Wirtschaft:Wie geschichtsträchtige Gebäude in München kommerziell genutzt werden

Trikots kaufen in einer früheren Kirche, edel essen in der Residenzpost: Vier Beispiele, wie der Kommerz Einzug in der Altstadt hält.

Von Martin Bernstein

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München: Alte Akademie München, Wilhelminum.

Quelle: Stefanie Preuin

Die Alte Akademie ist nicht der einzige historisch bedeutende Gebäudekomplex der Altstadt, in den nach kirchlicher oder staatlicher Nutzung irgendwann der Kommerz Einzug hält. An den dafür nötigen Um- und Neubaumaßnahmen beteiligten sich in den vergangenen 100 Jahren Architekten, die für das Münchner Stadtbild prägend waren. Vier Beispiele:

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Trikots in der Augustinerkirche

München: Ladenpassage im Jagd- und Fischereimuseum.

Quelle: Stefanie Preuin

Das Augustiner-Bier ist dort erfunden worden, Martin Luther hat vielleicht in dem Kloster der Augustinereremiten genächtigt. Die Jesuiten hatten, bevor sie gleich nebenan ihren eigenen riesigen Komplex bauten, begehrliche Blicke auf die attraktive Immobilie der geistlichen Konkurrenz geworfen. Auch Münchens Protestanten wären einst gerne in den gotischen, nach Plänen von Hans Krumpper barockisierten Bau eingezogen.

Heute residiert das Polizeipräsidium im Geviert zwischen Augustiner-, Ettstraße und Löwengrube. Und in der früheren Klosterkirche selbst ist nach dem Umbau durch Erwin Schleich, einen der führenden Architekten der Nachkriegszeit und des Wiederaufbaus, seit 1966das Deutsche Jagd- und Fischereimuseum untergebracht. Möglich wurde die weltliche Nutzung des Klosters und der vor 700 Jahren erbauten Kirche durch die Säkularisation 1803.

Dass aber außer einem Museum im ehemaligen südlichen Seitenschiff der Kirche auch eine ganze Ladenzeile untergebracht werden konnte, ist einem Kunstgriff des Münchner Städteplaners und Architekten Theodor Fischer zu verdanken: Er richtete in den Jahren 1914 und 1915 eine doppelläufige Treppenanlage im ehemaligen Chor ein. Sie verbindet Erd- und Zwischengeschoss und ermöglichte so den Umbau des südlichen Seitenschiffs zu Geschäftsräumen. Wo einst Gläubige beteten, lassen heute Fans des FC Bayern Trikots beflocken.

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Strudel im Theatinerkloster

München: Innenhof des ehemaligen Theatinerklosters.

Quelle: Stefanie Preuin

Nördlich der Theatinerkirche steht das ehemalige Adelspalais Moy, ein dreigeschossiger klassizistischer Vierflügelbau mit Innenhof, 1824 erbaut von Leo von Klenze und noch immer im Besitz der adeligen Familie. Im Parterre des 1950 von Georg Helmut Winkler wieder aufgebauten Stadtpalastes haben mittlerweile ein Mercedes-Showroom und ein Coffeeshop Einzug gehalten.

Auf der anderen Seite der Kirche, im Westteil des ehemaligen Theatinerklosters, hat das bayerische Kultusministerium sein Domizil. Die Barockgebäude aus dem 17. Jahrhundert wurden vor und nach dem Zweiten Weltkrieg zum Teil massiv verändert, der Wiederaufbau erst 1973 abgeschlossen. Alte Stiche zeigen barocke Gartenanlagen im Inneren des mächtigen Klostergevierts.

Davon ist heute nicht mehr viel zu sehen. Dafür bietet dort ein Kaffeehaus Strudel an, ein Lederwarengeschäft schicke Taschen und eine Metzgereikette Fleisch- und Wurstwaren. Doch über all dem thronen die Hüter der weißblauen Bildungspolitik.

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Neubau in der Kaiserburg

München: Alter Hof, Innenhof

Quelle: Stefanie Preuin

Dass der Alte Hof einmal eine Herzogs-, im 14. Jahrhundert sogar eine Kaiserresidenz war, das sieht man ihm nicht mehr unbedingt an. Das liegt zum einen daran, dass die Wittelsbacher nach Ludwig dem Bayern die Kaiserwürde schnell wieder los waren, dass sie später ein paar hundert Meter nach Norden in die heutige Residenz umzogen - und natürlich an den Weltkriegsbomben.

Erhalten und in staatlichem Besitz blieben nur Teile des ehemaligen Stadtschlosses. In dem spätgotischen Gebäude ist heute unter anderem eine sehenswerte Ausstellung zur Geschichte des Alten Hofs untergebracht, in dem bis 1999 das Finanzamt residierte. Die übrigen, historisch nicht wertvollen, zum Teil erst nach dem Krieg entstandenen Gebäude ließ ein Investor nach einem Erbpachtvertrag mit dem Freistaat zu Beginn des neuen Jahrtausends abbrechen und dafür Neubauten errichten.

Die Architekten Auer & Weber erhielten dafür 2008 einen Preis für Stadtbildpflege. Ihren Ansatz beschreiben sie so: "Das historische Ensemble wurde so ergänzt, dass die ehemalige Burganlage wieder als räumliche Einheit im städtischen Kontext ablesbar wird."

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Feines in der Residenzpost

München: Palais an der Oper

Quelle: Stefanie Preuin

Nicht nur in warmen Nächten, wenn an den Tischen unter den Arkaden kein Platz mehr frei ist, ist die Residenzpost, pardon: das Palais an der Oper, wie der Komplex seit ein paar Jahren heißt, ein für München adaptiertes Stück Italien. Filippo Brunelleschis Florentiner Findelhaus stand Pate für die Schaufassade, so wie gegenüber der Palazzo Pitti für den Königsbau der Residenz.

Klenze errichtete von 1835 an das damalige Hauptpostamt der Stadt. Dann zerstörten die Bomben des Zweiten Weltkriegs den historischen Bau. Die Fassade aber blieb wie durch ein Wunder stehen. Im Jahr 2005 erfolgte die endgültige Privatisierung. Die Deutsche Telekom verkaufte die Immobilie an die Landesbank Baden-Württemberg und die Münchner Accumulata Immobilien Development GmbH.

Bis auf die denkmalgeschützten Fassaden wurde alles entkernt und nach den Entwürfen des Münchner Architektenbüros Hilmer & Sattler und Albrecht neu gestaltet. Im Palais an der Oper sind edle Restaurants, Läden, Büros und Wohnungen untergebracht.

© SZ vom 3.2.2018/imei
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