Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung:Sepp Krätz, Wiesnwirt und Grenzgänger

Er ließ seine Wachleute mit Dobermännern auf Randalierer losgehen und verstieß immer wieder gegen eherne Wiesn-Regeln: Nun steht Wiesnwirt Sepp Krätz erneut im Fokus der öffentlichen Häme. Gegen ihn wird wegen Steuerhinterziehung ermittelt. Den zweifelhaften Ruf eines Tricksers, der für die anderen Wiesnwirte Grenzen austestet, hat er schon länger.

Stephan Handel

Wenn es in Bayern jemandem nass neigeht, dann heißt das, dass er in Schwierigkeiten steckt, dass sich Unheil ankündigt. Dem Wiesnwirt Sepp Krätz ging es einmal gehörig nass nei, und zwar im Jahr 2007: Da hatte er statt der bis dahin üblichen Kieselsteine rund um sein Hippodrom teeren lassen, damit die Gäste geraden Schritts ins Zelt kommen können, auch auf High Heels. Nicht bedacht hatte er dabei jedoch, dass die Kiesel auch für die nötige Drainage sorgten, wenn's mal regnete. Als dann wirklich das Wasser kam von oben, floss es nicht mehr geordnet in den Untergrund - sondern in einen Kabelschacht. Und weil sich Elektrizität und Feuchtigkeit nicht unbedingt gut vertragen, gab's plötzlich in allen Zelten keinen Strom mehr.

Richard Süßmeier mit Sepp Krätz, 2010

Zwei, die sich intuitiv verstehen: Sepp Krätz (l.) mit Richard Süßmeier, der in seiner Zeit als Wiesnwirt ebenfalls recht kreativ mit den Oktoberfest-Regeln umging.

(Foto: Catherina Hess)

Diese Geschichte könnte exemplarisch stehen für Sepp Krätz, dem es gerade in anderer Beziehung gehörig nass neigeht - die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Steuerhinterziehung in seinem "Andechser am Dom". Unabhängig davon, dass die Vorwürfe, der Verdacht bislang weder bewiesen noch widerlegt sind, sieht sich Krätz jetzt schon im Fokus der öffentlichen Häme, was für ihn allerdings kein unbekannter Aufenthaltsort ist.

Mehr noch als seine Wiesnwirt-Kollegen, die ja ein großer Teil der Münchner sowieso für geldgierige Raffhälse hält, nehmen sie ihn für einen Trickser, für einen Schlawiner, und das meist ohne die sympathische Konnotation des Wortes. Als er einen Strafbefehl über 18.000 Euro akzeptierte, weil er auf der Wiesn 2010 einen Kellner geschlagen haben soll, wurde ihm auch das sofort negativ verbucht: 18.000 Euro, das zahle ein Wiesnwirt ja aus der Trinkgeldkasse.

Der Ärger begann schon 1995, als Sepp Krätz das Hippodrom auf dem Oktoberfest übernahm - obwohl er parallel dazu fast zum bayerischen Volkshelden aufgestiegen war, als Anzettler der so genannten "Biergarten-Revolution": Anlieger wollten seiner Waldwirtschaft in Großhesselohe rigide Schlusszeiten aufzwingen; großer Volksaufstand, schließlich regelte Edmund Stoiber die Angelegenheit im Sinne der Biergartenbetreiber und -gäste. Im Hippodrom jedoch hatte Sepp Krätz ein neues System eingeführt: Gäste, die mit einer Reservierung ins Zelt gekommen waren, erhielten ein grünes Bändchen um den Arm, mit dem, falls sie mal nach draußen gingen, der Wieder-Einlass garantiert war. Und dann gab es sogar noch goldene Armbändchen, die zu jeder Zeit den Gang ins Hippodrom sicherstellten.

Große Aufregung. "Drei-Klassen-Wiesn". Heute, im Abstand von mehr als 15 Jahren, lässt sich feststellen: Praktisch alle großen Zelte haben mittlerweile Bändchen für die Reservierungs-Gäste. Und die Super-Sonder-VIP-Gäste werden auch von anderen Wirten in streng geheime Rituale eingeweiht, einen Button am Hemd, ein geheimes Passwort, und die Türsteher wissen, mit wem sie es zu tun haben.

Krätz hat 1995 ein Zelt übernommen, das keinen Ruf mehr zu verlieren hatte, höchstens einen schlechten. Sogar der damalige Kreisverwaltungsreferent Hans-Peter Uhl hatte festgestellt, dass dort "1000 Jahre Zuchthaus vereint und Zuhälter ein- und ausgegangen" seien. Das war dann auch der Auftrag der Stadt an Krätz: Dort Ordnung zu schaffen. Gleich im ersten Jahr tat er dies, indem er seine Wachleute mit Dobermännern und Feuerlöschern auf eine randalierende Meute losgehen ließ, die betrunken Einlass ins Zelt begehrte. Damals bekam er erstmals Schelte vom Oberbürgermeister.

Krätz war der erste, der in seinem Zelt eine Band statt einer Blaskapelle spielen ließ. Er war einer der ersten, der dem ewigen Hendl-Schweinswürstl-Leberkäs eine hochwertige Küche entgegensetzte. Er führte als erster mehrere Reservierungs-Schichten an einem Tag ein. Und als die Sechs-Jahres-Frist auslief, die ihm erlaubte, das Hippodrom zu 100 Prozent auszureservieren, da war das für die Stadt der Anlass, die Reservierungs-Regelungen auch für alle anderen Zelte neu zu fassen.

Natürlich holte er Prominente ins Hippodrom - bis heute ist das auch sein Erfolgsrezept in der Waldwirtschaft. Als 2006 Paris Hilton einen Prosecco aus der Dose im Hippodrom präsentieren wollte, musste Krätz zurückziehen, die Stadt erlaubte das nicht. Trotzdem bekam er die Schläge ab, während es um Michael Käfer und Edi Reinbold verhältnismäßig ruhig blieb, obwohl sie wegen ähnlicher Werbe-Veranstaltungen sogar förmliche Abmahnungen erhalten hatten.

Vielleicht lässt sich sagen, dass Sepp Krätz einen Hang dazu hat, immer auszuprobieren, wie weit er gehen kann. Er hat in der Runde der Wiesnwirte, in der er andererseits nicht sonderlich wohlgelitten ist, durchaus den inoffiziellen Job, auszutesten, was möglich ist. Wenn das geklärt ist, bekommt Krätz die Prügel ab, und die anderen Wirte machen sich daran, die nun abgesteckten Grenzen für sich in Anspruch zu nehmen. Dennoch macht das alles einen Typen wie den Sepp Krätz nicht sonderlich beliebt - und wenn dann noch der Staatsanwalt vor der Tür steht, dann geht's ihm richtig nass nei.

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