Wilfrid Spronk:Meister der Zweitverwertung

26 Jahre im Dienste des Münchner Olympiaparks: Wilfrid Spronk füllte auch nach dem Auszug des Fußballs das Gelände mit Leben - jetzt hört er auf.

Jan Bielicki

Womöglich hat der Mann sogar hellseherische Fähigkeiten, ganz sicher aber ein ganz besonders feines Gespür dafür, was in der Welt des Sports gerade läuft und was möglich ist. "Fußball-WM? Wahrscheinlich 2006", hat Wilfrid Spronk auf die Frage geantwortet, was denn so passieren könnte im Olympiastadion. Das Ereignis trat exakt so ein, wie von Spronk vorhergesagt - und zwar bereits 1993 in seinem ersten SZ-Interview als Chef des Olympiaparks. "Wenn ich dann noch Geschäftsführer bin", hat er noch gesagt, "wird das schon beinahe meine Abschiedsveranstaltung."

Wilfrid Spronk: Der Zeltherr tritt ab: 26 Jahre lang füllte Wilfrid Spronk den Olympiapark mit nach-olympischem Leben. Jetzt verabschiedet sich der 64-Jährige in den Ruhestand.

Der Zeltherr tritt ab: 26 Jahre lang füllte Wilfrid Spronk den Olympiapark mit nach-olympischem Leben. Jetzt verabschiedet sich der 64-Jährige in den Ruhestand.

(Foto: Foto: dpa)

Nicht ganz. Vor vier Tagen 64 geworden, tritt er nun Ende Mai in den Ruhestand. 26 Jahre hat der Rheinländer aus Remagen für den Olympiapark gearbeitet, als Pressesprecher, Manager, Prokurist und schließlich mehr als 15 Jahre ganz oben an der Spitze. Auch seinen Abschied hat er lange schon terminiert, allerdings wäre beinahe wieder nichts aus dem angekündigten Vorhaben geworden, "wieder öfter in die Berge zu gehen". Schließlich war da noch etwas, was er erledigen wollte: "Die Olympia-Idee", sagt er, "ist mir ans Herz gewachsen".

Er war dabei, als sie geboren wurde. 1988 war das, während der Olympischen Spiele im kanadischen Calgary. Den Gedanken, Olympische Winterspiele nach München zu holen, hat Spronk seither verfolgt. "Ohne ihn gäbe es die Bewerbung nicht", sagt Oberbürgermeister Christian Ude.

Und eigentlich hätte Spronk diese Idee selber in die Tat umsetzen sollen. Vor einem Jahr haben sie ihn zum Chef der Münchner Olympiabewerbung für 2018 gemacht, völlig unumstritten. Nur sein Körper wollte nicht mehr. Als der Radsportfan Spronk während des Sechs-Tage-Rennens im Herbst nur einmal in seiner Olympiahalle erschien, sprach sich schnell herum: Er war schwer erkrankt.

Ausgebrannt war er, ein Burnout-Syndrom diagnostizierten die Ärzte, und während der Therapie kam er zu der Erkenntnis: "Ich habe über Jahre Schindluder mit meinem Körper betrieben, und irgendwann kann der Körper nicht mehr." Er hörte auf die Alarmglocken - und hörte auf bei der Bewerbungsgesellschaft: "Alles hat eben leider seine Grenze."

Es steckte, sagt er selbst, "'ne ganze Menge Herzblut in dieser Arbeit, anders kannst du sie nicht machen". Das Wort Herzblut verwenden viele, wenn sie über ihn reden. Als Workaholic beschreiben ihn Leute, die ihn gut kennen, als Arbeitstier, sprühend vor Ideen und Tatendrang, und immer unterwegs. "Er ist einer der ganz Großen in dem Geschäft", preist ein Olympiapark-Aufsichtsrat.

Das Lob gilt Spronks Leistung, diesen mit seinen Sportstätten für die Olympischen Spiele 1972 angelegten Park auch 37 Jahre später lebendig erhalten zu haben. Vier Millionen registrierte Tickets lösende Besucher, 300 Veranstaltungen - Spronk nennt die Zahlen gerne. "Wo gibt es eine solche nacholympische Nutzung noch?", sagt er selber, "schauen Sie nach Sydney, nach Athen! Da ist es tot."

Sogar den härtesten Schlag überlebte der Olympiapark. Spronk kann sich noch genau an "das grausame Nikolaus-Geschenk" erinnern, das er am 6. Dezember 2000 im Rathaus überreicht bekam. Während eines Ratshearings sprachen sich die Architekten des Olympiastadions überraschend gegen einen Umbau aus, auf den sich Fußballvereine, Stadt und andere Beteiligte mühsam geeinigt hatten. Die Folge: Die Vereine bauten sich in Fröttmaning ein neues Stadion, und der Olympiapark-Chef stand mit einer spektakulären, nun aber leer stehenden Riesenschüssel da.

Er holte Weinmessen ins Stadion, Skirennen, Kongresse der Zeugen Jehovas, ließ Touristen über das Zeltdach spazieren. Er brachte die Sea Life-Aquarien in den Park, und nervte die Stadträte, bis er die Olympiahalle für die Bedürfnisse heutiger Eventkultur aufrüsten durfte. Ganz ließ sich die Lücke, die der Fußball in den Kassen hinterließ zwar nicht schließen, aber sie wurde so deutlich kleiner.

Auch Spronk gelang nicht alles. Die versuchte Wiederbelebung des alten Radstadions mit der Ausstellung "Olympic Spirits" floppte millionenschwer. Vergeblich stemmte er sich bis zu den höchsten Gerichten dagegen, Journalisten Auskunft über ein sehr merkwürdiges Geschäft geben zu müssen: Da hatte eine Agentur dicke Provisionen kassiert, weil sie der stadteigenen Olympiapark GmbH die ebenfalls stadteigenen Stadtwerke als Werbepartner vermittelt hatte.

Vor einem Jahr starb Spronks Vorgänger Werner Göhner. Er hatte - von Radsportfunktionär zu Radsportfunktionär - den emsigen Rheinländer 1983 nach München geholt. Spronk hatte nach seinem Publizistik- und Politik-Studium Karriere als Ministeriumssprecher CDU-geführter Landesregierungen gemacht - und in den Verbänden des Radsports. Er rechnet es sich an, Mountainbiken als verbandlich anerkannte Sportart durchgesetzt zu haben.

Auch aus den zahlreichen nationalen und internationalen Gremien, denen er angehört, zieht er sich jetzt zurück. "Ich bin auf Abschiedstournee", sagt er - und, "ja, es fällt schon schwer aufzuhören." Seinen Nachfolger hat er schon gefunden: Ralph Huber, ehemals Manager in der Dortmunder Westfalenhalle, arbeitet bereits seit mehr als einem Jahr im Olympiapark.

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