Wirtshaus Tading:Tradition mit Zeitgeist gepimpt

4. Kapitel Tading Wirtshaus

Ländliche Lockerheit: Das Wirtshaus Tading.

(Foto: ERD)

Im Wirtshaus Tading im Landkreis Erding setzt man auf eine Mischung aus Traditionellem und Modernen - und das funktioniert bestens.

Ivan Lende

Dieser Artikel ist leider nicht mehr aktuell, da das Wirtshaus mittlerweile geschlossen ist.

Es kann schon sein, dass es mal laut wird. Wenn zum Beispiel die Scheißleitnmusi zum Salzkammergut-Landler hier schuhplattelt. Auf dem Gang von der Wirtsstube vorbei an den Toiletten ins "Smokers Paradise", einem kleinen, verschwiegenen Hintergarten, hängt auch noch ein Plakat von Attwenger, jenem famosen Alpenrock-Duo, das einst den Punk mit der Steirischen spielte.

Einer der Köche trägt das Haar zum Zopf gebunden und im Biergarten gibt es Kaffee nur im Kännchen anstelle eines ordentlichen Cappuccinos. Zählt man all die Eigenarten dieses einzigartigen Landgasthofs zusammen, dann kann man mit Fug und Recht behaupten: Das Wirtshaus Tading ist ein Spiegelbild aller aktuellen kulturellen bayerischen Bewegungen, die die Biermösl-Blosn vor gut drei Dekaden miterfunden und die sich seither auch in Literatur, Film und Tanz und allgemeiner Lust an der Verbindung zwischen Tradition und Zeitgeist breitgemacht haben. Man denke nur an "Wer früher stirbt..." oder den Erfolg des Zwiefachen bei einschlägigen Tanzveranstaltungen, auch hier in Tading.

Nun könnte man die redaktionelle Bearbeitung des Tadinger Wirtshauses allein schon mit den Kostproben-relevanten Sujets Speis und Trank rechtfertigen. Doch dienen diese letztlich fast ausschließlich lobenden Zeilen auch dazu, dem Hause den wunderbaren kleinen Biergarten vielleicht doch noch zu retten. Selbiger läuft Gefahr, so erfährt man es beim Gespräch mit einheimischen Bauern, als Bauland von der Gemeinde verscherbelt zu werden, womöglich noch an einen Stodara, wie die Bewohner Münchens im Umland gerne genannt werden. Es wäre eine Kastration des Wirtshauses, denn hier sitzt es sich wie im Paradies.

Nun aber zu dem, was in Biergarten respektive in der Wirtsstube kredenzt wird, wobei zu dieser anzumerken wäre, dass natürlich auch sie in ihrer Ausgestaltung ganz der zeitgeistigen Mixtur aus Altem und Neuem genügt: Niedrig ist sie und heimelig, obwohl von Halogenlichtern bestrahlt, schwere hölzerne Tische stehen da in angenehmer Lockerheit. Über der Bar, an der ab und an auch jener Bauer sitzt, der die Geschichte von der drohenden Metamorphose des Biergartens erzählte, prangen bunte Kinderbilder, an den Wänden hängt, so sagen Lendes kundige Begleiter, sehr bemerkenswerte moderne Kunst. Ideal ist die Zeit des Aperitivs - Prosecco mit Holundersaft gepimpt -, um sich ihr hinzugeben. Spätestens jetzt merkt der Wirtshausgänger auf: ein Aperitiv?

Die Speisekarte ist klein, übersichtlich und aufschlussreich, was die Philosophie des Hauses betrifft. Da stehen die gegrillte Forelle (zweimal perfekt gelungen, um die 15 Euro) oder der absolut unlangweilige Wurstsalat (7.50) neben dem Perlhuhn auf Lauch-Zucchinigemüse (7 Euro), was nicht eben dorfwirtshaustypisch ist. Nach dem "Magntratzerl" genannten Amuse Gueule, unprätentiöse kleine Leckereien, kommt die Kürbissuppe mit gerösteten ebensolchen Kernen, wobei nur die Hälfte püriert ist, so dass die fleischige Frucht noch kräftig schmeckt (6.50).

Oder das Carpaccio vom Reh, eine auf der Zunge zergehende Köstlichkeit vom Rücken, die einmal allerdings einen allzu kräftigen Schuss Essig abbekam (9.50). Wer die Flädlesuppe wählte, lobte deren Naturgeschmack (4.50), und die gefüllte Wachtel auf Maronigemüse mit Feldsalat wies deutlich auf die Ambition der Küche hin, Bayern als Zentrum südeuropäischer Küche zu betrachten, wobei das nicht ganz so zarte Vitello tonnato assistierte.

Das geht nicht ohne Risiko ab, so schämte sich jener in der Runde, der Lende einst nach Tading verschleppte, fast, als er sowohl Tagliatelle als auch Steinpilze mit dem Wort "lätschert" kritisieren musste, atmete aber auf, als man ihm versicherte, das letzte Mal sei diese Kombination vorzüglich bissfest und gschmackig gewesen (12.50). Das provencalische Huhn (11.00), sicher nicht aus Frankreich angekarrt, sondern aus der Region, war saftig, fein gewürzt, umrankt mit bissfestem Gemüse und getaucht in eine Weißweinsoße, für die die Genießerin das Wort "fluffig" erfand, was einem Bayern wohl nie eingefallen wäre.

Der aß, wie es sich gehört, die Ente mit Blaukraut und Spätzle, eine gar treffliche Wahl. Wie oft musste er sich über zähe, wohl verdurstete Entenvögel ärgern, hier aber zögerte er jeden Bissen hinaus, um nur keine Geschmacksnuance zu verpassen. Dazu das perfekt süßsaure Blaukraut, liebevoll mit einem ganzen Blatt abgedeckt (15,00)! Nun gut, die Spätzle waren in der Pfanne reanimiert worden, aber das ist legal.

Auch die Nachspeisen changieren zwischen Zwetschgendatschi, an dem es nichts zu kritisieren gab, und Feigen im Teigmantel. Die Gerichte der Tageskarte gibt es auch kleiner portioniert als drei- und viergängige Menüs, für Hungrige eine kostengünstige Alternative.

Natürlich trinkt man hier nicht nur Bier. Die Weinkarte ist nicht groß und nicht besonders aufregend. Doch sowohl Zweigelt als auch Dornfelder, Grüner Veltliner und der Weiße aus Orvieto mundeten, selbst wenn sie keinen tieferen Eindrücke hinterließen. Solch einen nimmt man eher mit vom bayerischen Gesamtkunstwerk Wirtshaus Tading, wofür man gerne weit in den Osten reist.

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