Wohndesign:Die Möbel-Avantgarde

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Ein Damenzimmer, hergestellt von den Vereinigten Werkstätten nach einem Riemerschmid-Entwurf.

(Foto: Stadtmuseum)

Die "Vereinigten Werkstätten" schufen nobles Interieur

Von Philipp von Nathusius

Bis ins Jahr 1991 existierte am Amiraplatz eines der nobelsten Einrichtungshäuser Europas: die Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk. Der Ursprung des Unternehmens geht zurück auf die VII. Internationale Kunstausstellung im Jahr 1897 und zwei Jugendstilzimmer aus der Abteilung Kleinkunst, Katalognummern 24 und 25. Eine Gruppe junger Münchner Künstler und Architekten um Richard Riemerschmid, Hermann Obrist und Martin Dülfer sorgt mit dem Ensemble im Glaspalast für Furore. Die Kunstwelt stilisiert die beiden Interieurs zu nicht weniger als der Wiege modernen Wohndesigns.

Wenige Monate nach der Ausstellung unterzeichnen Riemerschmid und seine Mitstreiter die Gründungsdokumente der GmbH. Mehr als 100 000 Mark Stammkapital bringen sie auf. Hochqualitativ sollen die Werkstücke sein, eine neue Alltagsästhetik zum Ausdruck bringen. Die Firma vergibt Aufträge an beteiligte Manufakturen, kauft Werke befreundeter Künstler an und kümmert sich um Werkschauen. Auf der Pariser Kunstausstellung im Jahr 1900 werden die Münchner Entwürfe gefeiert. Noch heute gelten Möbel wie Riemerschmids Musikstuhl als Stil-Ikonen. Doch das geldige München der Jahrhundertwende findet die teuren Entwürfe zu avantgardistisch, zu modern. Nach wenigen Jahren verlassen Obrist und auch Riemerschmid das Unternehmen. Die Vereinigten Werkstätten passen sich dem konservativen Geschmack der Oberschicht an - und haben Erfolg. Bereits zehn Jahre nach der Gründung beschäftigt die Firma, inzwischen eine AG, an den Standorten Berlin, Köln, München und vor allem Bremen mehr als 600 Mitarbeiter. Aufträge aus dem Schiffsbau sorgen für volle Bücher.

Später lassen die Nazis ihre Protzbauten von den "Vereinigten" auskleiden, die High Society der 50er- und 60er-Jahre lässt das Innere ihrer Yachten in München nach Maß fertigen. Produziert wird in der Riedlerstraße, verkauft im Stammhaus am Amiraplatz. Heute residiert dort eine Nachfolgegesellschaft. Sie verwaltet die verbliebenen Firmenimmobilien, im München der Gegenwart ein einträglicheres Geschäft als das mit Sofas, Seidengardinen und Schränken.

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