Wirte-Nachfolge auf dem Oktoberfest:Herbst der Patriarchen

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Manche Herrschaft dauert schon Jahrzehnte, nun muss die Erbfolge geregelt werden. In den Wiesnzelten ist der Generationswechsel in vollem Gange - die Söhne und Töchter sollen das Regiment übernehmen.

Stephan Handel

Entgegen der landläufigen Meinung ist es nicht immer und ausschließlich erstrebenswert, Wiesnwirt zu sein. Zwar gehört zum Berufsbild das Privileg, am ersten Tag in einer Kutsche auf den Festplatz einzuziehen, huldvoll in die Menge winkend. Zwar mag es äußerst befriedigend sein, ein volles Zelt voll glücklicher Menschen zu sehen, die sich amüsieren und genießen, was der Wirt ihnen angerichtet hat. Und der eine oder andere Euro soll, so ist zu hören, ja auch verdient sein, wenn das Oktoberfest vorbei ist.

Stefanie Krätz sammelt erste Erfahrungen im im Hippodrom. (Foto: Stephan Rumpf)

Dafür müssen Wiesnwirtin, Wiesnwirt aber auch bereit sein, zweieinhalb Wochen lang in der Lederhose, dem Dirndl zu verbringen, den Großteil der Zeit zudem in einem lauten, nicht immer angenehm riechenden Zelt, und dass Kundengespräche selten die reine Freude sind, wenn der Kunde schon drei, vier Maß intus hat, kann man sich vorstellen.

Dennoch gibt es, neben den amtierenden Bierbaronen, die seit Jahren, Jahrzehnten über ihre Feierburgen herrschen, mindestens genau so viele Nachwuchskräfte, die sich nichts Schöneres vorstellen können, als selbst einmal ein Wiesnwirt zu sein. Um es exakt zu sagen: In fast jedem der großen Festzelte bereitet sich die nächste Generation, die Generation der Söhne, der Töchter und teilweise sogar der Enkel darauf vor, in nicht allzu langer Zeit das Regiment zu übernehmen - wenn sie es denn nicht schon getan haben.

Gleich vorne am Haupteingang herrscht seit diesem Jahr ein blonder Engel über die Hausbox: Stefanie, die Tochter von Hippodrom-Chef Sepp Krätz. Sie ist 21 Jahre alt und hat sich für die Aufgabe qualifiziert, indem sie erstens vier Jahre lang als Münchner Kindl regierte und zweitens Hotel- und Restaurantwesen studiert. Nun ist sie dabei, Erfahrungen zu sammeln in dem, was in einem Hotel vielleicht "Guest Relationship Manager" heißt.

Das sind die einfachen Aufgaben wie die Reservierungen zu überwachen und zuzuweisen, aber auch schwierige wie eben mit Gastbeschwerden umzugehen - oder mit kurzfristigen Problemen, die sich eben so ergeben in einem Massenbetrieb.

Stefanie Krätz erlaubt sich dabei eine eigene Meinung; sie sagt, sie würde ihrem Vater durchaus widersprechen und sowieso schauen, ob die Abläufe optimal sind oder was man besser machen kann. Dass die Wiesn schlaucht, das gibt sie ohne weiteres zu - trotzdem sagt sie: "Meinem Vater als Wiesnwirtin nachzufolgen, das wär' für mich das Schönste."

Nun ist es nicht so, dass die Zelte als Erbhöfe vergeben werden, zumindest nicht ganz: Bei denen, die der Brauerei gehören, wie das "Winzerer Fähndl", muss sich diese jährlich bei der Stadt bewerben und schlägt einen Wirt vor - der dann normalerweise auch akzeptiert wird. Es hängen ja nicht nur längerfristige Verträge daran, sondern auch das Vertrauen, dass der Gastronom es heuer schon wieder richtig machen wird, wenn's letztes Jahr geklappt hat.

Bei den Zelten, die den Wirten selbst gehören - etwa das Schottenhamel - muss ebenfalls jedes Jahr eine neue Bewerbung eingereicht werden. Wenn der Vater da den Sohn oder die Tochter mit hineinnehmen möchte, tut er gut daran darzulegen, dass der sich Familienspross zuvor schon auf der Wiesn bewährt hat.

Antje Schneider steht in der Ochsenbraterei in der Verantwortung. (Foto: Stephan Rumpf)

So stehen zum Beispiel Thomas, Sohn von Augustinerwirt Manfred Vollmer, und Thomas Roiderer bereits "in der Konzession", wie die Gastronomen das nennen. Im Fall von Antje Schneider in der Ochsenbraterei wurde der erwünschte nahtlose Übergang durch den Tod des Vaters Hermann Haberl im Februar jäh gestoppt: Jetzt ist die Tochter mit Mutter Anneliese nolens volens voll verantwortlich. Frisch dabei in verantwortlicher Position hingegen sind in diesem Jahr Ludwig und Matthias Reinbold in der Schützenfesthalle, 24 und 25 Jahre alt gerade mal.

In der Bräurosl leitet die 29-jährige Daniela, Tochter von Wirt Georg Heide das Wiesnbüro. Der schon erfahrene Peter Inselkammer unterstützt seinen Vater im Armbrustschützenzelt. Im Schottenhamel, dem ältesten Zelt auf der Wiesn, jahrelang geleitet von den beiden Cousins Peter und Christian, ist Peter nach Erreichen des 70. Lebensjahrs ausgeschieden, sein Sohn Michael ist neu dabei.

Neben diesen - das gilt mehr oder weniger - Nachwuchskräften gibt es zwei weitere Junior-Wirte, die diesem Status allerdings längst schon entwachsen sind: Seit bald 20 Jahren arbeitet Stephan Kuffler im Weinzelt und sagt selbstbewusst: "Das ist mein Ding." Zwar kann sein Vater Roland es nicht lassen, zum Beispiel die Qualität der Soßen in der Küche persönlich zu inspizieren - aber den täglichen Ablauf überlässt er dem bald 45-jährigen Sohn so gut wie komplett. Dritter im Bunde ist Stephans jüngerer Bruder Sebastian, der zwar noch nicht "in der Konzession steht", aber als Betriebsleiter Verantwortung trägt.

Auf der anderen Seite der Gasse, im Löwenbräu-Zelt, führt ein Vater-Tochter-Gespann die Geschäfte - und zwar seit 25 Jahren gemeinsam: Ludwig Hagn, seit den fünfziger Jahren aktiv und damit dienstältester Wiesnwirt, nahm 1987 seine Tochter Stephanie - heute heißt sie mit Nachnamen Spendler - zum ersten Mal mit aufs Oktoberfest. Seit 1999 ist sie Wirtin. Sie findet die Kombination ideal: "Ich möcht' das gar nicht alles selber machen. Mein Vater kümmert sich zum Beispiel um den Einkauf, ich mach' die Reservierungen."

Das funktioniert wunderbar, sagt Stephanie Spendler, nur einmal habe es Streit gegeben: Vor 18 Jahren, als ihr ältester Sohn gerade geboren war, wollten sowohl die Mutter als auch der Großvater das Baby beim festlichen Einzug der Wirte auf dem Arm halten. Der Konflikt wurde dann doch einvernehmlich gelöst, und in diesem Jahr ist Spendlers Zweitgeborener im Zelt mit dabei.

16 Jahre alt ist er und neben seinem Bruder so etwas wie die Hoffnung auf eine Fortsetzung der Hagn-Dynastie auf der Wiesn - was Steffi Spendler allerdings gleich mit einer Drohung an den Vater verbindet: "Bis die beiden Buben so weit sind, muss er schon noch durchhalten", sagt sie. "Alleine würd's mir keinen Spaß machen."

© SZ vom 01.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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