Wildkatzen:Haarige Suche am Stadtrand

Kleine und große Katzen treiben sich im Unterholz herum - bis an die Münchner Stadtgrenze kommen sie noch nicht.

Kleine und große Katzen treiben sich im Unterholz herum - bis an die Münchner Stadtgrenze kommen sie noch nicht.

(Foto: imago)
  • Wildkatzen wurden vor 100 Jahren in Bayern ausgerottet. Von 1984 bis 2009 wurden 600 der nachtaktiven Tiere im Spessart und dem Bayerischen Wald ausgewildert, heute schätzen Biologen die Zahl der Wildkatzen in Bayern auf 250.
  • Naturschützer versuchen die Wildkatzen ausfindig zu machen. Vor allem südlich von München haben sie Hinweise auf sie gefunden.

Von Thomas Anlauf

Ohne feste Wanderstiefel ist hier kein Durchkommen. Es geht durch dichtes Gestrüpp, einen Weg gibt es nicht. Die Brennnesseln stehen dicht und hoch wie eine Wand. Ein Bach plätschert quer durch den Wald, der bemooste Baumstamm muss als Brücke dienen. Dann eine kleine Lichtung: Junge Birken stehen neben kleinen Hainbuchen, zwei alte Kiefern ragen in den Himmel.

Vorn im Unterholz kniet Martin Hänsel und treibt mit einer kleinen Axt einen Pflock tief in den Waldboden. Der stellvertretende Geschäftsführer des Bund Naturschutz in München kommt mit seinem Team seit Anfang April jede Woche einmal in das Dickicht zwei Kilometer westlich der Stadtgrenze. Die Moosschwaige, ein 113 Hektar großes Naturparadies zwischen Aubing, Germering und Puchheim, steht seitdem von den Münchner Naturschützern unter genauer Beobachtung. Mithilfe von zwei sogenannten Lockstöcken sind sie einem scheuen Streuner auf der Spur: der Wildkatze.

Wenn ausgestorbene Wildtiere wiederkehren - und sich ausbreiten

Bislang haben die Wildhüter noch kein Katzenhaar auf den Lockstöcken in dem Großstadtdschungel gefunden. Dabei werden die Holzbretter regelmäßig mit süßlich duftendem Baldrian eingesprüht, den die seltenen Wildkatzen lieben. Treffen sie im Wald auf einen präparierten Stock, reiben sie sich genüsslich daran. Dabei verlieren sie Haare, die dann eingesammelt und im Senckenberg-Institut in Frankfurt genetisch analysiert werden.

Wildkatzen: Martin Hänsel präpariert einen Lockstock und hofft, dass Wildkatzen daran Haare hinterlassen.

Martin Hänsel präpariert einen Lockstock und hofft, dass Wildkatzen daran Haare hinterlassen.

(Foto: Catherina Hess)

"Die Moosschwaige wäre durchaus ein attraktiver Standort im Rettungsnetz für die Wildkatze", sagt Naturschützer Hänsel. "Wir sind deshalb zuversichtlich, dass sie noch einwandern wird." Was ihn so sicher macht: Die vor 100 Jahren in Bayern ausgerotteten Wildkatzen breiten sich wieder rasch aus. Von 1984 bis 2009 wurden 600 der meist nachtaktiven Jäger im Spessart und dem Bayerischen Wald ausgewildert, heute schätzen Biologen die Zahl der Wildkatzen in Bayern auf 250.

Und sie haben sich auf den Weg nach Süden aufgemacht. Zunächst fanden Naturschützer ihre Spuren im Spessart, dem Steigerwald, der Rhön, in den Haßbergen und im Bayerischen Wald. Doch jetzt gibt es Beweise, dass sich die Tiere seit vergangenem Jahr auch bei Augsburg in den Westlichen Wäldern angesiedelt haben. Die Naturschützer erwarten, dass die Wildkatzen in einem Korridor westlich und östlich in Richtung Alpen wandern oder bereits am Alpenrand angekommen sind.

Warten auf die Sensation - im Dickicht südlich von München

Hänsel ist sich ziemlich sicher, dass es nur eine Frage der Zeit ist, Spuren von Wildkatzen im Raum München zu finden. "Einzelne Hinweise, wonach Menschen Wildkatzen in der Nähe von München gesehen haben wollen, haben uns bereits erreicht." Da die Wildtiere von Hauskatzen nur schwer zu unterscheiden sind, verlassen sich die Experten aber lieber auf die Haare, die sie an den Lockstöcken finden.

Die wurden im Frühjahr mit Unterstützung des Kommunalreferats an 30 Punkten aufgestellt - fast überall, wo die Stadt eigene Wälder besitzt: im Forst Kasten südlich von München, in Jesenwang im Landkreis Fürstenfeldbruck und auch auf dem Taubenberg bei Warngau. Jetzt ist die Aktion für dieses Jahr beendet, die Haarproben zur Genanalyse sind nach Frankfurt eingeschickt. Vor allem südlich von München haben die Naturschützer viele Haare an den Lockstöcken gefunden.

Die Ergebnisse der Analysen werden für Ende Oktober erwartet. Sollte sich herausstellen, dass tatsächlich Wildkatzen im Raum München angekommen sind, wäre das eine Sensation "und würde die Bedeutung der naturnahen Bewirtschaftung der städtischen Wälder für den Artenschutz noch einmal deutlich unterstreichen", so Hänsel. Die Wälder "werden seit Jahren von der Städtischen Forstverwaltung München nach den Richtlinien des Naturland-Verbandes bewirtschaftet und bieten der Wildkatze deshalb gute Lebensbedingungen", sagt Edwin Grodeke, Vertreter von Kommunalreferent Axel Markwardt.

"Normale Waldbesucher haben keine Chance"

Die Wildkatzen würden sich offenbar in dem Dickicht am Rande der Großstadt wohlfühlen. Das Problem ist allerdings, dass die Tiere hauptsächlich durch Wälder und möglichst nicht durch offenes Gelände wandern. Die Moosschwaige liegt relativ isoliert zwischen Feldern und Siedlungen. Sollten demnächst tatsächlich Spuren von Wildkatzen nahe München gefunden werden, "sollte man ernsthaft darüber nachdenken, Korridore zu pflanzen", sagt Hänsel. Also Hecken und kleine Wälder, in deren Schutz die Tiere laufen könnten.

Dass ein Spaziergänger in einem Wald bei München demnächst auf eine echte Wildkatze trifft, ist trotz aller Zuversicht der Naturschützer ziemlich unwahrscheinlich. "Die sind so scheu, da haben normale Waldbesucher keine Chance", sagt Naturschützer Hänsel. Er würde sich schon über ein einziges Wildkatzen-Haar an einem Lockstock freuen.

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