Wiesnwirt Roiderer:"Wir müssen ja auch was zum Lachen haben"

Escada-Hotpants und Designer-Dirndl: Wiesnwirt Toni Roiderer über misslungene Mode, steigende Bierpreise und bayerische Toleranz.

Michael Ruhland

Eigentlich wollte der Metzgermeister Toni Roiderer aus Straßlach, 63, nie Wirt werden. Jetzt ist er zum 20. Mal auf der Wiesn dabei. Und ist als Sprecher der Wiesnwirte mehr als zwei Wochen lang einer der gefragtesten Männer in München. Im SZ-Gespräch erklärt der Chef des Hackerzelts, warum das Oktoberfest immer jünger wird, das Bier immer teurer und echte Tracht gar nicht zur Wiesn passt.

Wiesnwirt Roiderer: "Sexy? Was ist sexy? Wenn sich die feschen Madel sauber herrichten, schaut das gut aus": Wirtechef Toni Roiderer

"Sexy? Was ist sexy? Wenn sich die feschen Madel sauber herrichten, schaut das gut aus": Wirtechef Toni Roiderer

(Foto: Foto: ddp)

SZ: Herr Roiderer, wenn es so weitergeht, dann werden auf den Maßkrügen bald Sätze stehen wie "Übermäßiger Bierkonsum kann zu schweren Leberschäden und Impotenz führen". Hätten Sie ein Problem damit?

Roiderer: Ein mächtigstes Problem sogar. Bier ist für mich ein Nahrungs- und Genussmittel. Man muss halt mit dem Alkohol maßvoll umgehen. Ich fürchte: Erst kommt das Rauchverbot, dann verbieten sie den Alkohol, als nächstes kommt die fette Schweinshaxn dran, und in fünf Jahren fliegen wir zum Lachen ins Ausland.

SZ: Wäre Ihnen eine Bier-Werbung à la Beckstein lieber?

Roiderer: Ja, freilich. Ich finde es gut, dass er gesagt hat, man soll zwei Maß trinken. Aber natürlich soll man dann nicht mehr fahren. Da hat er einen Schmarrn geredet. Die Politiker arbeiten halt jetzt 20 Stunden täglich, da rutscht dann mal sowas raus. Wenn er aber jetzt behauptet, in der Wiesnmaß sei nicht genug drin, dann nehm ich das gern auf mich. Wir werden vom KVR regelmäßig kontrolliert.

SZ: Das Rauchverbot ist ja auf der Wiesn nochmal abgewendet worden.

Roiderer: Momentan zumindest. Das war auch sehr vernünftig, und dafür bin ich unserem Ministerpräsidenten sehr dankbar. Es gibt ja viele selbsternannte Weltverbesserer, die Wirten die Konzession entziehen lassen möchten, wenn sie es nicht schaffen, so ein Verbot umzusetzen. Das sind Leute, die überhaupt keine Ahnung haben. Wenn die Verweildauer auf den Toiletten doppelt so lange ist wie normal, ist das Wiesnchaos programmiert.

SZ: Es ist Ihre 20. Wiesn. Gibt es Abnutzungserscheinungen?

Roiderer: Man muss obachtgeben, dass es nicht zu stark zur Routine wird. Meine Devise lautet: In der Unzufriedenheit liegt der Fortschritt. Ich bin ständig auf der Suche nach Verbesserungen und mische die Lebenserfahrung mit der Neugierde. Ich sehe genauer, was ich früher übersehen habe. Mir geht es darum, dass mehr Leute einen Platz bekommen sollen. Es ist nicht in meinem Sinne, dass schon um sechs Uhr in der Früh 6000 Leute vor dem Hackerzelt stehen.

SZ: Der Reservierungswahn wird aber immer größer.

Roiderer: Der Innenraum ist bei uns in der Mittagszeit überhaupt nicht reserviert - erst ab 17 Uhr. Dort haben schon mal 4000 Leute Platz. Geändert hat sich am Reservierungssystem seit 15 Jahren überhaupt nichts. Die Boxen sind von den Firmen belegt, da kommt ein Neuer nur rein, wenn ein anderer nicht mehr will. Es sind immer zu wenig Plätze da. Und es bleibt eine Illusion, dass man am Samstagnachmittag kommen kann und für 20 Leute einen Tisch kriegt. Ich kann ja auch nicht in die Allianz-Arena zu einem Topspiel gehen und hoffen, dass ich noch einen Haufen Karten bekomme.

SZ: Was empfehlen Sie einer Gruppe, die auf der Wiesn unter der Woche abends noch einen Tisch will?

Roiderer: Lieber mittags kommen oder früh genug anmelden. A bisserl was geht nämlich immer.

SZ: Was macht den Reiz der Wiesn für Sie aus?

Roiderer: Dass ich als Wiesnwirt dabei sein darf. Das ist, wie wenn man um die Gunst der Schönheitskönigin buhlt - und die erhört dich.

"Wir müssen ja auch was zum Lachen haben"

SZ: Kriegen Sie überhaupt etwas außerhalb des Hackerzelts mit?

Wiesnwirt Roiderer: Dirndl-Modenschau: "Nicht alle haben so viel Geld, dass sie sich trachtenmäßig top kleiden können", sagt Roiderer.

Dirndl-Modenschau: "Nicht alle haben so viel Geld, dass sie sich trachtenmäßig top kleiden können", sagt Roiderer.

(Foto: Foto: Heddergott)

Roiderer: Wenn ich abends um neune im Zelt sehe, dass alles läuft, gehe ich schon mal eine halbe Stunde über die Wiesn und schnappe frische Luft. Das gönne ich mir.

SZ: Höllenblitz, Schiffschaukel oder eher Pemperlprater?

Roiderer: Na, das kommt bei mir überhaupt nicht in Frage! Ich schaue nur.

SZ: 16 Tage Dauereinsatz ist ein harter Job. Was muss ein guter Wirt an Eigenschaften mitbringen?

Roiderer: Gesundheit und gute Nerven. Nicht cholerisch sein, sondern ausgeglichen. Ich trinke so wenig Alkohol wie möglich und schaue, dass ich täglich sechs bis sieben Stunden Schlaf erwische. Ganz wichtig ist, dass ich gute Leute um mich herum habe, die mich entlasten. Gerade als Sprecher der Wiesnwirte muss ich ja die anderen gegenüber den Behörden und Institutionen vertreten.

SZ: Wiesnwirte-Sprecher ist doch sicher eine tolle Position. Sie haben Macht.

Roiderer: Macht? Die zeigen dir schon, wie mächtig du bist. Das hat man bei Süßmeier gesehen (er wurde 1984 vom damaligen KVR-Chef Peter Gauweiler von der Wiesn verbannt, weil er Schwarzarbeiter beschäftigte und angeblich schlecht einschenkte; Anm. d. Red.). Sicher, ich bin Unternehmer und nicht Unterlasser. Wenn mich was drückt, sage ich es auch.

SZ: Was hat sich in den 20 Jahren am meisten verändert?

Roiderer: Das Publikum. Früher war es älter. Seit etwa zehn Jahren kommen immer mehr junge Leute. Die Wiesn ist geradezu sensationell für sie.

SZ: 2007 waren etwa 60 Prozent der Wiesnbesucher jünger als 30. Wie erklären Sie sich den Wiesnkult?

Roiderer: Die Art der Musik hat sich gewandelt. Früher waren die Autoscooter mit ihrer Musik die Höhepunkte, gefolgt von anderen Schaustellern. Die Wirte haben die Musik in die Zelte geholt, deshalb sind ja die Schausteller eifersüchtig. Wir haben immer ein Geschäft, sie selbst aber nur, wenn das Wetter schön ist. Die Jugend erlebt in den Zelten heute eine Topmusik, aber hallo! Mit dem deutschen Regimentsmarsch oder dem Bozener Bergsteigermarsch machst du abends kein Zelt voll.

SZ: Die große Party schreckt wiederum viele ältere Besucher ab.

Roiderer: Ach wo. Die Wirte begreifen schon, dass die Wiesn keine Disko sein darf. Es war ja auch Vorgabe der Stadt, dass die Musik bis 18 Uhr leiser gespielt werden muss. Und sie ist tagsüber weniger progressiv, mehr bayerisch. Da gehen die Erwachsenen hin. Ich bin ja fast schon erwachsen, ich gehe auch lieber mittags auf die Wiesn.

SZ: Wolf Bierlein, Tiffany-Chef in München, sagt: Das Oktoberfest ist einfach wahnsinnig sexy. Einverstanden?

Roiderer: Das Oktoberfest ist ein bayerisches Volksfest, auf das viele Leute gehen. Sexy? Was ist sexy? Wenn sich die feschen Madel sauber herrichten, schaut das gut aus. Das ist alles.

"Wir müssen ja auch was zum Lachen haben"

SZ: Bei etlichen Besuchern sinkt der Anstand direkt proportional zur Anzahl der konsumierten Maß'n.

Roiderer: Wenn ich mal einen Spruch anbringen darf: Alkohol fördert das Verlangen, aber verhindert die Ausführung. Zu Exzessen am Tisch lassen wir es nie kommen, dafür haben wir den Service. Bei mir sitzt keiner länger als zwei Minuten mit einem nackten Oberkörper im Bierzelt. Das sage ich bei der Einweisung der Bedienungen extra. Einen Sittenverfall sehe ich nicht.

SZ: Das Wiesn-Outfit hat mit echter Tracht so viel zu tun wie die Loveparade mit der Tölzer Leonhardifahrt. Stört Sie die Verkitschung?

Roiderer: Nicht alle haben so viel Geld, dass sie sich trachtenmäßig top kleiden können. Am ersten und zweiten Wiesnfreitag sind um zehn Uhr morgens im Hackerzelt 2000 junge Leute versammelt, mit Lederhosen, Hosenträger und Wadlstrümpf - und die Madel haben halt günstige Dirndl an. Ich finde das schön. Die sind natürlich schon sexy mit ihren Miniteilen. Mit richtiger Tracht ist man auf der Wiesn overdressed.

SZ: Es herrscht das Prinzip "Anything goes": Escada-Hotpants mit rosa Pailletten, Highheels zum Dirndl. Wo ist bei Ihnen die Schmerzgrenze?

Roiderer: Genau bei dem, was Sie eben geschildert haben. Die Kleiderordnung ist aber von Zelt zu Zelt verschieden. Wenn ich das Zelt vom Käfer Michi anschaue, ist dort die Einkommensgrenze eine ganz andere als in einem großen Bierzelt. Da trifft sich das Volk und nicht die Oberschicht. Außerdem müssen wir auf der Wiesn auch was zum Lachen haben.

SZ: Jedes Jahr entbrennt die Debatte über den Bierpreis neu. Können Sie die Kritiker verstehen, die 8,30 Euro für die Maß für aus'gschamt halten?

Roiderer: In München gehört die Diskussion über den Bierpreis einfach dazu, das ist fast schon Kult. Die Frage ist doch, warum er steigt.

SZ: Und?

Roiderer: Ich habe bislang zweimal den Preis nicht erhöht. Wenn es geht, verzichte ich drauf, weil es nicht angenehm ist, eine Preiserhöhung zu rechtfertigen. Man muss aber auch sehen, dass wir jedes Jahr beim Aufbau des Zeltes ungefähr 70 Aufträge an Fremdfirmen vergeben. Wenn dann die Gewerkschaften vier Prozent Tariferhöhung durchsetzen, dann müssen wir nachziehen.

SZ: Was halten Sie von Schuhbeck und seinem "Hendl to go" auf der Wiesn?

Roiderer: Käfer ist auf der Wiesn, warum Schuhbeck nicht auch? Er hat der bayerischen Küche zu neuem Glanz verholfen. Er ist ein absoluter Fachmann.

SZ: Hand aufs Herz: Das Oktoberfest ist für die Wirte ein gutes Geschäft, oder?

Roiderer: Pleite ist noch keiner gegangen.

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