Wochenmarkt oder Computer:Da sein, wo der Kunde ist

Im Moment werden nur wenige Lebensmittel im Internet gekauft

Von Katharina Kutsche

Im Regal stehen Packungen mit Kaffee und Keksen, Salz und Saft, Pralinen und Pudding - alles Markenartikel, versteht sich, und geschützt von einer rot-weiß gestreiften Markise. Auf dem Tresen davor ist Obst und Gemüse angerichtet, Birnen, Tomaten, Paprika. So ein Kaufmannsladen für Kinder hat eine erstaunliche Auswahl. Allein: Er entspricht nicht der Realität und das seit über 60 Jahren.

"Die größte Revolution im Lebensmittelhandel war die Einführung der Selbstbedienung", sagt Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbands Bayern (HBE). In der Münchner Stadtchronik markiert der 8. November 1949 diese Veränderung: "In der Schützenstraße wird dieser Tage Münchens modernstes Frucht- und Weinhaus eröffnet. Es ist das erste Geschäft in München, welches nach amerikanischem Vorbild zur Selbstbedienung übergeht." Über die Jahrzehnte hinweg hat sich das Kaufverhalten immer wieder verändert. Die Verwurzelung des Kaufmanns in seinem Viertel ist geringer geworden, dabei gilt für Lebensmittelhändler nach wie vor: "Da sein, wo der Kunde ist." Doch das, so sagt Ohlmann, sei heutzutage nun mal im Internet.

Das bedeute jedoch nicht zwangsläufig, dass Lebensmittel zunehmend online gekauft würden, dies belegen auch Zahlen des Statistik-Portals Statista. Bisher kaufen die Deutschen lediglich 0,6 Prozent der Lebensmittel im Internet. Einer weiteren Umfrage zufolge gaben 93 Prozent der Befragten an, Lebensmittel lieber im klassischen Einzelhandel kaufen zu wollen anstatt online. Begründung: Zweifel an der Frische der Lebensmittel und der Wunsch, die Produkte sofort zu haben statt auf die Lieferung warten zu müssen.

Aber der sofortigen Verfügbarkeit sind gerade in München Grenzen gesetzt: Das bayerische Ladenschlussgesetz sieht Öffnungszeiten bis maximal 20 Uhr vor. Sonderregelungen gibt es nur für Geschäfte am Hauptbahnhof und Tankstellen. Auch der Flughafen hat eine spezielle Genehmigung, dort betreibt Edeka zwei Filialen, in denen bis 22 Uhr beziehungsweise 24 Uhr eingekauft werden kann. Wer außerhalb der Ladenöffnungszeiten Lebensmittel braucht, hat immer noch den Kiosk. Aber wird das genutzt? "Nein", sagt Alexander Vesely vom Kiosk Münchner Freiheit. Dort hat er zwar Lebensmittel im Angebot, aber sie machen nur ein Prozent seines Verkaufs aus. Bei ihm bekommen Kunden "alles, was sie abends zum Kochen brauchen, aber vergessen haben, einzukaufen." Das heißt Milch, Eier, Käse, Spaghetti, Salz. Diese Notfallwaren machten gerade mal drei Regale aus, sagt Vesely. Große Supermärkte dagegen haben heute etwa 30 000 Artikel im Angebot - so viel Auswahl gab es noch nie. Und die möchte die Kundschaft auch sehen, sagt Ohlmann. Schöner einkaufen, das heißt ein größeres Warenangebot, ansprechend präsentiert. Das bedeutet größere Verkaufsflächen, was in Innenstädten schwer zu realisieren ist. Doch der Entwicklung, große Märkte am Stadtrand zu bauen, wirkt der Trend der Reurbanisierung entgegen. Immer mehr Menschen möchten in ihrem Stadtteil einkaufen, gern auch zu Fuß. Darauf haben sich Händler wie Rewe inzwischen eingestellt.

Der Laden von heute sollte vor allem Biowaren und regionale Produkte führen, sagt Ohlmann. Auch Artikel für Singles oder Berufstätige, die mittags schnell einkaufen, sind gefragt. Und wie sieht die Zukunft aus? Für Ohlmann ist das der "intelligente Einkaufswagen": Der Kunde schickt den Einkaufszettel per App an den Wagen und wird von diesem von Regal zu Regal geführt - mit Zusatzempfehlungen: "Du hast Nudeln gekauft, brauchst Du auch Parmesan?"

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