschen gibt es inzwischen in Form der Seni-Vita-Häuser für Senioren in Maisach sowie dem etwas kleineren Ortsteil Gernlinden. Des weiteren ist in der 14 000-Einwohner-Kommune von 2012 an ein weiteres Wohngebiet entstanden: Maisach-Ost. Es schließt an der östlichen Ortsgrenze direkt an die Eiwo-Siedlung an.

Mit einem solchen Neubaugebiet war Maisach vor 40 Jahren freilich nicht alleine. Beginnend in den Sechzigerjahren, erlebten München und das ganze Umland einen Boom. Überall wurde gebaut. Wegen der Olympischen Spiele 1972 in München wurde viel in die Infrastruktur investiert. Neben der Fußgängerzone zwischen Marienplatz und Stachus entstanden auch U- und S-Bahn-Netz. Und mit den S-Bahnhöfen im Umland entstanden dort auch die Neubaugebiete. In jedem Ort, die einen eigenen Bahnhof bekam, wurden neue Quartiere gebaut. Innerhalb weniger Jahre zogen dort oft viele Leute hin.

Maisach: Siedlungsbau / Eiwo-Siedlung / Neubau-Siedlung

Altbürgermeister Gerhard Landgraf wohnt mit seiner Familie seit Jahrzehnten dort.

(Foto: Johannes Simon)

Egal, wohin man im Umland blickt, die Siedlungen sind sich sehr ähnlich. Die Straßen tragen häufig die Namen von Blumen, Bergen oder Dichtern. Die Erschließung zu den Häuserzeilen erfolgt über Fußwege. Was dazu führt, dass irgendwo ein Garagenhof steht. Nicht selten schmückt der ein oder andere Verschönerungsversuch eine solche Batterie grauer Stahltore: eine Palme am Sandstrand oder ein Comicheld, von einem kreativen Bewohner mit Farbe auf dem Metall verewigt. Freilich hören die Ähnlichkeiten bei der Architektur nicht auf. In den meisten dieser Siedlungen stehen Reihenhäuser im typischen Stil der Siebziger mit Spitzgiebeln und dunkel gedeckten Dächern, mit kleinen Vorgärten und Terrasse und Balkon auf der Rückseite. Obligatorisch sind auch die den Garten umgrenzenden Hecken, meist sind Thujen dicht an dicht gepflanzt.

Maisach: Siedlungsbau / Eiwo-Siedlung / Neubau-Siedlung

Beschaulichkeit in der Eiwo-Siedlung.

(Foto: Johannes Simon)

Als Maisach 1972 einen S-Bahnhof bekam - damals übrigens als Endstation - war der erste Bauabschnitt des damaligen Neubaugebiets schon realisiert. Die Siedlung entstand, von München kommend, direkt am östlichen Ortseingang, gleich hinter einer Häuserzeile mit einem ehemals landwirtschaftlich genutzten Gebäude und ein paar Häusern unterschiedlicher Baujahre. Der erste Teil wurde entlang der Krokusstraße mit etwa hundert Häusern gebaut.

Altbürgermeister Gerhard Landgraf lebt seit vielen Jahren am Rand dieser Siedlung. Sein Vorgänger hatte die Eiwo-Siedlung noch geplant. Wie er sich erinnert, war er damals bei ihrem Bau noch in der Bauverwaltung des Rathauses tätig; zwischen 1972 und 2008 war er Rathauschef.

Als Landgraf 1963 als Mitarbeiter der Rathausverwaltung nach Maisach kam, gab es in dem Ort gerade einmal drei asphaltierte Straßen, erinnert er sich. Landgraf wurde 1972 zum Bürgermeister gewählt. Die Bauabschnitte zwei und drei, die sich nördlich und westlich an das Quartier anschlossen, wurden 1977 und 1978 realisiert.

"Maisach hat sich sehr entwickelt, auch von den Grundstückspreisen", stellt der Altbürgermeister fest. "Für 100 000 D-Mark damals hat man ein Reihenhaus bekommen, und heute werden sie für 350 000 Euro verkauft." Er selbst kaufte 1970 am Rand der entstehenden Eiwo-Siedlung ein Grundstück und baute in Eigenregie ein Haus. Mit seiner Frau Helga und Sohn Florian, 32, lebt er immer noch da. Seine Schwiegermutter verbrachte dort die letzten zehn Jahre ihres Lebens.

In einem Vorgarten an der Krokusstraße pumpt ein Mann ein Fahrrad auf. Er sei vor ein paar Jahren wieder hergezogen, zu seiner Mutter, nachdem sein Vater gestorben war. Er ist 55 Jahre alt und 1971 als Neunjähriger mit seinen Eltern und den beiden jüngeren Geschwistern eingezogen. Die Familie zog damals aus Hessen nach Bayern, weil der Vater in München eine gute Anstellung gefunden hatte. Er lebe gerne hier, alles sei so "beschaulich". Noch hat Landgraf morgens einen freien Blick auf den Sonnenaufgang. In drei Jahren, wenn der zweite Bauabschnitt des angrenzenden Wohngebiets Maisach-Ost realisiert wird, ist das vorbei. Aber das störe ihn nicht, sagt er, schließlich müsse der Ort ja wachsen. Maisachs Ortsrand ist mit dem neuen Baugebiet mit seinen modernen Einfamilien- und Doppelhäusern ein gutes Stück nach Osten gewandert. Der Abstand nach Gernlinden, das so genannte Trenngrün, schrumpft.

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