Windkraft:Ökostrom vom Müllberg

Schmuckfoto München Nord

Hinter den Faultürmen der Kläranlage erhebt sich auf einem 70 Meter hohen Müllberg das Windrad.

(Foto: Florian Peljak)

In Fröttmaning steht Münchens keineswegs einziges Windrad

Windkraftanlagen kennen die Münchner Ende der Achtzigerjahre nur von Urlauben an der Nordsee. Dort bläst immer eine steife Brise, dort drehen sich die Rotoren quasi ständig. Aber wo weht in der Landeshauptstadt schon ein ausreichendes Lüftchen, um daraus Strom zu machen? Auf einer der wenigen nennenswerten Erhöhungen, die die Stadt zu bieten hat, dem 30 Jahre lang mit Müll aufgeschütteten Hügel, antworteten damals die Grünen. Die Partei, der seinerzeit noch das Label "Ökopartei" anhängt, koalierte mit der SPD und wollte ihre Ideen von einer Stromversorgung ohne Atomkraft durchsetzen. Nach dem Erstantrag 1990 urteilten die Stadtwerke noch, dass der Windradstrom vom Deponierberg zu teuer käme. Neun Jahre später aber ist auch den Skeptikern klar, dass eine Windkraftanlage bereits mit einer Windgeschwindigkeit von 2,5 Metern pro Sekunde betrieben werden kann. In Fröttmaning werden durchschnittlich 5,3 bis 5,6 Meter pro Sekunde gemessen - völlig ausreichend für das dreiblättrige Windrad. Und gingen die Überlegungen in den Achtzigerjahren noch von höchstens 370 Haushalten aus, die man mit Strom vom Müllberg versorgen könnte, so liefert die Anlage im Jahr 2015 genug Strom für 1000 Privathaushalte. Jährlich sind das 1,8 Millionen Kilowattstunden.

Für München ist es das gewesen. Die Münchner müssen nicht aus einer Laune heraus oder wegen einer 10-H-Regelung gegen weitere Windräder in der Stadt protestieren, wie das in den Landkreisen im Speckgürtel passiert. Sie bekommen ihren Windstrom unter anderem von da, wo einige immer noch gerne Urlaub machen: von der Nordsee. Dort sind die Stadtwerke an zwei Windparks nahe Sylt beteiligt sowie an einem Offshore-Windpark 180 Kilometer vor Bremerhaven. Münchner Windstrom kommt auch aus der irischen See oder aus Hunderten Inlandanlagen in Deutschland, Frankreich oder Schweden.

Und in Bayern? Hier ist die Genehmigung neuer Windanlagen durch eine Verschärfung des Baurechts schwieriger geworden. Die Stadtwerke aber haben nicht aufgegeben, das größte noch nicht genutzte Windkraft-Potenzial in ganz Deutschland doch noch auszuschöpfen. "Dieses Potenzial wollen wir gemeinsam mit interessierten bayerischen Kommunen erschließen", heißt es optimistisch. Wenige Kilometer westlich der Stadtgrenze aber, auf den windigen Hügeln von Inning am Ammersee, wollen die Einwohner vom Windstrom der Stadtwerke nichts wissen.

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