Wirtschaftskraft in München:Mehr, mehr, mehr - aber nicht für alle

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Etwas kaputt? Ein Hausmeister muss sich um vieles kümmern, oft auch um kleinere Reparaturen.

(Foto: Imago)
  • Wirtschaftsreferent Josef Schmid erwartet für das Jahr 2015 mit 2,3 Milliarden Euro die höchsten Gewerbesteuereinnahmen der Münchner Geschichte.
  • Jeder Münchner hat dabei im Durchschnitt eine Kaufkraft von 26 689 Euro.
  • Doch nicht alle Menschen, die in München leben, profitieren von den stetig steigenden Einnahmen.

Von Katja Riedel

Zwischen dem Ober- und dem ihm unterstellten Zweiten Bürgermeister, zwischen Dieter Reiter und Josef Schmid also, gibt es viele Unterschiede. Die Parteizugehörigkeit zum Beispiel, von der SPD der eine, von der CSU der andere. Es gibt aber auch eine gewisse Schnittmenge, und zu der gehört ein Termin, den Schmid von Reiter geerbt hat, der jetzige vom ehemaligen Wirtschaftsreferenten. Es ist ein Termin, der nur oberflächlich betrachtet durchweg angenehm erscheint - tatsächlich aber Jahr für Jahr verdeutlicht, wie gespalten München ist, wie sich die Stadt durch ihr Wachstum, durch ihren immer größer werdenden Reichtum verändert. Wer daraus Gewinn schlägt, wer verliert. Und wie rasant all das passiert.

Es geht um den städtischen Jahreswirtschaftsbericht, so heißt jenes knapp 80 Seiten starke Buch, das die Zahlen zu all den gefühlten Wahrheiten liefert, die sich aus den Wirtschaftsnachrichten der Unternehmen, der Wirtschaftsverbände und aus den staatlichen und städtischen Quellen speisen. An diesem Donnerstag hat Josef Schmid diesen Bericht zum zweiten Mal vorgestellt. "München weiter auf Wachstumskurs", das habe er ganz bewusst als Überschrift gewählt, sagt er. Zwei Zahlen verdeutlichen dieses Wachstum eindrucksvoll: Schmid erwartet für 2015 die höchsten Gewerbesteuereinnahmen der Münchner Geschichte, 2,3 Milliarden Euro. Ein Zeichen, dass es Münchner Unternehmen gut geht - und gut ist das für die Stadt, die so einen großen Teil ihrer mehr als sechs Milliarden Euro zusammenbekommt, die jährlich in ihren Haushalt fließen.

In München gibt es viele Menschen die viel verdienen

Die andere Zahl, die zum Beispiel für alle Händler wichtig ist, die den Münchnern etwas verkaufen wollen, beziffert sich auf 26 689. Es handelt sich um Euro, und es ist die Kaufkraft des durchschnittlichen Münchners. Sie ist in München um deutlich mehr als ein Drittel höher als im bundesdeutschen Durchschnitt. Binnen eines einzigen Jahres hat sie sich von diesem deutschen Durchschnitt um weitere 7,5 Prozentpunkte entfernt. Und München lässt selbst die zweitplatzierte deutsche Stadt, Düsseldorf, weit hinter sich zurück.

Ist der Münchner also reich? Die steigende Kaufkraft sagt vor allem eines aus: Dass es in der Landeshauptstadt immer mehr Menschen gibt, die sehr viel Geld verdienen. Menschen, die sich München, die steigenden Mieten und Lebenshaltungskosten problemlos leisten können. Und dass es von diesen Gutverdienern in München immer mehr gibt, das zeigt sich auch in der Entwicklung des Arbeitsmarktes. Die Akademikerquote steigt weiter, fast ein Drittel aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten hat ein Studium abgeschlossen - deutschlandweit sind es nur 13,8 Prozent, und selbst andere wirtschaftliche Zentren wie Stuttgart, die Bankenstadt Frankfurt oder Hamburg liegen deutlich hinter München.

Und obwohl im Großraum München in den vergangenen fünf Jahren fast 150 000 neue Jobs entstanden sind, haben nach wie vor etwa 46 000 Menschen keine Arbeit. Für Wirtschaftsreferent Schmid ist das ein Problem. Es gebe einen "gewissen Grundstock an Menschen", bei denen es "unstrittige Vermittlungshindernisse" gebe, sagt Schmid diplomatisch. Zwar will der Stadtrat noch vor der Sommerpause sein Konzept für einen sogenannten dritten Arbeitsmarkt verabschieden, für Menschen, die in der normalen Arbeitswelt keine Chance haben. Doch die Stadt kann auf diese Weise nur 200 Stellen schaffen, nicht 50 000. Und einfache Arbeiten für niedrig Qualifizierte in normalen Unternehmen - die gibt es immer seltener.

Kaum mehr einfache Arbeitsplätze

Tatsächlich ist auch der einfache Arbeiter auf dem Rückzug. Nicht nur, weil er selbst der Stadt den Rücken kehrt, die für ihn zu teuer wird. Sondern auch, weil die Digitalisierung in den Fabrikhallen ganz einfache Handgriffe an Maschinen delegiert, der Mensch muss sie überwachen - und er braucht dafür besondere Qualifikationen, eine gute Ausbildung. Auch diese Jobs, wie die für Ingenieure, übernehmen oft Fachkräfte, die deshalb nach München ziehen. Hinzu kommt ein weiterer Wandel, der mit den hohen Münchner Preisen, auch für Unternehmen, zusammenhängt. Die Zahl derjenigen, die im produzierenden Gewerbe arbeiten, ist im vergangenen Jahrzehnt stetig gesunken. Im aktuellen Wirtschaftsbericht ist die Zahl dieser Beschäftigten zwar noch leicht gestiegen, auf etwa 128 000. Schuld sind jedoch vor allem statistische Effekte.

Die letzten Monate haben gezeigt, dass sich der Trend verstärkt hat, dass die Menschen in Blaumännern in den großen Münchner Unternehmen weniger werden: Siemens hat diesen Wandel, weg von der Produktion, hin zur Verwaltungs- und Entwicklungszentrale, längst vollzogen. Bei MAN werden von etwas mehr als 9000 Arbeitsplätzen etwa 1300 abgebaut. Giesecke und Devrient wird in München bald keine Banknoten mehr drucken. Und auch Knorr Bremse lässt seine Schienensysteme künftig in Berlin, Budapest und China montieren, in München sollen sie entworfen werden. Die Münchner Wirtschaft und der Arbeitsmarkt sortieren stärker aus.

Was er, der Wirtschaftsreferent, dagegen setzen wolle? Die Antwort ist knapp: "Bildung, Bildung, Bildung", sagt Schmid. Für Schulen und Kindertagesbetreuung wird die Stadt bis 2018 1,24 Milliarden Euro ausgeben.

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