Wissenschaft:Modern und selbstbewusst

Die Forschung hat in Weihenstephans grünem Zentrum eine lange Tradition - und gute Zukunftsaussichten.

Von Katharina Aurich, Freising

Mit dem Namen Weihenstephan verbindet man weltweit einen modernen Forschungsstandort, an dem Antworten auf die Herausforderungen in der Landwirtschaft, Ernährungssicherung und Lebensmitteltechnologie gesucht und junge Wissenschaftler und Praktiker ausgebildet werden. In den vergangenen 40 Jahren hat sich der Freisinger Campus enorm verändert, und fast jedes Jahr kommen neue, moderne Gebäude dazu, die auch architektonisch zeigen, dass hier für die Zukunft gelehrt und geforscht wird - ohne jedoch die lange Tradition Weihenstephans, die mit der Gründung der ältesten Brauerei der Welt und einer Landwirtschaftsschule begann, zu vergessen.

Anfang der Siebzigerjahre hatte die bayerische Staatsregierung entschieden, in Weihenstephan aus den unterschiedlichen Institutionen, die sich schon seit Jahrzehnten und oder sogar eineinhalb Jahrhunderte dort befanden, einen "grünen Campus" aufzubauen und inhaltlich zu vernetzen. Dazu gehörten die beiden Fakultäten der TU München, die neu gegründete Fachhochschule Weihenstephan und die staatlichen Forschungsanstalten mit ihren Versuchsflächen, Gewächshäusern und Schaugärten.

Im Freisinger Stadtrat war man damals über die baulichen Aktivitäten des Freistaats nicht erfreut. Man wolle sich nicht weiter auf der Nase herumtanzen lassen, ärgerte sich Oberbürgermeister Adolf Schäfer im November 1977. Ständig entstünden Neubauten, aber niemand plane die Straßenanbindungen dafür. Im Gegenteil, ein Raumordnungsverfahren für den Bereich Thalhauser- und Wippenhauser Straße sei sogar durch den Einspruch Weihenstephans blockiert worden.

Einweihung Zentrum für naturwissenschaftliche Grundlagen

Wieder ein Neubau: Im Herbst wurde das Zentrum für naturwissenschaftliche Grundlagen der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf eingeweiht.

(Foto: Lukas Barth)

Ein weiteres Ärgernis in dieser Zeit war offensichtlich, dass Weihenstephan seine stadtnahen Versuchsfelder gegen eine Wohnbebauung verteidigte. Von Seiten der Hochschule war man bemüht, die Wogen zu glätten. Man wolle sich nicht abschotten und Spaziergänger auf den Wegen rund um den Lehrberg würden nicht als lästig empfunden, versicherte der damalige Verwaltungschef.

Das Klima zwischen der Stadt und dem "grünen Zentrum" hat sich 40 Jahre später normalisiert. Man schätze einander und arbeite zusammen, betonen TU-Präsident Wolfgang Herrmann und Freisings Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher in schöner Regelmäßigkeit, wenn sie wieder einmal ein neues Gebäude am Campus gemeinsam einweihen.

Vor 40 Jahren drängten junge, wissbegierige Menschen nach Weihenstephan, um dort zu studieren, aber der Platz reichte bei Weitem nicht aus. Im Studienjahr 1977/78 waren an den damals zwei TU-Fakultäten rund 2000 Studenten eingeschrieben und genau so viele Bewerber mussten abgelehnt werden. Allein für den Studiengang Gartenbau und Landespflege hatten sich 1150 junge Leute beworben, 95 wurden neu zugelassen. Der Freistaat kam mit dem Bauen kaum nach; 1977 entstanden das zentrale Hörsaalgebäude und ihm gegenüber die Mensa mit rund 1000 Plätzen.

Im Jahr 2000 strukturierte sich die TU München neu und schloss ihre inzwischen drei Fakultäten am Standort Freising zusammen - 1999 waren die Forstwissenschaftler dazu gekommen, die bis dahin zur Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) gehörten. Auch die Biologie aus Garching und München wurde integriert. Die Tiermediziner der LMU hatten sich allerdings bereits 1977 erfolgreich gegen einen Umzug nach Weihenstephan gewehrt.

Die neuen Gebäude der TU in Weihenstephan kündeten vom wachsenden Selbstbewusstsein und der Stärkung des Forschungsstandorts: Im Jahr 2000 entstand das Zentralinstitut für Ernährung und Lebensmittelwissenschaften, 2003 die neue Bibliothek. Auch an die Betreuung des Nachwuchses der Mitarbeiter und Studenten wurde gedacht und die "Kindervilla" gebaut. 2013 weihte die TU gleich zwei markante Gebäude ein, das Internationale getränkewissenschaftliche Zentrum sowie das Hans-Eisenmann-Zentrum. Neben den klassischen "grünen" Themen stehen inzwischen auch Fragen der Molekulargenetik oder die Zusammenhänge von Ernährung und Stoffwechselerkrankungen im Fokus. 5500 Studenten sind mittlerweile an der TU in Weihenstephan eingeschrieben.

Wissenschaft: SZ-Grafik

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Ähnlich rasant stiegen die Studentenzahlen an der Fachhochschule: Im Wintersemester 1977/78 waren 1800 Studierende eingeschrieben, von 1634 Bewerbern erhielten nur 547 einen der begehrten Studienplätze. Sie heißt heute Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT). Inzwischen studieren dort allein am Standort Freising 4200 junge Leute.

Auch die HSWT hat viel gebaut: 1995 weihte man das neue Bibliotheksgebäude ein, auch das Lehrgebäude für den Studiengang "Umweltsicherung" wurde fertiggestellt. 2005 wurde das Lehrgebäude an der Pappelallee eröffnet, im Oktober 2016 folgte das Zentrum für naturwissenschaftliche Grundlagen an der Vöttinger Straße.

Die Fußgängerbrücke über die Vöttinger Straße, einst der Stolz der Architekten und als "Tor nach Weihenstephan" geplant, ist inzwischen abgerissen. Eine längere Fußgänger-Verbindung entsteht derzeit an der Thalhauser Straße. Vielleicht wird diese Brücke, die 2018 fertig sein soll, dann zum neuen Wahrzeichen Weihenstephans .

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